TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/27 93/01/0169

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Veröffentlicht am 27.05.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1992, Zl. 4.317.923/3-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem albanischen Staatsangehörigen, der am 14. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält zwar verschiedene allgemeine Rechtssätze, und es wurde abschließend von der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, daß eine den Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr auch "durch die vergangenen Ereignisse" nicht habe bescheinigt werden können, weshalb seine Flüchtlingseigenschaft zu verneinen gewesen und ihm kein Asyl zu gewähren sei. Sie hat sich aber mit den (von ihr gar nicht wiedergegebenen) Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich dessen Fluchtgründe im Verwaltungsverfahren nicht auseinandergesetzt. Sie hat sich vielmehr damit begnügt, im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognose bezüglich des Bestehens einer Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer auf die in seinem Heimatland geänderten politischen Verhältnisse seit seiner Ausreise hinzuweisen. Sie hat diesbezüglich ausgeführt, daß sich alles, was der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorzubringen vermocht habe, auf die Situation in seinem Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/92 bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden parlamentarisch-pluralistischen Demokratie. Es seien im Laufe des Jahres 1991 sämtliche politischen Häftlinge freigelassen worden und keine Fälle staatlicher Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Nicht geleugnet werden könne die triste wirtschaftliche Lage, ebensowenig die hohe Kriminalitätsrate im Heimatland des Beschwerdeführers; nur stellten diese sicherlich bedauerlichen Mißstände keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Der Beschwerdeführer bestreitet konkret die Änderung der politischen Verhältnisse in seinem Heimatland. Sein Beschwerdevorbringen verstößt nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, wurde doch dem Beschwerdeführer, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben, zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die von ihr für die Ablehnung des Asylantrages maßgebende Argumentation, insbesondere hinsichtlich der geänderten Verfassungsrechtslage, aber auch der Freilassung politischer Gefangener, schließt die Richtigkeit der Behauptung des Beschwerdeführers, es bestehe auf Grund der faktischen politischen Verhältnisse in seinem Heimatland für ihn weiterhin eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Konventionsgründe, nicht aus (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zlen. 92/01/0761, 0762, und vom 21. April 1993, Zl. 92/01/1069).

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das (erst in einem ergänzenden Schriftsatz gestellte) Mehrbegehren war abzuweisen, weil eine (im übrigen vom Beschwerdeführer gar nicht beantragte) Verhandlung nicht stattgefunden hat, sodaß für ihn kein Verhandlungsaufwand entstanden ist, und mangels gesetzlicher Grundlage ein Ersatz von "Barauslagen für Dolmetsch" im Zusammenhang mit der Verfassung der Beschwerde, zumal es sich hiebei um keine Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes, für die er aufzukommen hat, im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG handelt, nicht in Betracht kommt, sondern vielmehr der Ersatz der gegenständlichen Auslagen bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010169.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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