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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. März 1993, Zl. Fr 16/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 23. März 1993 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Jugoslawiens, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. U.e. wurde die von der Erstbehörde ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt und auf § 27 Abs. 3 FrG gestützt.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 19. Dezember 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines Reisedokumentes zu sein, in Österreich eingereist sei. Sein am 23. Dezember 1992 gestellter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. Dezember 1992 gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen und gleichzeitig einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Laut den Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme vor der Erstbehörde am 30. Dezember 1992 habe er keine geregelte Beschäftigung in Aussicht, verfüge nicht über ausreichende "Barmittel" für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet, habe keinen ordentlichen Wohnsitz und sei unterstandslos. Die Einreise des Beschwerdeführers unter Umgehung der Grenzkontrolle und ohne im Besitz eines Reisedokumentes zu sein, bedeute im Hinblick auf § 15 Abs. 1 FrG, daß er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weshalb die zwingende Bestimmung des § 17 Abs. 1 leg. cit. zum Tragen komme. Da im übrigen in Österreich nur ein Cousin und eine Cousine des Beschwerdeführers lebten - die Eltern seien verstorben, die Geschwister lebten in seinem Heimatland - sei die Ausweisung aus dem Blickwinkel des § 19 FrG, auf den gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. Bedacht zu nehmen sei, auch zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde hält die Auffassung der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (§ 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991) zukomme, weil er nicht direkt aus dem Verfolgerstaat eingereist sei, für unrichtig. Folglich habe die belangte Behörde auch verkannt, daß im Grunde des § 9 Abs. 1 leg. cit. eine Ausweisung des Beschwerdeführers nicht hätte verfügt werden dürfen.
1.2. Im vorliegenden Fall kann ungeprüft bleiben, ob die aus den §§ 6 und 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 abgeleitete Rechtsansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung ermangle, zutrifft. Die belangte Behörde hat nämlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgestellt - eine Feststellung, die in der Beschwerde unbestritten blieb -, daß die Asylbehörde erster Instanz mit ihrem den Asylantrag des Beschwerdeführers abweisenden Bescheid vom 29. Dezember 1992 einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt habe. Damit aber kam dem Beschwerdeführer im Grunde des § 7 Abs. 3 Asylgesetz 1991 jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. nicht zu. Daraus folgt, daß § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 idF des Art. II Z. 2 BGBl. Nr. 838/1992 der Erlassung des die Ausweisung des Beschwerdeführers im Instanzenzug aussprechenden Bescheides nicht entgegenstand.
Zu prüfen bleibt indes noch die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Hinblick auf § 19 FrG, auf den bei einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 zweiter Halbsatz Bedacht zu nehmen ist.
2.1. Die Beschwerde macht der belangten Behörde insoweit zum Vorwurf, daß dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit geboten worden sei darzulegen, ob durch die Ausweisung in sein Privat- oder Familienleben eingegriffen werde.
2.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde hat im Rahmen ihrer Zulässigkeitsprüfung nach § 19 FrG festgestellt, daß sich in Österreich lediglich ein Cousin und eine Cousine des Beschwerdeführers aufhielten. Diese Sachverhaltsfeststellungen erfahren in der Beschwerde keinen Widerspruch. Der Hinweis, daß der Beschwerdeführer "in Österreich Verwandte hat", bietet dem Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, die von der Behörde getroffenen, im Grunde des § 19 FrG maßgeblichen Sachverhaltsannahmen in Zweifel zu ziehen (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).
Von daher gesehen vermag der Gerichtshof mit der belangten Behörde nicht zu erkennen, daß in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers in relevanter Weise eingegriffen worden wäre. Es brauchte daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 MRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1992, Zl. 93/18/0189).
3.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Beschwerde die Nichtberücksichtigung des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland ein Reisedokument verweigert worden sei. Er hätte demnach nicht auf legalem Weg in Österreich einreisen können; dies jedoch nicht aus seinem Verschulden.
3.2. Selbst wenn diese Behauptung zutreffen sollte, würde damit für den Standpunkt des Beschwerdeführers nicht gewonnen sein, da der geltend gemachte Umstand nichts an der im Grunde des § 15 Abs. 1 Z. 1 FrG gegebenen Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet geändert hätte.
4.1. Nach Meinung des Beschwerdeführers findet sich im angefochtenen Bescheid auch nicht ansatzweise eine Begründung für die (Bestätigung der) Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung.
4.2. Gemäß § 27 Abs. 3 (erster Satz) FrG - auf diese Bestimmung stützte die belangte Behörde den besagten Ausspruch - ist der Berufung gegen eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Fremden im Interesse der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes reichen die von der Erstinstanz getroffenen und von der belangten Behörde übernommenen Feststellungen, daß der Beschwerdeführer keine Beschäftigung (in Aussicht) habe, nicht über für einen weiteren Aufenthalt hinreichende finanzielle Mittel verfüge sowie "unterstandslos" sei, aus, um eine sofortige Ausreise des Beschwerdeführers "im Interesse der öffentlichen Ordnung" für geboten zu erachten. Im übrigen hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, inwieweit er durch diesen Ausspruch noch in seinen Rechten verletzt sein kann.
5. Dem Beschwerdeeinwand schließlich, der bekämpfte Bescheid verletze die Begründungspflicht insoweit, als er nicht erkennen lasse, welche Beweisergebnisse der Entscheidung zugrunde liegen, ist unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen der Boden entzogen.
6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (daher auch ohne die beantragte Verhandlung) als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180251.X00Im RIS seit
20.11.2000