TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/27 92/01/0982

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Veröffentlicht am 27.05.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der H in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1992, Zl. 4.287.731/3-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin - einer türkischen Staatsangehörigen, die am 14. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin macht der belangten Behörde zum Vorwurf, ungeachtet dessen, daß seit Erhebung ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 17. April 1990 "etwa zweieinhalb Jahre" verstrichen seien, entschieden zu haben, "ohne vorab noch einmal Parteiengehör zu gewähren". Dadurch sei die Beschwerdeführerin daran gehindert worden, "weitere Beweise dafür vorzulegen, wie sehr in ihrer Heimat derzeit Bürgerkrieg herrscht". Dieser Verfahrensmangel sei "insbesondere schwerwiegend, weil auch in erster Instanz kein" (zu vervollständigen wohl: ordnungsgemäßes) "Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde und der angefochtene Bescheid keine substantielle Auseinandersetzung mit dem Antragsvorbringen enthielt". Es kann nun auf sich beruhen, ob der behauptete Verfahrensmangel tatsächlich vorliegt, was zur Voraussetzung hätte, daß einer der Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 gegeben war, auf Grund dessen - abweichend von Abs. 1 dieses Paragraphen, wonach der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat - eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erforderlich gewesen wäre, wobei erst hinreichend deutliche Hinweise durch die Beschwerdeführerin in dieser Richtung in Ansehung des festzustellenden Sachverhaltes eine weitere Ermittlungspflicht im Sinne des § 16 Abs. 1 leg. cit. ausgelöst hätten (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Ein solcher allfälliger Verfahrensmangel wäre nämlich nicht wesentlich, weil die belangte Behörde auch bei dessen Vermeidung zu keinem anderen, für die Beschwerdeführerin günstigeren Bescheid hätte kommen können. Abgesehen davon, daß in der Beschwerde diesbezüglich kein ergänzendes Vorbringen erstattet, also nicht näher dargetan wurde, was die Beschwerdeführerin zusätzlich vorgebracht hätte, wenn ihr nochmals Parteiengehör eingeräumt worden wäre, wäre damit für ihren Standpunkt aus rechtlichen Gründen nichts zu gewinnen, weil in dem Umstand, daß im Heimatland der Beschwerdeführerin "Bürgerkrieg" herrscht, für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) gelegen ist. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides in Erwiderung auf die allgemein gehaltenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren über die Situation der Kurden in der Türkei, denen die Beschwerdeführerin angehört, entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtig erkannt, daß es für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin individueller, gegen sie gerichteter Verfolgungshandlungen bedürfte. Die Rüge der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde vertrete den Standpunkt, daß die Verfolgung der Kurden in der Türkei einen allgemeinen Nachteil darstelle, dem ALLE Einwohner der Türkei ausgesetzt seien, zu Unrecht, weil "sich die Kurdenverfolgung eben ganz spezifisch auf die kurdische Volksgruppe in der Türkei bezieht", erweist sich im Hinblick darauf, daß der betreffende Passus in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich dahingehend lautet, daß der genannten Situation grundsätzlich "die gesamte Bevölkerung der Heimatregion" der Beschwerdeführerin ausgesetzt sei, als aktenwidrig. Anhaltspunkte dafür, daß in der Türkei systematisch eine Gruppenverfolgung der Kurden aus Gründen ihrer Nationalität stattfinde, von der auch die Beschwerdeführerin unmittelbar betroffen sei, bestehen selbst auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht.

Solche Umstände, aus denen die Beschwerdeführerin eine konkrete Verfolgungsgefahr auf ihrer Seite ableitet, wurden von ihr - ungeachtet der Frage nach der Beachtlichkeit eines ergänzenden Vorbringens in der Berufung - lediglich im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht. Anläßlich der Stellung ihres Asylantrages am 5. Dezember 1989 hat die Beschwerdeführerin diesen damit begründet, daß ihre drei Brüder politisch in ihrem Heimatland tätig gewesen seien und aus diesem Grund hätten "untertauchen" müssen. Sie habe zwar in der letzten Zeit keinen Kontakt mehr mit ihren Brüdern gehabt, sei jedoch von der Polizei "in gewissen Abständen" nach ihnen befragt worden, wobei es auch zu Hausdurchsuchungen gekommen sei. Sie sei zwar nicht geschlagen, ihr aber immer vorgeworfen worden, die Adresse ihrer Brüder zu kennen. Bei ihrer weiteren niederschriftlichen Befragung am 15. Dezember 1989 hat sie, über die Hinweise allgemeiner Natur hinaus, angegeben, sich politisch noch nie betätigt und auch keiner kurdischen Organisation angehört zu haben. Für die Politik in der Türkei habe sie sich persönlich nicht interessiert, im Gegensatz zu ihren drei Brüdern, die der "PKK" (Kurdische Arbeiterpartei) angehört hätten. Ihre Brüder hätten 1986 ihr Heimatdorf verlassen, weil sie wegen ihrer Aktivitäten gegen das türkische Regime von der Polizei gesucht worden seien. Nachdem sie das Elternhaus verlassen hätten, sei es regelmäßig, auch nachts, von der Polizei durchsucht worden. Die Beschwerdeführerin sei, ebenso wie ihr Vater, wiederholt, zuletzt im September 1989, zur Polizeistation gebracht, dort nach dem Aufenthaltsort ihrer Brüder befragt, beschimpft und auch mißhandelt worden. Grund für das Verlassen ihres Heimatlandes sei ihre Angst gewesen, wieder grundlos verhaftet und mißhandelt zu werden. Diesen Angaben läßt sich nicht entnehmen, daß die Beschwerdeführerin irgendwelchen, den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes zuzurechnenden Verfolgungshandlungen, die auf einen der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe, insbesondere den der Nationalität oder den der politischen Gesinnung, zurückzuführen gewesen wäre, ausgesetzt gewesen sei. Vielmehr ergibt sich daraus, daß die von der Beschwerdeführerin geschilderten, gegen sie ergriffenen Maßnahmen ausschließlich ihre Ursache in den politischen Aktivitäten ihrer Brüder, deren Aufenthaltsort von ihr in Erfahrung gebracht werden sollte, hatten. Dies stellt, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend betont hat, keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, zumal aus den Angaben der Beschwerdeführerin nicht hervorgeht, daß sie Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes (auch) deshalb gehabt habe, weil man ihr selbst eine derartige politische Gesinnung unterstellt oder sie einer solchen zumindest verdächtigt habe (vgl. das einen ähnlichen Sachverhalt betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0884). Wenn die Beschwerdeführerin angesichts der von der belangten Behörde gebrauchten Argumentation ins Treffen führt, "daß offenkundig hier das Problem der Sippenhaftung verdrängt wird", so kann darauf schon auf Grund des Neuerungsverbotes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nicht Bedacht genommen werden. Demnach kommt aber auch den von der Beschwerdeführerin behaupteten, lediglich mit den ihre Brüder betreffenden Ermittlungen im Zusammenhang stehenden Mißhandlungen keine rechtliche Relevanz zu, weshalb die (an sich ohne hinreichende Sachverhaltsgrundlage getroffenen bzw. nicht als schlüssig zu beurteilenden) Feststellungen der belangten Behörde, es seien jene als Übergriffe einzelner Angehöriger der türkischen Sicherheitskräfte zu werten und es handle sich dabei um verhältnismäßig geringe, vorübergehende Beeinträchtigungen, die nicht geeignet seien, eine dauernde Zwangssituation herzustellen, die den weiteren Verbleib der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland unzumutbar erscheinen lasse, nicht als wesentlich anzusehen sind.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010982.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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