TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/27 92/01/0958

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Veröffentlicht am 27.05.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1992, Zl. 4.329.758/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. September 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen "der früheren SFRJ", der am 19. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 31. Dezember 1991 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, daß er Kroate sei und "zuerst für die kroatische Nationalarmee und dann", nachdem er sich nicht gestellt gehabt habe, "auch noch für die jugoslawische Armee in den Kämpfen zwischen Serben und den Kroaten" hätte einberufen werden sollen. Er wolle für keine der beiden Seiten im Bürgerkrieg kämpfen und in diesem sinnlosen Krieg nicht Landsleute töten oder dabei selbst getötet werden.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 14. Februar 1992 führte der Beschwerdeführer aus, daß er in S geboren sei, wo er bis 1991 gewohnt und gearbeitet habe. Am 10. Dezember 1991 sei er von der jugoslawischen Volksarmee zum Wehrdienst einberufen worden. Er habe nicht gegen sein Volk Krieg führen wollen, weshalb er am 15. Dezember 1991 seinen Heimatort verlassen habe. Bei seiner Schwester in Zagreb habe er erfahren, daß sein Haus in seinem Heimatort zerstört worden sei, und geglaubt, daß er "eine Rettung schon gefunden habe". Am 20. Dezember 1991 sei er (aber) neuerlich zum Wehrdienst einberufen worden, diesmal von der kroatischen Armee. Er habe nicht an einem "brudermördischen Krieg" teilnehmen wollen und daher mit seiner Verlobten "Jugoslawien" verlassen. Er könne nicht nach Kroatien zurückkehren, weil er "von Gefängnis bedroht werde" und Angst vor Repressionen habe.

Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer - was seine Einberufungen zum Militärdienst einerseits zur jugoslawischen Armee und andererseits zur kroatischen Armee betrifft - insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Aufeinanderfolge dieser Geschehnisse ein in der Berufung von seinen Angaben bei seiner niederschriftlichen Befragung abweichendes Vorbringen erstattet hat. Es trifft daher nicht zu, wenn es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, der Beschwerdeführer habe in der Berufung im wesentlichen dieselben Angaben wie bei seiner niederschriftlichen Befragung gemacht und "außerdem" (nur) angegeben, nicht nach Kroatien zurückkehren zu können, weil er Angst vor Repressionen habe und ihm eine Gefängnisstrafe drohe. Darin liegt aber kein wesentlicher Verfahrensmangel, weil die belangte Behörde auch bei dessen Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Dabei kann unerörtert bleiben, ob bzw. inwieweit die belangte Behörde im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991, wonach sie ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte, sowie darauf, daß dieses Verfahren nicht offenkundig mangelhaft war und auch sonst keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. vorlag, auf Grund dessen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre, auf das Berufungsvorbringen hätte Bedacht nehmen dürfen. Entscheidend ist nämlich in jedem Fall nur, daß sich der Beschwerdeführer durch das Verlassen seines Heimatlandes - als das nach dem Beschwerdevorbringen Kroatien angesehen werden muß - der Leistung von Militärdienst entziehen wollte, welcher Umstand - unabhängig davon, für wen er jeweils geleistet werden sollte - in Ansehung der Frage, ob daraus abgeleitet werden kann, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zukommt, der gleichen rechtlichen Beurteilung unterliegt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine wegen Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, unter Umständen auch strenge Bestrafung nicht als eine Verfolgung in diesem Sinne gewertet werden kann (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718). Daß aber seine Einberufungen zum Militärdienst aus im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründen erfolgt wären bzw. daß aus solchen Gründen eine drohende, allfällige Bestrafung das in einem solchen Fall auch alle anderen Staatsangehörigen drohende Ausmaß übersteigen würde, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet (vgl. auch dazu beispielsweise das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 30. November 1992). Die belangte Behörde hat daher - im Einklang mit dieser Judikatur - richtig erkannt, daß die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellen.

Der Beschwerdeführer führt ins Treffen, daß die akute Gefahr bestehe, als Angehöriger der kroatischen Armee im umkämpften Bosnien "in die Hände serbischer oder jugoslawischer Truppen" zu fallen, und er "in diesem Falle mit äußersten Repressalien insbesondere deswegen zu rechnen habe, da er Kroate bosnischer Herkunft ist" (wobei er nunmehr seinen Geburtsort mit K in Bosnien angibt), "ein Teil seiner Familienangehörigen noch in Bosnien wohnt und er selbst schließlich mehrere Jahre hindurch Angehöriger der jugoslawischen Bundesarmee war", weshalb sich seine Situation nicht "mit einem Deserteur" vergleichen lasse, welcher den Wehrdienst in einer bestimmten Armee verweigere. Dabei vertritt er den Standpunkt, daß es bei der Verfolgungsgefahr nicht darauf ankomme, ob die Verfolgungshandlungen seitens des Heimatstaates drohen "oder seitens anderer Mächte, welche auf Grund der politischen und militärischen Gegebenheiten Zwangsgewalt über den Beschwerdeführer oder nahe Angehörige zu gewinnen drohen". Auf dieses Vorbringen kann - ungeachtet der Frage, ob die vom Beschwerdeführer auf diese Weise befürchteten Repressionen überhaupt seinem Heimatland zugerechnet werden könnten, wobei er sich jedenfalls im Rechtsirrtum befindet, wenn er meint, daß auch Maßnahmen, die gegen seine Angehörigen gesetzt werden, als Grund für die Asylgewährung in Betracht kommen können (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1993, Zl. 92/01/1101, mit weiteren Judikaturhinweisen) - schon deshalb nicht Bedacht genommen werden, weil es gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers waren weitere Ermittlungen, auf Grund welcher der nun von ihm vorgebrachte Sachverhalt hätte festgestellt werden können, gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht erforderlich, weil erst hinreichend deutliche Hinweise durch den Beschwerdeführer in dieser Richtung eine solche Ermittlungspflicht ausgelöst hätten, derartige Hinweise aber fehlten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, daß hinsichtlich seiner Person "sogar" die Gefahr bestehe, daß er "für den Fall der Gefangennahme als kroatischer Soldat seitens der jugoslawischen Bundesarmee dort als Deserteur gilt und härteste Konsequenzen, unter Umständen auch den Tod zu erwarten hat", so wäre selbst dann, wenn dies für die belangte Behörde offenkundig im Sinne des § 45 Abs. 1 AVG hätte sein müssen, für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil auch solche Sanktionen gegenüber dem Beschwerdeführer - folgt man seinem Vorbringen - lediglich auf seine Wehrdienstverweigerung und nicht (auch) auf einen der Konventionsgründe zurückzuführen wären.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010958.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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