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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. September 1992, Zl. 4.321.480/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. September 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem türkischen Staatsangehörigen, der am 17. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat seinen schriftlichen Asylantrag vom 22. Mai 1991 damit begründet, daß er die ständige Furcht vor politischer Verfolgung in der Türkei nicht mehr ertragen habe. Er habe sich immer mit der kurdischen Bevölkerung solidarisch erklärt, weshalb er Repressionen des Militärs "und anderer reaktionärer Kräfte" ausgesetzt gewesen sei. Insbesondere der Bürgermeister seines Heimatdorfes habe ihm ständig Schwierigkeiten bereitet. Da er Mitglied einer Studentenorganisation und politisch sehr aktiv gewesen sei, habe er 1980 den Besuch des Gymnasiums in K aufgeben und in sein Dorf zurückkehren müssen, welches er nicht habe verlassen dürfen. Seine Lebenschancen in der Türkei seien extrem eingeschränkt und sein Leben immer in Gefahr gewesen, weil er oft überwacht und verfolgt worden sei. Als er dann 1983 in K ein Videogeschäft eröffnet habe, habe er wieder enorme Schwierigkeiten bekommen; da er einige regimekritische Filme geführt habe, sei sein Geschäft gesperrt und er erneut seiner Lebensgrundlage beraubt worden. Die Bedrohung seiner Person sei bis zu dem Tag, an dem er die Türkei verlassen habe, geblieben. Seine politische Gesinnung hätten ihm und seiner Familie ständig Schwierigkeiten gebracht.
Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 6. September 1991 gab der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, seit 1980 in seinem Heimatdorf C wegen seiner politischen Anschauung von der Dorfbevölkerung und vom rechtsgerichteten Dorfvorsteher unterdrückt worden zu sein. Er sei ein Sozialdemokrat und unterstütze derzeit die linksdemokratische Partei "DSP". Er habe jedes Jahr an den Aufmärschen anläßlich des 1. Mai teilgenommen; dabei sei er angehalten oder festgenommen worden. Wegen seiner politischen Anschauung habe er sogar das Gymnasium wechseln müssen. Er sympathisiere mit den Kurden und möchte, daß ihnen die gleichen Rechte eingeräumt würden wie den Türken. Im übrigen verweise er auf seinen schriftlichen Asylantrag. Auf ausdrückliches Befragen fügte er hinzu, daß er nicht gefoltert "oder konkret politisch verfolgt" worden sei.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. September 1991 machte der Beschwerdeführer neuerlich seine politische Verfolgung in der Türkei geltend. Er führte aus, daß er in einer Studentenorganisation für die Demokratie in der Türkei gearbeitet und sich für die Kurden und deren Problematik "interessiert" habe. Es sei bekannt, daß es in der Türkei vor allem für die Kurden keine Menschenrechte gebe. Wer über Demokratie oder Politik spreche, werde als Staatsfeind angesehen. Er sei deshalb in der Türkei mißhandelt und unterdrückt worden.
Der Beschwerdeführer rügt unter anderem, daß, obwohl die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens darauf hinwiesen, daß er "tatsächlich in meinem Heimatdorf um mein Leben bangen mußte, sei es durch Gefährdung meiner körperlichen Integrität, sei es auch durch die Beeinträchtigung meiner freien Berufsausübung", keine Feststellungen darüber getroffen worden seien, daß er "tatsächlich durch Behördenwillkür in meiner Lebensgrundlage beschränkt wurde und diesbezüglich Verfolgungen und Diskriminierungen ausgesetzt war". Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer damit selbst nicht zum Ausdruck bringt, er habe auf Grund der bisherigen Vorfälle weitere Verfolgung im gesamten Gebiet seines Heimatstaates zu befürchten und nicht in dessen anderen Teilen entsprechenden Schutz davor finden können (vgl. unter anderem die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0555, und vom 10. März 1993, Zl. 93/01/0079). Was im übrigen die "Gefährdung der körperlichen Integrität" des Beschwerdeführers anlangt, so hat er sich im erstinstanzlichen Verfahren konkret lediglich darauf bezogen, im Zusammenhang mit seiner Teilnahme an Aufmärschen anläßlich des 1. Mai "angehalten oder festgenommen" worden zu sein. Dies allein reicht aber für die Annahme seiner Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht aus, sondern bedürfte es hiefür des Hinzutretens weiterer Umstände (vgl. die hinsichtlich derartiger Maßnahmen nach der Teilnahme an verbotenen Demonstrationen ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, so die Erkenntnisse vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0102, und vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586). Daß er auch mißhandelt worden sei, hat der Beschwerdeführer erst in der Berufung vorgebracht, worauf jedoch von der belangten Behörde nicht Bedacht zu nehmen war, weil sie gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte, zumal keiner der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit., der eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erforderlich gemacht hätte, vorgelegen war. Wenn nunmehr in der Beschwerde behauptet wird, der Beschwerdeführer sei gefoltert worden, so widerspricht dies nicht nur seinen Angaben bei seiner Befragung am 6. September 1991, sondern verstößt dies überdies gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Auch eine bloße "Beeinträchtigung der freien Berufsausübung" des Beschwerdeführers, mag sie auch auf seine politische Gesinnung zurückzuführen gewesen sein, genügte nicht, um ihn als Flüchtling anerkennen zu können. Voraussetzung hiefür wäre vielmehr, daß es sich hiebei um Eingriffe handelte, die eine solche Intensität erreicht haben, daß damit eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage des Beschwerdeführers verbunden war, sodaß für ihn ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich geworden ist (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1992, Zlen. 92/01/0207, 0208). Davon, daß dies der Fall gewesen wäre, kann aber schon im Hinblick darauf, daß sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ergibt, daß er trotz eines erzwungenen Schulwechsels mit Matura habe abschließen können und nach der Schließung seines Videogeschäftes von 1984 bis zum Verlassen seines Heimatlandes in der Baubranche tätig gewesen sei, keine Rede sein.
Der Auffassung des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid setze sich "inhaltlich mit den Rechtsvorschriften des Asylgesetzes und der dazu entwickelten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch", trifft demnach zumindest im Ergebnis nicht zu. Die belangte Behörde ist im wesentlichen "auf die einzelnen Behauptungen" des Beschwerdeführers eingegangen, hat sich mit ihnen auseinandergesetzt und daraus mit Recht abgeleitet, daß mangels Vorliegens einer konkreten Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft ist, daß der Beschwerdeführer Flüchtling sei, weshalb auch eine Asylgewährung gemäß § 3 Asylgesetz 1991 nicht in Betracht kam. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers waren seine weitere Befragung oder sonstige behördliche Erhebungen nicht erforderlich (vgl. hinsichtlich der im § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 normierten Ermittlungspflicht insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800 bis 0803).
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010948.X00Im RIS seit
20.11.2000