TE Vfgh Beschluss 1990/12/7 V231/90

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Veröffentlicht am 07.12.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Form u Inhalt des Antrages
ZPO §506 Abs1 Z2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags wegen inhaltlicher Fehler; Unzulässigkeit einer Verweisung auf einen in einem anderen Verfahren erstatteten Schriftsatz

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

1.1. Zum besseren Verständnis ist einleitend daran zu erinnern, daß der antragstellende Rechtsanwalt schon seinerzeit einen auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag gestellt hatte, §16 Abs2 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland als gesetzwidrig aufzuheben. Dieser Antrag war mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1990, V109/89, mangels Legitimation zur Anfechtung zurückgewiesen worden, da nach Lage des Falles die geltend gemachte Betroffenheit weggefallen sei; dies deshalb, weil die bekämpfte Verordnungsstelle durch Beschluß der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. März 1990 (Anw. 1990, S. 248 ff.) neu gefaßt worden sei und seither dem Rechtsbestand nicht mehr angehöre.

1.2. Mit dem nunmehr vorliegenden, wiederum auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, §16 Abs2 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien idF des Beschlusses der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. März 1990, genehmigt mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. April 1990, Zl. 16.201/8-I 6/90 (Anw. 1990, S. 248 ff.) (im folgenden: Satzung), als gesetzwidrig aufzuheben.

1.3. §16 Abs2 der Satzung in der zitierten Fassung lautet nunmehr:

"(2) Hat ein Rechtsanwalt die Ausübung der Rechtsanwaltschaft unterbrochen, so ermäßigen sich seine Rentenansprüche bzw. die Ansprüche seiner Hinterbliebenen pro Jahr der Unterbrechung pro Jahr um drei von Hundert der in der Leistungsordnung festgesetzten Höhe, sofern er nicht unter Berücksichtigung der Tätigkeit nach der letzten Unterbrechung allein die Wartezeit erfüllt oder schon vor der Unterbrechung alle Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente erbracht hat. Die Bestimmungen über die Verkürzung der Wartezeit nach §3 (2) dieser Satzung sind in diesem Falle nur anzuwenden, wenn die letzte Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vor Vollendung seines 50. Lebensjahres erfolgt ist."

1.4. Zur Zulässigkeit des Antrages verweist der Antragsteller darauf, daß er am 4. November 1921 geboren wurde, er habe also das 68. Lebensjahr vollendet. Er sei erstmals am 15. September 1959, sohin vor Vollendung seines 50. Lebensjahres, in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingetragen worden. Aufgrund einer Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. Juli 1968 sei er mit Beschluß des Disziplinarrates vom 23. April 1969 aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden. Seine Wiedereintragung sei am 20. Oktober 1981 erfolgt. Dementsprechend sei er seit mehr als insgesamt 10 Jahren in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen, sodaß §50 Abs2 Z2 lita erster Satz RAO entsprochen sei; überdies erfülle er auch die Voraussetzung des §50 Abs2 Z2 lita zweiter Satz RAO - "mindestens fünf Jahre ohne Unterbrechung unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles eingetragen gewesen (zu) sein" -, sodaß es ihm jederzeit möglich sei, durch Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §50 Abs2 Z2 litc RAO sämtliche Voraussetzungen für den Versorgungsanspruch gemäß §50 Abs2 Z2 RAO zu erfüllen. Nicht erfüllt würden von ihm hingegen die von der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien aufgestellten strengeren (verschärften) Anspruchsvoraussetzungen.

1.5. Gegen die angegriffene Regelung bestünden folgende

Bedenken:

"1) Durch die - in der nunmehrigen Fassung der bekämpften

Verordnungsstelle vorgenommene - Einfügung des Satzes:

'oder schon vor der Unterbrechung alle Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente erbracht hat'

hat sich an der Gesetzwidrigkeit der Verordnungsstelle im übrigen nichts geändert. Nach wie vor bleibt der Unterschied zwischen Gesetz (RAO) und Verordnung (Satzung der Versorgungseinrichtung) bestehen, der in Ansehung des Antragstellers durch den neu eingefügten Zusatz in keiner Weise beseitigt wurde:

     Gesetz:                          Verordnung:

Wartezeit von insgesamt          Wartezeit von 10 Jahren nach

10 Jahren                        der letzten Unterbrechung.

Verkürzung dieser Frist auf      Verkürzung auf 5 Jahre nur bei

fünf Jahre bei Eintragung        bei letzter Eintragung vor

erstmals vor Vollendung          Vollendung des 50. Lebensjahres.

des 50. Lebensjahres

(2) Es wird in diesem Verfahren - da hinsichtlich des vorangegangenen Individualantrages keine Abweisung, sondern lediglich eine Zurückweisung erfolgte - zulässig sein, zur näheren Darstellung auf die detaillierten Ausführungen im vorangegangenen Verfahren V109/89 zu verweisen, in dem die beiderseitigen Argumente in aller Ausführlichkeit erörtert wurden. Beweis:

dg. Akt V109/89."

2. Vom Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien wird - mit näherer Begründung - die Zurückweisung des Antrages, in eventu seine Abweisung begehrt.

3. Der Antrag ist nicht zulässig.

3.1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Kraft §57 Abs1 VerfGG hat der Antrag die gegen die Gesetzwidrigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken "im einzelnen darzulegen". Es ist daher Prozeßvoraussetzung eines Verordnungsprüfungsverfahrens nach Art139 Abs1 B-VG, daß sich aus dem Inhalt des Antrages ua. eine Darlegung der gegen die Gesetzwidrigkeit der aufzuhebenden Normen im einzelnen sprechenden Bedenken ergibt (vgl. VfSlg. 8594/1979, zu Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg. 11.610/1988).

Der vorliegende Individualantrag entspricht diesen gesetzlichen Erfordernissen nicht. Vielmehr leidet er an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Fehler, weil der Antragsteller zwar die Aufhebung des §16 Abs2 der Satzung begehrte, jedoch Bedenken in gesetzlich geforderter Weise nicht vorbrachte. Denn eine Verweisung auf einen anderen (in einem nicht verbundenen Verfahren erstatteten) Schriftsatz ist unzulässig (vgl. VfSlg. 8602/1979, 11.611/1988, VfGH 13. März 1990, A11/88). Das Nichtdarlegen von Bedenken gegen eine aufzuhebende Bestimmung bildet einen zur sofortigen Zurückweisung des Antrages führenden Mangel (s. VfSlg. 8863/1980, 10.429/1985, zu Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg. 7593/1975, 11.610/1988).

3.2. Der (Individual-)Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es einer Prüfung der sonstigen Prozeßvoraussetzungen bedürfte.

4. Der Kostenspruch gründet sich auf §61a VerfGG, der den Kostenzuspruch nur für den Fall des Obsiegens des Antragstellers vorsieht.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Verfahren, Verweisung auf anderen Schriftsatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:V231.1990

Dokumentnummer

JFT_10098793_90V00231_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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