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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 1. Februar 1993, Zl. VwSen-100900/5/Sch/Rd, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Straßenpolizei, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als mit ihm die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. April 1992 in Ansehung einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 zurückgewiesen wird. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Als Folge eines Vorfalles vom 1. April 1992 wurde der Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 23. April 1992 schuldig erkannt, je eine Übertretung nach § 5 Abs. 1, nach § 52 lit. b Z. 15 sowie nach § 76a Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben, weil er ein Fahrrad in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt, die vorgeschriebene Fahrtrichtung nicht beachtet und eine Fußgängerzone befahren habe. Mit Mandatsbescheid derselben Behörde vom 9. April 1992 war dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 3 KFG 1967 die Entziehung der Lenkerberechtigung angedroht worden.
Am 27. April 1992 langte bei der Bundespolizeidirektion Linz ein Schreiben des Beschwerdeführers folgenden Inhaltes ein:
"Betreff: Vorstellung
Ich erhebe innerhalb offener Frist Vorstellung gegen den Bescheid vom 9. 4. 1992, ....., und begründe dies wie folgt:
Die Androhung der Entziehung der Lenkerberechtigung ..... erfolgte nicht zu Recht, da ich zum fraglichen Zeitpunkt nicht alkoholisiert und daher auch nicht verkehrsunzuverlässig ..... war bzw. bin.
Die Darstellung des Sachverhaltes durch die Behörde entspricht somit nicht den Tatsachen.
Gegen die von der Behörde am 23. 4. 1992 verhängte Strafe ergreife ich Rechtsmittel.
In diesem Verfahren wird sich herausstellen, daß ich nicht alkoholisiert war.
Ich beantrage daher, den Bescheid vom 9. 4. 1992 ersatzlos aufzuheben."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 23. April 1992 als unzulässig zurückgewiesen. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei in dem zitierten Schreiben zwar (auch) eine Berufung gegen das Straferkenntnis zu erblicken, dieser fehle aber ein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG, was zu ihrer Zurückweisung zu führen habe.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, das Schreiben des Beschwerdeführers enthalte sowohl eine Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 9. April 1992 als auch eine Berufung gegen das Straferkenntnis vom 23. April 1992. Was aber die Beurteilung der entscheidungswesentlichen Frage, ob die Berufung einen begründeten Antrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG enthält, anlangt, ist davon auszugehen, daß diesbezüglich keine allzu strengen - formalistischen - Anforderungen zu stellen sind. Es genügt vielmehr, daß dem Vorbringen der Partei entnommen werden kann, was sie mit dem beabsichtigten Rechtsmittel anstrebt und womit sie dieses ihr Anliegen zu begründen können glaubt. Ob das Vorbringen in Ansehung der erkennbaren Absicht erfolgversprechend ist, ist in diesem Zusammenhang (noch) unerheblich (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 595 ff., zitierte einschlägige Rechtsprechung).
Der Beschwerdeführer vertritt in dem in Rede stehenden Schreiben eindeutig die Auffassung, daß er nicht alkoholisiert gewesen sei. Daraus schließt er auf die Rechtswidrigkeit des kraftfahrrechtlichen Mandatsbescheides und der Bestrafung wegen des diesem zugrunde liegenden Alkoholdeliktes nach § 5 Abs. 1 StVO 1960. Dies genügt in Ansehung des Letzteren den gesetzlichen Mindesterfordernissen. Daß der Beschwerdeführer in dem Schreiben nicht bereits konkrete Beweisanträge zur Widerlegung des ärztlichen Gutachtens, in dem seine Alkoholbeeinträchtigung festgestellt worden war, gestellt oder zumindest ausgeführt hat, wieso er dieses Gutachten für unrichtig hielt, berührt nicht die Zulässigkeit der Berufung.
Hinsichtlich der beiden weiteren, dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen der StVO 1960 trifft die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keinen begründeten Berufungsantrag gestellt, zu. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang enthält nichts, das auch nur entfernt geeignet wäre, Gründe für die Bekämpfung des Straferkenntnisses in diesen Punkten erkennen zu lassen.
Der angefochtene Bescheid war daher insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, als mit ihm die Berufung in Ansehung der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 zurückgewiesen wird. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
VerfahrensrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993020058.X00Im RIS seit
12.06.2001