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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Getränkesteuer als Verbrauchssteuer; Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Annahme des Verbrauchs sämtlicher in einem Gemeindegebiet verkaufter Getränke innerhalb dieses Gebietes bei Vorschreibung der Getränkesteuer aufgrund der Nichterbringung von belegsmäßigen Nachweisen für den Außerortsverbrauch; Pflicht zur amtswegigen Ermittlung der materiellen WahrheitSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Salzburg ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen des Beschwerdevertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Anläßlich einer Getränkesteuerprüfung der innerhalb des Stadtgebietes Salzburg gelegenen Betriebe der K reg.Gen.m.b.H. ermittelte das Stadtsteueramt für die in diesen Betrieben während des Zeitraumes vom 1. Jänner 1983 bis 31. Dezember 1985 abgegebenen getränkesteuerpflichtigen Getränke eine Getränkesteuerbemessungsgrundlage in der Höhe von S 101,052.917,50.
Mit Bescheid des Magistrates Salzburg-Stadtsteueramt vom 13. April 1987 wurde die dafür zu entrichtende Getränkesteuer mit S 10,105.291,75 festgesetzt und der K reg.Gen.m.b.H. unter Berücksichtigung eines bereits entrichteten Steuerbetrages von S 8,809.695,-- Getränkesteuer in Höhe von S 1,295.610,-- nachträglich vorgeschrieben.
1.2. Nachdem die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 29. Dezember 1988 abgewiesen und daraufhin die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrt worden war, wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Salzburg mit Bescheid vom 13. Juli 1989 die Berufung der K reg.Gen.m.b.H. als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß er zu lauten habe:
"Gemäß §148 Abs2 der Salzburger Landesabgabenordnung - LAO, LGBl. Nr. 58/1963, wird die von der K reg.Gen.m.b.H. zu entrichtende Getränkesteuer für die von ihr im Zeitraum vom 1.1.1983 bis 31.12.1985 in der Stadtgemeinde Salzburg abgegebenen getränkesteuerpflichtigen Getränke mit 10 v.H. der Bemessungsgrundlage von S 101,052.917,50 unter Berücksichtigung der Rundungsbestimmungen des §6 Abs1 Salzburger Getränkesteuergesetz 1967, LGBl. Nr. 14/1968, in der Höhe von S 10,105.275,-- festgesetzt.
Da die K reg.Gen.m.b.H. für den genannten Zeitraum nur Getränkesteuer in der Höhe von S 8,809.665,-- einbekannt und entrichtet hat, ergibt sich eine Nachforderung in der Höhe von S 1,295.610,--. Dieser Betrag war bereits fällig und ist gemäß §154 Abs4 LAO längstens innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten."
Begründend wurde darauf verwiesen, daß gemäß §1 Abs1 Salzburger Getränkesteuergesetz 1967 (in der Folge: Sbg GetrStG) die Gemeinden des Landes Salzburg ermächtigt wurden, durch Beschluß der Gemeindevertretung vom Verbrauch von Getränken nach Maßgabe dieses Gesetzes Getränkesteuer zu erheben, und daß ein diesbezüglicher Beschluß vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg in der Sitzung vom 15. Dezember 1978 gefaßt und die Getränkesteuerverordnung im Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 25/1978 kundgemacht worden sei. Bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des Sbg GetrStG sei jener Verbrauch von Getränken der Steuerpflicht unterworfen, der innerhalb des Bereiches der getränkesteuererhebenden Gemeinde erfolgt sei. Unbestritten sei, daß die K reg.Gen.m.b.H. den bei der Prüfung festgestellten Umsatz getätigt habe; von dieser werde jedoch geltend gemacht, daß jeweils 23,3 % der Umsätze an Letztverbraucher abgegeben worden seien, die ihren Wohnsitz außerhalb der Stadtgemeinde Salzburg hätten, und daß für diesen Teil der Umsätze keine Getränkesteuerpflicht bestehe. Die von der K reg.Gen.m.b.H. angestellten Berechnungen gingen aber in mehrfacher Hinsicht von unrealistischen Voraussetzungen aus. Nach §1 Abs8 Sbg GetrStG habe im Zweifel der Steuerpflichtige nachzuweisen, daß ein steuerpflichtiger Tatbestand nicht vorliege. Nach Ansicht der Berufungsbehörde sei die zitierte Bestimmung des Sbg GetrStG streng zu handhaben. Der Umstand, daß die Berufungswerberin - infolge des Unterlassens der Führung entsprechender, ihr möglich und zumutbar gewesener Aufzeichnungen - den gemäß §1 Abs. 8 Sbg GetrStG von ihr zu erbringenden Gegenbeweis nicht antreten konnte, könne nicht dazu führen, daß nunmehr die Abgabenbehörde verpflichtet wäre, eine Verkürzung der von der Stadtgemeinde Salzburg zu erhebenden Getränkesteuer in Kauf zu nehmen.
Hinsichtlich der Einbeziehung des Wertes der Verpackung in die Getränkesteuerbemessungsgrundlage führt die Behörde im wesentlichen aus, daß sie zwar im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen noch zweifelhaft gewesen sein mag; jedoch sei dem §2 Sbg GetrStG 1967 mit Gesetz vom 1. April 1987, LGBl. Nr. 30/1987, ein Abs4 angefügt worden, der - wie die Erläuterungen ausführen - klargestellt habe, daß auch für die verpackungsbedingten Entgeltanteile Getränkesteuerpflicht bestehe. Darüber hinaus sei mit Gesetz vom 3. Februar 1988, LGBl. Nr. 37/1988, bestimmt worden, daß §2 Abs4 leg.cit. auch auf steuerpflichtige Tatbestände Anwendung finde, die vor dem 11. Juni 1987 verwirklicht worden seien. Dementsprechend habe der Gemeinderat der Landeshauptstadt Salzburg mit Beschlüssen vom 27. November 1987, kundgemacht im Amtsblatt Nr. 23/1987, und vom 13. Juli 1988, kundgemacht im Amtsblatt Nr. 14/1988, die Getränkesteuerverordnung ergänzt. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten "wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des (Salzburger) Landesgesetzes vom 3.2.1988, LGBl 1988/37, sowie wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung, nämlich des §3 Abs4 der Getränkesteuerverordnung der Landeshauptstadt Salzburg idF GRB 13.7.1988, kundgemacht im Amtsblatt Nr 14/1988" behauptet werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom 3. Feber 1988, mit dem der Geltungsbeginn des §2 Abs4 des Salzburger Getränkesteuergesetzes 1967 bestimmt wird, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 37/1988, sowie ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des letzten Satzes des §3 Abs4 der Verordnung über die Erhebung der Getränkesteuer im Gebiet der Landeshauptstadt Salzburg und die hiefür zu führenden Aufzeichnungen (Getränkesteuerverordnung), Beschluß des Gemeinderates vom 15. Dezember 1978, Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg Nr. 25/1978 idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 13. Juli 1988, Amtsblatt Nr. 14/1988, eingeleitet. Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1990, G13-15/90, V73-75/90 ua., hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß weder die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle als verfassungswidrig noch die in Prüfung gezogene Verordnungsstelle als gesetzwidrig aufgehoben wird.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Die Beschwerde rügt zunächst sowohl die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes vom 3. Februar 1988, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 37/1988, mit dem die Rückwirkung des §2 Abs4 Sbg GetrStG idF LGBl. Nr. 30/1987 angeordnet wird, als auch die Gesetzwidrigkeit des aufgrund dieser Novelle erlassenen §3 Abs4 der Getränkesteuerverordnung der Landeshauptstadt Salzburg idF des Gemeinderatsbeschlusses vom 13. Juli 1988, Amtsblatt für die Landeshauptstadt Salzburg Nr. 14/1988.
Da die in der Beschwerde aufgeworfenen Bedenken (mit) Anlaß für die durchgeführten Normenprüfungsverfahren waren, genügt es, auf das unter Pkt. 3 erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen.
4.2. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur im Falle von Willkür, eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung vorliegen.
Derartige Behauptungen werden in der Beschwerde hinsichtlich der Einbeziehung des Verpackungswertes in die Bemessungsgrundlage für die Getränkesteuer gar nicht aufgestellt. Auch der Verfassungsgerichtshof kann nichts finden, das auf einen solchen Verstoß gegen die genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte hindeuten würde.
5. Des weiteren erachtet sich die Beschwerdeführerin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Besteuerung von Außerortsverkäufen verletzt.
5.1. Die auf den Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung des §1 Sbg GetrStG lautet:
"(1) Die Gemeinden des Landes Salzburg werden ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung (des Gemeinderates der Stadt Salzburg) vom Verbrauch von Getränken nach Maßgabe dieses Gesetzes im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde eine Abgabe (Getränkesteuer) zu erheben.
(2) ...
(3) Als Verbrauch von Getränken im Sinne des Abs1 gilt die entgeltliche Abgabe von Getränken an den letzten Verbraucher.
(4) ...
(5) Abgabe ist jede Leistung, durch die der Abgebende jemanden befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann vom Abgebenden selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden. Eine Abgabe wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht (Übergabe) befindet.
(6) Als letzter Verbraucher gilt, wer das Getränk nicht zur entgeltlichen Weiterveräußerung erwirbt oder es nicht tatsächtlich entgeltlich weiterveräußert.
(7) ...
(8) Im Zweifel hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, daß ein steuerpflichtiger Tatbestand im Sinne des Abs1 nicht vorliegt."
5.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, ist die Getränkesteuer eine Verbrauchssteuer (vgl. VfSlg. 2796/1955, 5088/1965, 8099/1977 und VfGH 5.10.1988 B184/88); als solche unterliegt sie der verfassungsrechtlichen Schranke des §8 Abs4 F-VG, aus dem sich für die Getränkesteuer das Verbot ergibt, sie von Getränken zu erheben, die außerhalb der jeweiligen Gemeinden verbraucht werden.
Der Verfassungsgerichtshof hat unter den Gesichtspunkten des Beschwerdefalles keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser den Bescheid (mit-)tragenden Rechtsgrundlage. Er hält es insbesondere nicht für verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber von der Vermutung ausgeht, daß die entgeltliche Abgabe von Getränken in der Regel zum Zweck des Konsums innerhalb der Grenzen der betreffenden Gemeinde erfolgen wird (vgl. VfSlg. 2796/1955); auch darf er die Pflicht zur Führung eines Gegenbeweises den betroffenen Parteien auflasten, weil durch eine solche Beweislastregel weder die Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit noch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel aufgehoben wird (vgl. VwGH 15.3.1985, Z85/17/0033, 10.5.1985, Z84/17/0211 (mH auf weitere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen und Literaturstellen), und 18.9.1987, Z83/17/0206; VfSlg. 9816/1983).
5.3. Trotz der Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985) jedoch vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein derart grobes Fehlverhalten ist der Behörde in der Tat anzulasten. Der angefochtene Bescheid geht davon aus, daß alle verkauften Getränke im Gemeindegebiet von Salzburg verbraucht wurden, weil es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei, den Umsatz mit Stadteinwohnern und Stadtfremden belegmäßig getrennt nachzuweisen. Immerhin brachte die Beschwerdeführerin im Administrativverfahren - worauf sich die Beschwerde mit folgenden Ausführungen beruft - aber vor,
"daß,
a) das Kaufverhalten von Einwohnern der Stadt Salzburg dem von auswärtigen Kunden gleiche,
b) die Kundenstruktur (Konsummitglieder und Nichtmitglieder) und die Rückvergütungsquote der Region V derjenigen von Salzburg entspreche,
c) der Beschwerdeführer in Region V seine Umsätze ausschließlich mit Kunden (Genossenschaftsmitglieder und Nichtmitglieder) tätige, die in der Region V wohnhaft sind, da die Umsätze mit anderen Personen so gering sind, daß sie in diesen Zusammenhang vernachlässigt werden können. Ausgehend davon könne der Umsatz des Beschwerdeführers in Salzburg mit Ortsansässigen (Genossenschaftsmitgliedern und Nichtmitgliedern) dadurch errechnet werden, daß den zur Rückvergütung eingereichten (Salzburger) Mitgliederumsätzen, die auf die Region V bezogenen aliquoten Umsatzanteile mit Nichtmitgliedern ... hinzugerechnet werden. Der auf diese Weise errechnete Umsatz mit Gemeindeeinwohnern (Mitglieder und Nichtmitglieder) werde nun den tatsächlichen Umsatz des Beschwerdeführers in Salzburg gegenübergestellt, der erzielte Mehrumsatz sei nicht mit Personen mit Wohnsitz in Salzburg getätigt worden, weshalb die Bemessungsgrundlage für die Getränkeabgabe nur mit der entsprechenden Quote des Umsatzes mit Ortsansässigen anzusetzen sei."
Dieses Vorbringen scheint durchaus geeignet, tauglicher Gegenstand amtswegiger Ermittlungen und darauf gegründeter Überlegungen zu sein. Die belangte Behörde hat diese Möglichkeit dennoch nicht aufgegriffen.
Die Annahme des angefochtenen Bescheides, daß alle verkauften Getränke im Gemeindegebiet von Salzburg verbraucht wurden, könnte somit nur auf der Ansicht beruhen, daß die Behörde zufolge §1 Abs8 Sbg GetrStG jeglicher amtswegiger Ermittlungen enthoben ist, wenn der Steuerpflichtige nicht zweifelsfrei den Außerortsverbrauch nachweist. Hätte die genannte Bestimmung tatsächlich diesen Inhalt, dann wäre sie verfassungswidrig; denn eine solche Regelung würde in sachwidriger Weise vom Grundsatz der Pflicht zur Ermittlung der materiellen Wahrheit abweichen und im Effekt überdies die Getränkesteuer zu einer Verkehrssteuer machen.
Nach dem unter 5.2. Gesagten hätte es der belangten Behörde oblegen, neben Erhebungen über die Verwirklichung der die Abgabenpflicht begründenden Tatbestandselemente nach §1 Sbg GetrStG auch Erhebungen zur widerleglichen Vermutung des §1 Abs3 leg.cit. (daß als Verbrauch innerhalb des Gebietes der Landeshauptstadt Salzburg bereits die entgeltliche Abgabe von Getränken gelte) durchzuführen. Sollte also die Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides von der dargestellten (verfehlten) Rechtsauffassung ausgegangen sein, so hätte sie der Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt, was den Bescheid selbst mit Verfassungswidrigkeit belastet.
Sollte die belangte Behörde der Regel des §1 Abs3 und 8 leg.cit. aber nicht diesen (verfassungswidrigen) Inhalt beigemessen haben, sondern von der Auffassung ausgegangen seien, daß sie den §§89 und 90 Abs1 der Salzburger Landesabgabenordnung entsprechend die materielle Wahrheit zu ermitteln hat, so wäre ihr vorzuwerfen, daß sie bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes willkürlich vorgegangen ist. Ein willkürliches Verhalten einer Behörde liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nämlich auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm einem Ignorieren des Parteienvorbringens und einem leichtfertigten Abgehen vom Inhalt der Akten und dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und 10338/1985). Auf einen solchen schweren Fehler aber läuft das Verhalten der belangten Behörde hinaus, wenn sie bei Nichterbringung von belegsmäßigen Nachweisen ohne nähere Prüfung davon ausgegangen ist, daß sämtliche von im Stadtgebiet Salzburg gelegenen Betrieben verkaufte Getränke auch im Stadtgebiet von Salzburg verbraucht wurden. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung anzunehmen, daß bei Verbrauchergroßmärkten in verkehrsgünstigter Lage und in einem vom Bescheid erfaßten Zeitraum von drei Jahren sämtliche verkauften Getränke im Stadtgebiet Salzburg konsumiert worden sein sollen. Der Verfassungsgerichtshof hat es in einem ähnlich gelagerten Fall (VfSlg. 9816/1983) als verfassungswidrig angesehen, wenn die Behörde bei der Ermittlung der Getränkeabgabepflicht die für diese Abgabepflicht bedeutsamen Umstände völlig außer Betracht läßt.
5.4. Es kann somit offen bleiben, ob die belangte Behörde zu ihrer Entscheidung gelangt ist, indem sie der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, oder ob sie, von einer verfassungskonformen Interpretation ausgehend, bei der Subsumtion des Sachverhaltes unter die gesetzliche Regelung die dargestellten schwerwiegenden Fehler begangen hat: In jedem Fall ist nämlich, wie sich aus dem Gesagten ergibt, die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden. Der Bescheid war daher aufzuheben.
6. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 2.500,-- enthalten.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Getränkesteuer, Verkehrssteuer, Verbrauchsteuer, Finanzverfassung, Getränkesteuer Salzburg, Finanzverfahren, Ermittlungsverfahren AmtswegigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B987.1989Dokumentnummer
JFT_10098793_89B00987_00