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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
VwRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, DDr. Jakusch und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. November 1992, Zl. MA 63-M 298/92, betreffend Widerruf der Bestellung als Steuerberater, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (Vorstand) vom 4. Juni 1992 wurde die Bestellung des Beschwerdeführers als Steuerberater gemäß § 42 Abs. 1 lit. b und § 42 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO) widerrufen. In der Begründung dieses Bescheides wird dargestellt, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Juni 1989 wegen § 33 Abs. 1 und 13; § 33 Abs. 3 lit. a, § 11 dritter Fall; § 33 Abs. 2 lit. a; § 33 Abs. 3 lit. b Finanzstrafgesetz zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 1,2 Mio. (Ersatzfreiheitsstrafe acht Monate), ein Teil davon, und zwar S 900.000,--, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden. Das Urteil sei seit dem 3. August 1989 rechtskräftig. Aus den Entscheidungsgründen dieses Urteiles gehe hervor, der Beschwerdeführer habe zwischen 1974 und 1980 verschiedenen Klienten und dritten Personen, welche sich auf Grund besonderer Zahllasten in finanziellen Schwierigkeiten befunden hätten, angeboten, mittels des Erwerbes von Scheinfakturen Gelder zu verdienen, wobei er diesen Klienten erklärt habe, die Abgabenbehörde könne die Richtigkeit der Scheinfakturen bei einer etwaigen Überprüfung nicht in Frage stellen. Der Empfänger der Rechnung habe bei diesem Vorgang für das Ausstellen der Rechnung maximal 15 % der Fakturensumme als Entgelt an den Aussteller bezahlt. Den Restbetrag der Fakturensumme habe der Empfänger, nachdem er die Scheinfaktura in voller Höhe in seine Buchhaltung aufgenommen gehabt habe, unversteuert seinem Betrieb entnehmen können. Zusätzlich habe der Empfänger die Möglichkeit gehabt, die Steuern vom Gewinn und von den Umsätzen zu reduzieren. Auf dieser Grundlage seien von den Empfängern unrichtige Steuererklärungen abgegeben worden, was zu einer Abgabenverkürzung geführt habe. Für einen Teil dieser Unternehmer habe der Beschwerdeführer als Steuerberater gearbeitet, wobei ihm die Aufnahme von Scheinrechnungen in die Buchhaltung bewußt gewesen sei. In einigen Fällen sei er bloß als Vermittler für Scheinfakturen tätig geworden. Den Entscheidungsgründen des strafgerichtlichen Urteiles sei weiter zu entnehmen, der Beschwerdeführer habe für die Vermittlung der Scheinfakturen einen nicht mehr genau feststellbaren Prozentsatz als Provision erhalten. Daneben habe der Beschwerdeführer sich eines Sparbuches als Sammelkonto für den nichtversteuerten Teil seiner Einnahmen bedient. Dieses Sparbuch habe am 31. Dezember 1979 einen Stand von
S 1,708.459,-- aufgewiesen. Dadurch, daß er nicht alle seine Einkünfte in seine Steuererklärungen aufgenommen habe, sei es in den Jahren 1974 bis 1978 zur Einreichung unrichtiger Steuererklärungen gekommen, welche entsprechende Abgabenverkürzungen bewirkt hätten. Er habe ferner auch für das Jahr 1979 eine unrichtige Abgabenerklärung eingebracht und zwischen Jänner 1974 und Dezember 1978 in mehrfachen Tathandlungen unter Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen eine zu geringe Entrichtung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt. Die Erstbehörde kam auf Grund dieses Sachverhaltes zu dem Ergebnis, die Veranlassung von Klienten durch deren Steuerberater, Scheinfakturen in ihr Rechnungswesen aufzunehmen, sei als mit der gesetzlich normierten besonderen Vertrauenswürdigkeit eines Wirtschaftstreuhänders unvereinbar. Auch das sonstige, im strafgerichtlichen Urteil festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers stehe mit den einem Wirtschaftstreuhänder auferlegten Pflichten in krassem Widerspruch und lasse auf eine Sinnesart schließen, die befürchten lasse, der Beschwerdeführer werde auch in Hinkunft seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. Wenn auch die letzte strafbare Handlung mehr als 10 Jahre zurückliege, so habe dies bei der Vielzahl der Verfehlungen und der Verletzung erhöhter Sorgfaltspflichten im Rahmen der Berufsausbildung keine andere Beurteilung nach sich ziehen können.
Dieser Bescheid wurde auf Grund der vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachten Berufung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. November 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der bezughabenden Gesetzesstellen aus, bei der im § 3 WTBO als allgemeines Erfordernis für die Erlangung der Berufsbefugnis sowie für die Berufsausübung genannten besonderen Vertrauenswürdigkeit handle es sich nicht nur um das Vertrauen der Allgemeinheit zu den als selbstverständlich vorausgesetzten beruflichen Kenntnissen, sondern auch um das Vertrauen, daß der Wirtschaftstreuhänder seine Pflicht zur Verschwiegenheit, Gewissenhaftigkeit und Treue einhalten und in seinem ganzen Verhalten jene Anständigkeit beweisen werde, die man von ihm als Angehöriger eines Berufsstandes, dessen Träger zu den Vertretern und Wahrern fremder Wirtschaftsinteressen gehören, mit Fug und Recht erwarten dürfe. Daß das strafbare Verhalten in der Zeit zwischen 1974 bis 1980 gesetzt worden sei und somit 12 bis 18 Jahre zurückliege, die Hauptverhandlung neun Jahre nach Einleitung des Strafverfahrens durchgeführt worden sei und der Beschwerdeführer durch den Verzicht auf ein umfangreiches Beweisverfahren zur Verfahrensvereinfachung beigetragen habe, sei im vorliegenden Verfahren schon deshalb unbeachtlich, weil nach § 5 WTBO die besondere Vertrauenswürdigkeit insbesondere dann nicht vorliege, wenn der Wirtschaftstreuhänder wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit rechtskräftig bestraft worden sei und die Strafe nicht getilgt sei. Was die Bestimmung des § 42 Abs. 2 vorletzter Satz leg. cit. betreffe, wonach bei der Beurteilung, ob die Bestellung wegen mangelnder besonderer Vertrauenswürdigkeit zu widerrufen sei, auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Täters Bedacht zu nehmen sei, sei zu beachten, daß der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Straftaten bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater begangen habe. Es liege daher auf der Hand, daß die weitere Ausübung des Berufes Gelegenheit zur Begehung gleicher oder ähnlicher strafbarer Handlungen biete. Aber auch nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers sei die Befürchtung durchaus begründet, er könne bei weiterer Ausübung des Wirtschaftstreuhand-Berufes wieder einschlägig strafbar werden und der Allgemeinheit und seinen Klienten Schaden zufügen. Es dürfe nämlich nicht außer Betracht bleiben, daß der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen viele Jahre hindurch gesetzt und eine Verkürzung von Abgaben in beträchtlicher Höhe bewirkt habe. Auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, er habe das Angebot des Gerichtes, durch ein Vollgeständnis in wesentlichen Anklagepunkten ein besonders mildes Urteil erwarten zu können, angenommen und damit angesichts der Gefahr einer rufschädigenden öffentlichen Berichterstattung darauf verzichtet, einen Großteil der Anklagepunkte zu bekämpfen, obwohl eine solche Vorgangsweise aussichtsreich gewesen wäre, könne im Verwaltungsverfahren nicht eingegangen werden, weil es der Verwaltungsbehörde verwehrt sei, den festgestellten Sachverhalt einer vom Gericht abweichenden Beurteilung zu unterziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg sei darauf hingewiesen, daß der Verwaltungsgerichtshof das Bedenken des Beschwerdeführers, durch die postalische Übermittlung des angefochtenen Bescheides durch die Erstbehörde (und nicht durch die Berufungsbehörde) sei "keine förmliche Zustellung erfolgt, weshalb auch die Rechtswirkungen einer ordnungsgemäßen Zustellung nicht gegeben" seien, mangels näherer Ausführungen in der Beschwerde nicht nachzuvollziehen vermag.
Gemäß § 3 Abs. 1 WTBO müssen physische Personen, die eine Befugnis zur Ausübung des Berufes als Wirtschaftstreuhänder erwerben wollen, eigenberechtigt sein, das für die einzelnen Berufsgruppen vorgeschriebene Mindestalter erreicht haben, besonders vertrauenswürdig sein, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufweisen, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und ihren ordentlichen Wohnsitz sowie den Berufssitz in Österreich haben. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle müssen die im Abs. 1 genannten Erfordernisse auch während der gesamten Dauer der Berufsausübung erfüllt sein.
Gemäß § 5 leg. cit. liegt besondere Vertrauenswürdigkeit insbesondere dann nicht vor, wenn der Berufswerber von einem Gericht wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe, wegen einer mit Bereicherungsvorsatz begangenen sonstigen strafbaren Handlung oder wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden ist und die Verurteilung nicht getilgt ist. Gleiches gilt, wenn der Berufswerber von einer Finanzstrafbehörde wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit rechtskräftig bestraft worden ist und die Strafe nicht getilgt ist.
Nach § 42 Abs. 1 lit. b WTBO erlischt die Befugnis zur Ausübung des Wirtschaftstreuhand-Berufes durch Widerruf der Bestellung (Anerkennung), wenn ein allgemeines Erfordernis für die Berufsausübung (§§ 3 bis 7) nicht mehr gegeben ist. Nach dem Abs. 2 dieses Paragraphen erfolgt der Widerruf gemäß Abs. 1 lit. b durch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder. Zwecks Feststellung, ob die Voraussetzungen des Widerrufes wegen mangelnder besonderer Vertrauenswürdigkeit (§ 5), wegen mangelnder geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse (§ 6) oder wegen Fehlens einer Berufshaftpflichtversicherung (Abs. 1 lit. c) gegeben sind, hat die Kammer ein Gutachten des ehrengerichtlichen Disziplinarausschusses einzuholen. Bei der Beurteilung, ob die Bestellung wegen mangelnder besonderer Vertrauenswürdigkeit (§ 5) zu widerrufen ist, ist auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Täters Bedacht zu nehmen.
Was das zuletzt genannte Erfordernis der Bedachtnahme auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Täters anlangt, so irrt der Beschwerdeführer, wenn er meint, die Behörde habe in diesem Zusammenhang eine von der Eigenart der Verfehlung unabhängige Prognose darüber anzustellen, ob zu erwarten ist, daß sich der Bestrafte in Hinkunft gesetzestreu verhalten werde.
Mit der im § 42 Abs. 2 WTBO normierten Bedachtnahme auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Täters wird der Behörde für den Fall des Widerrufes der Berufsbefugnis die Möglichkeit an die Hand gegeben, in besonders rücksichtswürdigen Fällen trotz Vorliegens der im § 5 genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Verneinung der besonderen Vertrauenswürdigkeit von einem solchen Widerruf abzusehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Rechtsansicht der belangten Behörde, die sich aus den strafgerichtlichen Feststellungen ergebende Eigenart der strafbaren Handlung und das insbesondere aus dem langen Tatzeitraum und der Vielzahl der Straftaten abzuleitende Bild der Persönlichkeit des Beschwerdeführers rechtfertige nicht eine Abstandnahme vom Widerruf der Berufsbefugnis, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die materielle Richtigkeit des Strafurteiles in Zweifel zu ziehen versucht, vermag er damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Denn, wie bereits die belangte Behörde zutreffend ausführte, war diese an die tatsächlichen Feststellungen des verurteilenden rechtskräftigen Urteiles des Strafgerichtes gebunden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1977, Zl. 2205/76, und vom 13. April 1988, Zl. 87/03/0255). Es bildet daher auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, daß die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang angebotenen Beweise nicht durchführte.
Sollte schließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Inhalt des von der Erstbehörde eingeholten Gutachtens im Sinn des § 42 Abs. 2 leg. cit. des ehrengerichtlichen Disziplinarausschusses im Sinne der Behauptung einer Mangelhaftigkeit dieses Gutachtens zu verstehen sein, so vermag der Beschwerdeführer auch damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil ein solcher allfälliger Mangel zufolge der Bestimmung des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen könnte, wenn die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Diese Wesentlichkeit darzutun, wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, da sie für den Verwaltungsgerichtshof ohne entsprechendes Beschwerdevorbringen nicht erkennbar ist.
Aus den dargestellten Gründen war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993020025.X00Im RIS seit
11.07.2001