TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/3 90/16/0144

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Veröffentlicht am 03.06.1993
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Index

23/04 Exekutionsordnung;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

EO §183;
GrEStG 1987 §1;
GrEStG 1987 §11 Abs1 Z1;
GrEStG 1987 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Steiner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde der Sparkasse X, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 9. Mai 1990, Zl 211/1-9/Nd-1990, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 11.510 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erwarb in einem anhängig gewesenen Zwangsversteigerungsverfahren durch Zuschlag, über den der Beschluß am 1. Februar 1988 erlassen wurde, zwei im Inland gelegene Liegenschaften, deren grundbücherliche Eigentümer seit dem Jahr 1969 je zur ideellen Hälfte das Ehepaar R war. Mit Kaufvertrag vom 21. Juni 1989 veräußerte die Beschwerdeführerin die beiden Liegenschaften an das Ehepaar R zurück.

Strittig ist, ob für den durch Zuschlag erfolgten Erwerbsvorgang Steuerfreiheit nach § 11 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 zu gewähren ist, weil dieser Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung (Kaufvertrag vom 21. Juni 1989) .... rückgängig gemacht worden ist (Ansicht der Beschwerdeführerin) oder nicht, weil beim Erwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 1 Abs 1 Z 2 leg cit das Eigentum an den Liegenschaften durch richterlichen Ausspruch erworben wird, somit nicht auf vertraglichen Vereinbarungen beruht, weswegen dieser Vorgang durch einen "konsensualvertraglichen Dispositivakt" im Sinn eines actus contrarius nicht rückgängig gemacht werden kann (Ansicht der belangten Behörde).

Gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von drei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung .... rückgängig gemacht wird.

Zweck der Bestimmungen des § 11 GrEStG 1987 ist es, Vorgänge nicht mit Steuer zu belasten, deren wirtschaftliche Auswirkungen von den Beteiligten innerhalb der im Gesetz gesetzten Frist wieder beseitigt werden.

Im Fall einer Zwangsversteigerung wird durch den Zuschlag als behördliche (gerichtliche) Anordnung der unmittelbare Übergang der Verfügungsmacht an einer Liegenschaft vom Verpflichteten auf den Ersteher bewirkt. Die Tatsache, daß es sich um einen unmittelbaren Übergang der Verfügungsmacht vom Verpflichteten auf den Ersteher der Liegenschaft kraft behördlicher (gerichtlicher) Anordnung und nicht um die Übertragung einer auf das Gericht übergegangenen Verfügungsmacht im Sinn der "Zweistufentheorie" handelt, ergibt sich auch aus der exekutionsrechtlichen Bedeutung des Zuschlages, wonach derselbe ein konstitutiver Hoheitsakt ist, der das Eigentum an der versteigerten Liegenschaft dem bisherigen Eigentümer nimmt und dem Ersteher gibt. Der Zuschlag ist daher nichts anderes als die behördliche (gerichtliche) Anordnung, mit der der Übergang der Verfügungsmacht an einer Liegenschaft vom Verpflichteten an den Ersteher bewirkt wird (vgl die hg Erkenntnisse vom 10. März 1983, 82/15/0006, Slg Nr 5766/F, und vom 22. Februar 1993, 91/15/0007, beide mwA). Der Zuschlag ersetzt somit die beim Kauf einer Liegenschaft ansonsten notwendige Willensübereinstimmung zwischen dem Käufer und dem Verkäufer. Es kann daher die zwangsweise, aber unmittelbar erfolgte Verschaffung der Verfügungsmacht über eine Liegenschaft durch Vereinbarung rückgängig gemacht werden.

Dieses Ergebnis der am Zweck orientierten Auslegung ergibt sich auch aus der grammatikalischen Interpretation des § 11 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987. Die Verschaffung der Verfügungsmacht über eine Liegenschaft durch Zuschlag stellt - wie sich aus der Überschrift des § 1 leg cit ergibt - einen der möglichen Erwerbsvorgänge dar, der gemäß § 11 Abs 1 Z 1 leg cit - wie jeder andere Erwerbsvorgang - durch Vereinbarung (Kaufvertrag) rückgängig gemacht werden kann. Dem Grunderwerbsteuergesetz 1987 kann kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, daß nur Erwerbsvorgänge in Gestalt privatrechtlicher Vereinbarungen mit den Wirkungen des § 11 leg cit durch Vereinbarung rückgängig gemacht werden können.

Da somit die Bestimmungen des § 11 GrEStG 1987 für alle Erwerbsvorgänge im Sinn des § 1 leg cit gelten (vgl hiezu auch Boruttau - Egly - Sigloch, Kommentar zum (deutschen) Grunderwerbsteuergesetz13, Tz 27 und 28 zu § 16), erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig, weswegen er gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil einerseits mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer als abgegolten gilt, anderseits Stempelgebührenersatz nur für drei Beschwerdeausfertigungen (360 S) und für den angefochtenen Bescheid (30 S) zuerkannt werden konnte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990160144.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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