TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/3 93/18/0150

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Veröffentlicht am 03.06.1993
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
PaßG 1969 §25 Abs3 lite;
PaßG 1969 §27 Abs1;
StGB §159 Abs1 Z1;
StGB §161 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des P in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 8. Juli 1992, Zl. Fr 3/332/91, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck (der belangten Behörde) vom 8. Juli 1992 wurde der dem Beschwerdeführer am 16. Juni 1988 erteilte unbefristete Wiedereinreisesichtvermerk gemäß § 27 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 lit. d und e des Paßgesetzes 1969 für ungültig erklärt.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei indischer Staatsangehöriger und halte sich seit 1973 in Österreich auf. Er sei mit einer indischen Staatsangehörigen verheiratet, die seit dem Jahre 1982 in Österreich lebe. Der Ehe entstamme ein im Jahre 1983 geborenes Kind. Der Beschwerdeführer sei in Innsbruck seit dem Jahre 1975 gemeldet. Von 1988 bis Anfang 1991 sei der Beschwerdeführer Geschäftsführer einer Gesellschaft m.b.H. gewesen, die eine Pizzeria in L betrieben habe. Im Jahre 1991 sei der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt worden, jedoch vom Landesgericht Innsbruck mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Aufgrund der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer sei es zu einer Überschuldung in der Höhe von mindestens S 730.000,-- gekommen. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. April 1992 sei der Beschwerdeführer des Vergehens der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs. 1 Z. 1 und 161 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von 180 Tagessätzen zu je S 100,-- verurteilt worden. Demnach stehe fest, daß er fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit und die der Gesellschaft herbeigeführt habe. Es bestünden Schulden in der Höhe von S 1,500.000,--, deren Rückzahlung nach dem derzeitigen Stand nicht absehbar sei. Seit dem Ende seiner Geschäftsführertätigkeit arbeite der Beschwerdeführer als freier Mitarbeiter einer Versicherung und beziffere sein monatliches Einkommen mit S 5.000,--. Der Unterhalt der Familie werde vorwiegend durch die in einem Chinarestaurant beschäftigte Ehefrau des Beschwerdeführers bestritten.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, das vom Beschwerdeführer begangene Vergehen der fahrlässigen Krida, durch das er zahlreiche Gläubiger in erheblichem Ausmaß in ihrem Vermögen geschädigt habe, stelle einen erheblichen Rechtsbruch dar. Fremde, die ein derartiges Verhalten setzten, stellten ohne jeden Zweifel eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers bestehe zudem im Sinne des § 25 Abs. 3 lit. e Paßgesetz 1969 Grund zur Annahme, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte. Ein Antrag auf Erteilung eines unbefristeten Sichtvermerkes wäre nunmehr gemäß § 25 Abs. 3 lit. d und e Paßgesetz 1969 abzuweisen. Bei der Entscheidung seien die privaten und familiären Verhältnisse entsprechend berücksichtigt worden. Das öffentliche Interesse daran, den Sichtvermerk für ungültig zu erklären, überwiege das gegenläufige Interesse des Beschwerdeführers. Es sei erforderlich, in Hinkunft seinem Verhalten in Österreich in fremdenpolizeilicher Hinsicht eine entsprechend größere behördliche Aufmerksamkeit zuzuwenden, um zu verhindern, daß er neuerlich straffällig werde. Dies erscheine u.a. dadurch gewährleistet, daß ihm in Hinkunft, vorausgesetzt er werde nicht neuerlich straffällig, befristete Sichtvermerke erteilt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Gemäß § 27 Abs. 1 Paßgesetz 1969 ist ein Sichtvermerk von der Behörde für ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung des Sichtvermerkes gerechtfertigt hätten oder rechtfertigen würden.

Gemäß § 25 Abs 3 Paßgesetz 1969 ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn

d) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, oder

e) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

2. Die Auffassung der belangten Behörde, im Hinblick auf das Vergehen der fahrlässigen Krida sei die Annahme im Sinne des § 25 Abs. 3 lit. d Paßgesetz 1969 gerechtfertigt, kann nicht geteilt werden. Bei einem mit der Schuldform der Fahrlässigkeit begangenen Vermögensdelikt kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, daß der Aufenthalt des betreffenden Fremden eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1992, Zl. 90/19/0478). Dies gilt auch für den Beschwerdefall, zumal keine Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

3. Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde ist auch die Annahme, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet könne zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen, nicht gerechtfertigt, und zwar deshalb, weil der Beschwerdeführer ein - wenn auch geringes - monatliches Einkommen bezieht und die berufstätige Ehegattin des Beschwerdeführers überwiegend den Unterhalt der Familie bestreitet. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers lassen zwar befürchten, daß die Forderungen seiner Gläubiger noch lange Zeit hindurch uneinbringlich sein werden, nicht aber, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu einer Belastung der Republik Österreich führen könnte.

4. Die Begründung der belangten Behörde ist insofern widersprüchlich, als im letzten Absatz dem Beschwerdeführer die Erteilung befristeter Sichtvermerke in Aussicht gestellt wird, was aber nur dann in Betracht kommt, wenn kein Grund für die Versagung des Sichtvermerkes im Sinne des § 25 Abs. 3 Paßgesetz 1969 vorliegt, weil andernfalls die Erteilung eines Sichtvermerkes (zwingend) zu versagen wäre. Wenn die belangte Behörde aber der Meinung ist, die Voraussetzungen für die Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes lägen mangels eines Versagungsgrundes vor, darf sie den dem Beschwerdeführer erteilten Sichtvermerk nicht gemäß § 27 Abs. 1 Paßgesetz 1969 für ungültig erklären. Die von ihr angekündigte größere Aufmerksamkeit in fremdenpolizeilicher Hinsicht kann auch dann angewendet werden, wenn der Sichtvermerk des Beschwerdeführers nicht für ungültig erklärt wird.

5. Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180150.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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