TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/14 91/10/0185

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Veröffentlicht am 14.06.1993
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §47;
ForstG 1975 §48 Abs1 lita;
ForstG 1975 §48 Abs1 litb;
ForstG 1975 §51 Abs1;
Forstschädliche Luftverunreinigungen 02te 1984;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der D AG in B, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juli 1991, Zl. 18.234/13-IA8/91, betreffend Feststellung nach § 51 des Forstgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 1991 wurde festgestellt, daß die beschwerdeführende Partei als Inhaberin einer die Waldkultur gefährdenden Anlage anzusehen sei. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, die im Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 12. Februar 1990 enthaltenen Feststellungen über die Überschreitung von Immissionsgrenzwerten und über die sich daraus ergebende Gefährdung der Waldkultur bezögen sich auf den Zeitraum bis einschließlich 1988. Da die Sachlage zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich sei, seien diesbezüglich ergänzende Ermittlungen durchzuführen gewesen. Die belangte Behörde habe deshalb die Durchführung weiterer Nadelanalysen bzw. zuwachskundlicher Untersuchungen veranlaßt, deren Ergebnisse sich nahtlos in die bisher getroffenen Feststellungen einfügten. Ausgehend davon, daß nach den durchgeführten Untersuchungen andere Verursacher von chlorhältigen Emissionen im Raum B nicht bekannt seien, die festgestellten Chlorwertkonzentrationen sich plausibel in das Bild der durchschnittlichen Verfrachtungsvorgänge (Windverhältnisse) einfügten und die Ausbringung von Streusalz, Düngemitteln oder Insektiziden auf einer derart großen Fläche auszuschließen sei, wiesen die nunmehr vorliegenden Untersuchungsergebnisse auf eine weiter abnehmende Tendenz der Chlorwerte in den untersuchten Nadelproben hin. Die ergänzenden immissions- bzw. zuwachskundlichen Untersuchungen hätten ergeben, daß auch im Jahre 1990 noch bei zwei Probebeständen des Probenetzes im Raum B Überschreitungen der Grenzwerte für Chlor sowie dadurch bedingte Zuwachsminderungen aufgetreten seien. Als Vergleichsbestände für die zuwachskundlichen Untersuchungen seien Bestände am Randgebiet des Einflußbereiches des Werkes der beschwerdeführenden Partei, welche keine Belastung durch Chlorimmissionen aufgewiesen hätten, herangezogen worden. Die vergleichenden zuwachskundlichen Untersuchungen hätten ergeben, daß in den mit Chlor belasteten Beständen auch im Jahr 1990 gegenüber den unbelasteten Beständen ein deutlicher, statistisch gesicherter Zuwachsverlust eingetreten sei. Im Hinblick darauf, daß alle Bestände - also sowohl die Probebestände, in denen Grenzwertüberschreitungen an Chlor aufgetreten seien, als auch die Vergleichsbestände - eine annähernd gleiche Schwefelbelastung aufwiesen, sei die Zuwachsminderung daher auf forstschädliche Chlorimmissionen zurückzuführen. Da somit im Einflußbereich des Werkes der beschwerdeführenden Partei eine Überschreitung der in der Zweiten Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen, BGBl. Nr. 199/1984, festgelegten Grenzwerte für Chlor festzustellen gewesen und dadurch ein meßbarer Schaden am Bewuchs durch Zuwachsminderungen - im Vergleich zu den vom Chlor unbelasteten Beständen - entstanden sei, sei die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 47 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) sind forstschädliche Luftverunreinigungen im Sinne dieses Bundesgesetzes Luftverunreinigungen, die meßbare Schäden am Waldboden oder Bewuchs (Gefährdung der Waldkultur) verursachen.

Nach § 48 Abs. 1 lit. a und b leg. cit. hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit den Bundesministern für wirtschaftliche Angelegenheiten, für Umwelt, Jugend und Familie sowie für öffentliche Wirtschaft und Verkehr durch Verordnung die die forstschädliche Luftverunreinigung bewirkenden Stoffe (Emissionsstoffe) zu bezeichnen sowie jene Höchstanteile dieser Stoffe festzusetzen, die nach dem Stande der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Erfahrung noch nicht zu einer der Schadensanfälligkeit des Bewuchses entsprechenden Gefährdung der Waldkultur führen (Immissionsgrenzwerte).

In Ausführung dieser gesetzlichen Bestimmungen erging die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 24. April 1984 über fortschädliche Luftverunreinigungen (Zweite Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen), BGBl. Nr. 199/1984 (im folgenden: 2. VO).

Wird in einem Waldgebiet eine Überschreitung eines entsprechenden Immissionsgrenzwertes festgestellt und ergibt sich daraus eine Gefährdung der Waldkultur, so hat nach § 51 Abs. 1 ForstG die Behörde den Inhaber der die Gefährdung der Waldkultur verursachenden Anlage festzustellen.

Die beschwerdeführende Partei meint, § 51 Abs. 1 ForstG gebe der Forstbehörde nicht die Möglichkeit zur Erlassung eines Feststellungsbescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen Erkenntnissen vom 28. März 1988, Zl. 87/10/0155 und vom 13. November 1989, Zl. 89/10/0110, dargelegt, daß § 51 Abs. 1 ForstG die Grundlage für die Erlassung eines Feststellungsbescheides darstellt. Auf die Begründung dieser Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die Heranziehung der Vergleichsbestände B 14, B 18 und B 14/3 reiche zur Überprüfung von Immissionsschäden nicht aus, da diese Bestände einer Belastung durch andere Immissionen (Schwefel) ausgesetzt seien, die das nach dem ForstG zulässige Ausmaß überschritten. Die belangte Behörde sei dem Antrag der beschwerdeführenden Partei, dem Gutachter den Auftrag zu erteilen, so viele Vergleichspunkte herzustellen, daß eine statistische Absicherung gegeben sei und dabei solche Vergleichspunkte auszuwählen, die keine Grenzwertüberschreitung nach der 2. VO aufwiesen, nicht nachgekommen.

Die Behauptung der beschwerdeführenden Partei, die ausgewählten Vergleichsflächen (B 14 und B 18) seien für Vergleichszwecke nicht ausreichend, weil die Bäume in diesen Beständen einen grenzwertüberschreitenden Schwefelgehalt aufwiesen, ist unschlüssig. Die Ermittlung des Ertragszuwachsrückganges in Waldbeständen, in denen eine Überschreitung der in der 2. VO festgelegten Chlor-Werte festgestellt wurde, erfolgte in der Art, daß sowohl von Bäumen aus chlorbelasteten Beständen (Probebestände) als auch von Bäumen aus Beständen, die keine Grenzwertüberschreitungen bei Chlor aufwiesen (Vergleichsbestände), Bohrkerne entnommen wurden, die vom Institut für forstliche Ertragslehre der Universität für Bodenkultur in Wien mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren untersucht und verglichen wurden. Aus diesem Vergleich ergab sich eine signifikante Ertragszuwachsminderung bei den chlorbelasteten Beständen. Die Bäume aus dem Vergleichsbestand wiesen, wie die belangte Behörde, gestützt auf Daten aus Nadelanalysen der Forstlichen Bundesversuchsanstalt, dargelegt hat, im wesentlichen dieselbe Schwefelbelastung auf wie die Bäume in den chlorbelasteten Probebeständen. Da - wie sich aus dem vom forsttechnischen Amtssachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten ergibt - grenzwertüberschreitende Schwefelwerte Streßfaktoren sind, die den Ertragszuwachs mindern können, kann ein Vergleich zwischen den schwefel- und chlorbelasteten Probebeständen und den (nur) schwefelbelasteten Vergleichsbeständen keine Verzerrung der Meßergebnisse zu Lasten der beschwerdeführenden Partei ergeben. Aus einer Ertragszuwachsminderung bei den Bäumen im Probebestand gegenüber jenen im Vergleichsbestand konnte die belangte Behörde zu Recht den Schluß ziehen, daß diese Ertragszuwachsminderung auf die Grenzwertüberschreitung bei Chlorimmissionen zurückzuführen ist.

Die Ermittlung der Ertragszuwachsminderung erfolgte durch zwei voneinander unabhängige Verfahren, denen jeweils anerkannte statistische Methoden (Regressionsrechnung und Kovarianzanalyse) zugrunde lagen. Gegen die Ergebnisse dieser ertragskundlichen Untersuchungen bestehen daher keine Bedenken.

Die beschwerdeführende Partei bemängelt, daß die Gutachten hinsichtlich der Ertragszuwachsverminderung nicht zwischen immissionsbedingten Rückgängen und solchen, die durch biotische und abiotische Faktoren verursacht seien, unterschieden. Bis zum Jahr 1990 sei eine deutliche Reduktion der Chlorwerte erkennbar, während die Schwefelwerte steigende Tendenz aufwiesen. Da sich eine Quantifizierung, inwieweit Schwefel und Chlor an den Zuwachsreduktionen beteiligt seien, aus den Begutachtungsergebnissen nicht ableiten lasse, habe die belangte Partei eine Befund- und Gutachtensergänzung in dieser Richtung beantragt. Diesem Antrag sei die belangte Behörde nicht nachgekommen.

Die von der belangten Behörde eingeholten Gutachten und Untersuchungen haben ergeben, daß in jenen Beständen, in denen über die Grenzwerte der 2. VO hinausgehende Chlorimmissionen festgestellt wurden, Ertragszuwachsminderungen im Vergleich zu nicht durch Chlorimmissionen belasteten Beständen auftraten. Wie bereits erwähnt, wiesen Vergleichsbestände und Probebestände dieselbe Belastung an Schwefelimmissionen auf. Daraus hat die belangte Behörde zu Recht abgeleitet, daß die Ertragszuwachsminderungen in den chlorbelasteten Probebeständen auf die Chlorimmissionen zurückzuführen seien. Hinweise auf andere zuwachsreduzierende Faktoren sind im Zuge des Verwaltungsverfahrens nicht aufgetaucht. Die beschwerdeführende Partei erläutert auch nicht näher, welche "biotischen und abiotischen Faktoren" als Verursacher der Ertragszuwachsverminderungen in Frage kämen.

Soweit sich die beschwerdeführende Partei gegen die im Gutachten des forsttechnischen Amtssachverständigen vom 17. Februar 1988 verwendeten ertragskundlichen Untersuchungen wendet, ist ihr zu erwidern, daß der angefochtene Bescheid nicht auf diesen, sondern auf von der belangten Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eingeholten ertragskundlichen Untersuchungen basiert.

Die beschwerdeführende Partei wirft der belangten Behörde vor, dem angefochtenen Bescheid liege nicht der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung zugrunde, weil die belangte Behörde es unterlassen habe, diesen Sachverhalt nach Durchführung der von der beschwerdeführenden Partei gestellten Beweisanträge zu ermitteln.

Der angefochtene Bescheid wurde im Juli 1991 erlassen. Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung u.a. eine Nadelanalyse zugrunde gelegt, die die Chlor-Werte des Jahres 1990 ausweist. Da nach der 2. VO die Probenahme bei Nadelbäumen im Herbst zu erfolgen hat, waren dies die aktuellsten zur Verfügung stehenden Werte. Aufbauend darauf wurde die Ertragszuwachsminderung ermittelt. Der Vorwurf, dem angefochtenen Bescheid liege nicht der zum Zeitpunkt seiner Erlassung gegebene Sachverhalt zugrunde, ist daher unzutreffend.

Schließlich verweist die beschwerdeführende Partei darauf, daß sie bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerügt habe, daß im gewerbetechnischen Gutachten alle Chlor-, Chlorwasserstoff- und chlorierten Kohlewasserstoff-Emissionen in Summe angeführt würden. Sie habe in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß die CKW-Emissionen ca. 75 % betrügen und den forstschädigenden Emissionen zuzurechnen seien (gemeint offenbar: nicht zuzurechnen seien).

Es ist unklar, worauf die beschwerdeführende Partei mit diesem Einwand abzielt. Fest steht, daß im Raum B, wo die beschwerdeführende Partei ihre Chlorfabrik betreibt, durch Nadelanalysen festgestellt wurde, daß Baumbestände Chlorimmissionen aufweisen, die über die Grenzwerte der 2. VO hinausgehen. Anhaltspunkte dafür, daß für die Verursachung dieser Chlorimmissionen andere Emittenten als die beschwerdeführende Partei in Betracht kämen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991100185.X00

Im RIS seit

17.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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