TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/17 93/01/0296

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Veröffentlicht am 17.06.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1992, Zl. 4.317.378/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen kurdischer Nationalität, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Juli 1991 ab und versagte dem Beschwerdeführer die Gewährung von Asyl.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 1 in Verbindung mit § 3 des Asylgesetzes 1991 BGBl. 8/1992" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Daß ein Asylwerber durch einen Bescheid wie den angefochtenen - entsprechend dem vom Beschwerdeführer bezeichneten Beschwerdepunkt gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG - in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf "Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft" auch auf dem Boden des Asylgesetzes 1991 verletzt sein kann, hat der Verwaltungsgerichtshof zu einem ähnlich formulierten Beschwerdepunkt u.a. bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0834, dargetan.

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 28. Juni 1991 ausgeführt, er sei am 20. März 1985 wegen seiner Unterstützung für die PKK festgenommen, auf der Polizeistation Elazig ein Monat inhaftiert und während dieser Zeit unter Anwendung verschiedener Foltermethoden über seine Aktivitäten für die PKK verhört worden. Die hiebei von ihm eingestandenen Tätigkeiten hätten im Aufklären des kurdischen Volkes über die PKK, im Verbreiten von durch die PKK zur Verfügung gestellten Druckwerken und im Aufbewahren einer Schreibmaschine für die PKK bestanden. Im Anschluß an die einmonatige Haft sei der Beschwerdeführer in das Militärgefängnis Elazig überstellt worden, wo er weitere 17 Monate verbracht habe. In der Zwischenzeit sei er zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei das Strafausmaß und die Dauer der ursprünglich mit einem Jahr festgesetzten Pflicht, sich wöchentlich bei der Polizei zu melden, im Instanzenweg herabgesetzt worden seien. Im Jahr 1989 sei der Beschwerdeführer dreimal jeweils für einen Tag festgenommen worden. Ende 1990 seien seine Eltern vom Dorfvorsteher verständigt worden, daß sich der Beschwerdeführer auf der Polizeistation melden solle. Da er die ständigen Kontrollen nicht mehr ausgehalten habe, sei der Beschwerdeführer nach Izmir gefahren und habe sich zur Flucht entschlossen. Dieses Vorbringen hat der Beschwerdeführer in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung unter Hinweis auf seine Furcht, wegen seiner nach seiner Entlassung fortgesetzten Tätigkeit für die PKK wieder inhaftiert und gefoltert zu werden, bekräftigt.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführer, habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Beschwerdeführer Flüchtling "im Sinne des Asylgesetzes" (entsprechend den in der Bescheidbegründung zitierten gesetzlichen Bestimmungen gemeint:

des Asylgesetzes 1991) sei. Die auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers zu prüfende Frage, ob bei ihm begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung anzunehmen sei, sei zu verneinen gewesen. Zur Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer habe seinen eigenen Angaben zufolge die kurdische Arbeiterpartei, eine gewaltausübende und gewaltbejahende Organisation, durch diverse Aktivitäten und Propaganda unterstützt, sodaß die deswegen gegen ihn ergriffenen behördlichen Maßnahmen nicht wegen seiner politischen Gesinnung, sondern wegen krimineller Handlungen gesetzt worden seien. Auch des weiteren deckt sich die dem angefochtenen Bescheid diesbezüglich beigegebene Begründung weitgehend mit jener, der sich die belangte Behörde in dem mit Erkenntnis vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703, erledigten Berschwerdefall (in dem die Begründung insoweit wortwörtlich wiedergegeben wurde) bedient hat. Dieser Argumentation kann ohne Durchführung weiterer Ermittlungen und entsprechender Feststellungen - wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Vorerkenntnis, auf dessen nähere Begründung hiemit verwiesen wird, dargelegt und der Beschwerdeführer an sich richtig erkannt hat - nicht gefolgt werden, wobei auch im vorliegenden Beschwerdefall zu bemerken ist, daß die belangte Behörde den in § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 (Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Ausschließungsgrund nicht herangezogen hat.

Soweit die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers deshalb die Glaubwürdigkeit abspricht, weil seiner Behauptung, vom 20. März 1985 an durch insgesamt 18 Monate in Haft gewesen zu sein, seine Angabe, von 1985 bis 1987 seinen Militärdienst abgeleistet zu haben, entgegenstünde, ist ihr insbesondere auch angesichts des vom Beschwerdeführer beigebrachten, von ihr bezüglich seiner Echtheit nicht in Zweifel gezogenen Strafurteils entgegenzuhalten, daß sie, wenn sie diesen - allenfalls auch nur auf einem Übertragungsfehler beruhenden Widerspruch - zur Begründung der Abweisung des Asylantrages heranziehen wollte, verpflichtet gewesen wäre, sich unter Beiziehung des Beschwerdeführers mit der Schlüssigkeit seiner einander widersprechenden Angaben auseinanderzusetzen. Dieser sich aus § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ergebenden Verpflichtung ist die belangte Behörde aber nicht nachgekommen.

Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und somit auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das die Kosten der Beschaffung einer Kopie der Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand alle Nebenkosten, insbesondere auch die für die Beibringung von Fotokopien, umfaßt (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit 3, Wien 1987, S 696 angeführte Judikatur).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010296.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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