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41/06 Pornographie;Norm
BDG 1979 §123 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. März 1993, Zl. DK 1/6-IV/92, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 123 Abs. 1 BDG 1979, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Revident in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten.
Nach seinen eigenen Angaben in der vorliegenden Beschwerde ist im Zusammenhang mit einem Sexartikelhandel seiner Gattin der Verdacht von Verstößen gegen das Pornographiegesetz entstanden. Es sei diesbezüglich ein Strafverfahren sowohl gegen die Gattin des Beschwerdeführers wie auch gegen ihn selbst anhängig.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Beschwerdeführer wie folgt beschlossen:
"Auf Grund der Disziplinaranzeige des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. Dezember 1992, Zl. 207.351/5-Pr/A/3/92 wird gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 gegen Revident C (Beschwerdeführer) wegen des Verdachts von Dienstpflichtverletzungen nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 im Zusammenhang mit dem Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 1 Pornographiegesetz das Disziplinarverfahren eingeleitet."
Zur Begründung führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer stehe laut dem von der Bundespolizeidirektion Wien übermittelten Bericht vom 19. Oktober 1992 im Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung nach dem Pornographiegesetz (Handel mit Videokassetten, deren Inhalt möglicherweise gegen die Bestimmung des § 1 des Pornographiegesetzes verstoße). Die Einleitung einer gerichtlichen Voruntersuchung gegen einen Beamten wegen des Verdachtes einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 1 des Pornographiegesetzes reiche nach Auffassung der belangten Behörde zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens aus, weil ein Vergehen gegen diese Bestimmung durch den Handel mit harter Pornographie nicht geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu erhalten (auf die in den Unterlagen erliegende Niederschrift der Bundespolizeidirektion Wien mit dem Beschwerdeführer vom 29. September 1992 werde dabei verwiesen). Bezüglich der Disziplinaranzeige wegen Ablehnung von Weisungen werde gesondert entschieden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem neunten Abschnitt dieses Gesetzes) zur Verantwortung zu ziehen.
§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn
1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3)
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4)
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.
Nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs. 2 der genannten Bestimmung hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff "Dienstpflichten" nicht auf das Verhalten des Beamten in Ausübung seines Amtes beschränkt. Auch außerdienstliches Verhalten kann eine Dienstpflichtverletzung darstellen (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 1987, Zl. 86/09/0083, Slg. N. F. Nr. 12.516/A).
Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung eines Disziplinarverfahrens das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind, oder ob allenfalls OFFENKUNDIGE Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen gegeben erscheinen lassen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung, er setzt die Kenntnis von Tatsachen voraus, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Vergehen geschlossen werden kann. Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0044, und die dort weiters genannte Vorjudikatur).
Für den Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 kommen die Bestimmungen des § 58 Abs. 1 und 2 AVG insofern zur Anwendung, als er - neben der Rechtsmittelbelehrung - einen Spruch und eine Begründung zu enthalten hat. Im Spruch des Einleitungsbeschlusses ist das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen zu beschreiben. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Einleitungsbeschlusses ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ergibt (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 90/09/0192, mit weiteren Judikaturhinweisen). Typisch für den Verdacht ist, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung noch nicht nachweisbar ist, trotzdem aber so starke Verdachtsmomente bestehen, daß nach der Lebenserfahrung auf eine Dienstpflichtverletzung geschlossen werden kann (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0309).
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bringt der Beschwerdeführer vor, der behauptete Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung nach § 1 des Pornographiegesetzes sei von der belangten Behörde in keiner Weise konkretisiert worden. Mangels zeitlicher und sonstiger tatbestandsmäßiger Eingrenzung erfülle der angefochtene Bescheid nicht die Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines Bescheidspruches zu stellen seien. Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, der Begründung sei nicht einmal zu entnehmen, daß es sich hiebei um eine außerdienstliche Angelegenheit handle; es sei der dienstliche Zusammenhang insbesondere im Hinblick auf den Kontakt des Beschwerdeführers zu Parteien im Verfahren nicht ausgeführt und es habe überhaupt keine ordnungsgemäße Erhebung des Sachverhaltes stattgefunden.
Dem ist entgegenzuhalten, daß aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung des angefochtenen Bescheides hinreichend zu entnehmen ist, worin die belangte Behörde den Verdacht der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung sieht. Dieser ist darin gelegen, daß der Beschwerdeführer dadurch, daß er im Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung nach dem Pornographiegesetz steht, auch im Verdacht steht, den Tatbestand des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 verletzt zu haben. Daß der verbotene Handel mit "harter Pornographie" eine Rechtsverletzung darstellt und geeignet ist, den Verdacht des Vertrauensverlustes der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben eines Beamten des Gehobenen Dienstes zu begründen, ist offenkundig. Es ist somit hinreichend klar, worin der Verdacht der Dienstpflichtverletzung im konkreten Fall gesehen wird; der Grund für die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist sowohl sachverhaltsmäßig als auch rechtlich für einen Einleitungsbeschluß unter Beachtung der Funktion dieser behördlichen Maßnahme in Sinne der vorstehenden Rechtsprechung ausreichend dargelegt.
Offenkundige Einstellungsgründe wurden weder behauptet noch waren solche im derzeitigen Stadium des Verfahrens erkennbar.
Verfahrensmängel können nur dann zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Mängel zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Dies ist im vorliegenden Fall, bezogen auf die dargestellte Funktion des Einleitungsbeschlusses und ausgehend von den gegen den Beschwerdeführer erhobenen und von ihm sachverhaltsmäßig nicht in Abrede gestellten Beschuldigungen nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich.
Da dies bereits auf Grund der vorgelegten Unterlagen erkennbar war, mußte die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090224.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
17.11.2016