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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grossmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Juli 1992, Zl. 4.332.389/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 9. Februar 1992 illegal in das Bundesgebiet ein. Am 11. Februar 1992 wurde er in Salzburg polizeilich angehalten und am 12. Februar 1992 in der Bundespolizeidirektion Salzburg niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, um politisches Asyl ansuchen zu wollen, "da er in der Türkei bereits verwundet worden sei, dies wohl aus dem Grund, da er Kurde sei". Weiters gab er an, sein Vater "sitze zur Zeit in Aktagmaden wegen einer politischen Sache im Gefängnis".
Bei einer weiteren Einvernahme am 13. Februar 1992 bestätigte er neuerlich seine Absicht, in Österreich um Asyl ansuchen zu wollen, konnte aber dafür keine Gründe nennen. Er gab jedoch an, bisher noch nie in der Türkei in Haft gewesen zu sein. Seine Vorfahren seien zum Teil Kurden gewesen und seien deshalb nach Yozgat ausgewandert, er habe aber keine großen Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt und sei hauptsächlich von der Türkei weggegangen, weil er dort keine Arbeit gefunden habe. Außerdem habe ihn ein Türke als Kurde an der rechten Bauchseite mit einem heißen Eisen verletzt, woher er eine Narbe habe. Den Mann habe er dann später niedergeschlagen. Es sei ihm nicht bekannt, ob dieser Mann noch lebe, da er ihn mit einem Stein bewußtlos geschlagen und sich dann entfernt habe. Er glaube, daß man ihn am Flughafen in Istanbul einsperren werde, weil er gesucht werde und weil die Polizei alles über die Verletzung dieses Mannes wisse. Er habe bisher auch in keinem anderen Land um Asyl angesucht.
Am 19. Februar 1992 brachte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter einen Asylantrag ein, den er damit begründete, daß jene Gründe, die zu seiner Flucht aus der Türkei geführt hätten, einerseits politischer Natur wären, andererseits in seiner kurdischen Abstammung gelegen seien. Er sei vom türkischen Militär mit heißen Eisen gefoltert worden, auf der rechten Bauchseite befänden sich diesbezügliche Narben. Bei einem späteren ungerechtfertigten Festnahmeversuch habe er eine der einschreitenden Personen in Notwehrsituation mit einem Stein verletzt, danach sei ihm die Flucht gelungen. Aus unerträglicher Furcht und in Todesangst habe er sich zur Flucht nach Österreich entschlossen, da er von der türkischen Polizei gesucht werde. In einem weiteren ergänzenden Vorbringen zu seinem Asylantrag führte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter aus, er sei väterlicherseits kurdischer Abstammung und als Angehöriger des kurdischen Volkes dem aggressiven, die Menschenrechte mit Füßen tretenden Militär ausgeliefert, welches zumeist mit Gewaltexzessen gegen Dorfbewohner vorginge. Sein Großvater sei politisch verfolgt, gefoltert und geschlagen worden und sei auch im Gefängnis von Van gestorben. Sein Vater I sei weiterhin in kurdischen Organisationen, die sich für die Menschenrechte der Kurden einsetzten, tätig, und sei im Mai 1991 festgenommen und in Akdagmadeni verhaftet worden. Bei dieser Festnahme sei auch der Beschwerdeführer, der bis zu diesem Zeitpunkt keine großen Schwierigkeiten mit den Behörden gehabt habe, mitgenommen worden. Um Informationen darüber zu erhalten, mit welchen Personen sein Vater Kontakt gehabt habe, bzw. "mit diesen im Widerstand" sei, sei er gefoltert worden, indem er mit heißen Eisen an der rechten Bauchseite verletzt worden sei. Nach seiner anschließenden Freilassung habe er in ständiger Angst, wiederum festgenommen und gefoltert zu werden, ausschließlich versteckt in seinem Heimatdorf gelebt. Einige Monate nach der Inhaftierung seines Vaters sei neuerlich ein ungerechtfertigter Festnahmeversuch in dem inzwischen offensichtlich bekanntgewordenen Versteck erfolgt, bei dem dem Beschwerdeführer die Flucht gelungen sei. Dabei sei es mit einer der drei einschreitenden Personen zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen, wobei es dem Beschwerdeführer gelungen sei, diesen in Notwehrsituation mit einem Stein niederzuschlagen und die Flucht zu ergreifen. Es sei richtig, daß es sich bei dieser Person um dieselbe gehandelt habe, die ihm zuvor bei der ersten Festnahme die Verletzung mittels heißem Brandeisen zugefügt habe. Es sei ihm noch nachgeschossen worden, er sei jedoch unverletzt geblieben. Aufgrund dieses Ereignisses habe er sich zur Flucht ins Ausland gezwungen gesehen, "da begründeterweise Gefahr für Leib und Leben für ihn bestanden" habe. Anläßlich seiner Ersteinvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg am 26. Februar 1992 weigerte sich der Beschwerdeführer "über Auftrag seines Rechtsanwaltes" über Fluchtgründe und Fluchtweg weitere Angaben zu machen, sondern verwies auf die schriftlichen Eingaben seines Rechtsvertreters. In einem Aktenvermerk vom selben Tag wurde festgehalten, daß der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Dr. O diese Haltung bestätigte, weil im Asylantrag einschließlich der Ergänzung hiezu alles ausführlichst begründet worden sei.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 27. Februar 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes und daher gemäß § 7 Abs. 1 nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.
In seiner Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Vorbringen vor der Behörde erster Instanz, ergänzte es jedoch u.a. mit dem Zugeständnis, die kurdische Sprache nicht zu beherrschen, dies mit der Begründung, es sei eine bekannte Tatsache, daß die kurdische Sprache in der Türkei verboten sei, er daher während seiner gesamten Kindheit und Schulzeit gezwungenermaßen türkisch habe sprechen müssen. Insbesondere sei die Auffassung der Behörde erster Instanz unrichtig, wonach derzeit nur die PKK (Kurdische Arbeiterpartei) für die Rechte der Kurden eintrete; richtig sei vielmehr, daß sich der größte Teil der Kurden nicht durch die "linksorientierte" PKK vertreten fühle, sondern durch die zahlreichen unabhängigen politischen Organisationen, die für die Selbstbehauptung und Autonomie des kurdischen Volkes eintreten. Anläßlich seiner erster Einvernahme vor der Bundespolizeidirektion Salzburg am 12. Februar 1992 habe der Beschwerdeführer ausgesagt, daß er um politisches Asyl ansuchen wolle, da er in der Türkei bereits verwundet worden sei, wohl aus dem Grund, da er Kurde sei. Diese Erstangabe hätte die Behörde zur Grundlage ihrer Entscheidung machen müssen. In einem ergänzenden Schriftsatz zur Berufung rügte der Beschwerdeführer weiters die Unterlassung der Anhörung des Hochkommissars der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sowie der Gewährung des Parteiengehörs hinsichtlich der Feststellung des Dolmetsch, der Beschwerdeführer verstünde kein Wort kurdisch.
Mit Bescheid vom 3. Juli 1992 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Beschwerdevorbringen in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Daß ein Asylwerber durch einen Bescheid wie den angefochtenen - entsprechend dem vom Beschwerdeführer bezeichneten Beschwerdepunkt gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG - in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf "Feststellung der Flüchtlingseigenschaft" auch auf dem Boden des Asylgesetzes 1991 verletzt sein kann, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits u.a. in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0834, dargetan. Dem Beschwerdeführer ist beizupflichten, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides weder die Angabe der Behörde, die den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, noch das Datum oder die Zahl dieses Bescheides enthält. Dies stellt jedoch im Hinblick darauf, daß sich der Gegenstand der Entscheidung mit hinreichender Deutlichkeit aus der Bescheidbegründung ergibt, aus den im bereits zitierten Erkenntnis vom 14. Oktober 1992 näher angeführten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, keine zur Aufhebung des Bescheides führende Rechtswidrigkeit dar. Im übrigen geht aus der Beschwerde hervor, daß der Beschwerdeführer niemals darüber im Zweifel war, worüber mit dem angefochtenen Bescheid entschieden wurde.
Insoweit der Beschwerdeführer die Würdigung seines Vorbringens durch den angefochtenen Bescheid bekämpft, ist ihm zu entgegnen, daß den ausführlich dargelegten Argumenten der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann.
Die belangte Behörde kam auf Grund der Ergebnisse des behördlichen Verfahrens zu der Schlußfolgerung, der Beschwerdeführer sei kein Kurde. Angesichts der - vom Beschwerdeführer selbst zugestandenen - Tatsache, daß er nicht kurdisch spricht, erweisen sich die darauf basierenden Überlegungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer gehöre dieser ethnischen Minderheit nicht an, als nachvollziehbar und schlüssig. Auch das vom Beschwerdeführer nunmehr in seiner Beschwerde dargelegte Argument, er beherrsche die kurdische Sprache nur unzureichend, weil deren Verwendung in der Türkei verboten sei und er daher weder in der Schule noch im öffentlichen Sprachgebrauch kurdisch hätte erlernen können, erklärt nicht, aus welchen Gründen ihm nicht zumindest im familiären Bereich die Erhaltung dieser ethnischen Tradition eines um seine Minderheitenrechte kämpfenden Volkes ermöglicht worden wäre. Behauptet der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde darüber hinaus, zwar kurdisch zu verstehen, jedoch nicht in Wort und Schrift zu beherrschen, so steht dies in eindeutigem Widerspruch zu den Feststellungen des beigezogenen Dolmetschers der kurdischen Sprache, mit dem eine - mündliche - Verständigung unter diesen Umständen hätte möglich sein müssen.
Geht man aber der belangten Behörde folgend davon aus, daß der Beschwerdeführer kein Kurde sei, so sind die daran geknüpften Folgerungen, die vom Beschwerdeführer behauptete - grundsätzlich festgestellte - Verfolgungsgefahr habe auch keinen politischen Hintergrund gehabt als unbedenklich und nachvollziehbar. Wenn daher der Beschwerdeführer weiters geltend macht, als Kurde mit einem heißen Eisen gefoltert worden zu sein, so handelt es sich nicht um Verfolgungshandlungen, die auf einen der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe, insbesondere den der Nationalität oder den der politischen Gesinnung, zurückzuführen gewesen wäre. Aus der Schilderung des Beschwerdeführers ist vielmehr zu entnehmen, daß die gegen ihn ergriffenen Maßnahmen ausschließlich ihre Ursache in der vermuteten politischen Aktivität seines Vaters hatten, dessen Kontakte zu Widerstandsorganisationen von ihm in Erfahrung gebracht werden sollten. Dies stellt aber keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, zumal aus den Angaben des Beschwerdeführers nicht hervorgeht, daß er selbst Schwierigkeiten mit den staatlichen Behörden seines Heimatlandes deshalb gehabt habe, weil man IHM eine derartige politische Gesinnung unterstellt oder er einer solchen zumindest verdächtigt wurde (vgl. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0884 und vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982).
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Beschwerde. Insbesonders geht der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 17 Abs. 4 Z. 2 Asylgesetz 1991 fehl, weil die belangte Behörde vom Nichtvorliegen einer Folterung mit politischem oder ethnischem Hintergrund ausgeht.
Abschließend sei darauf verwiesen, daß vor Erlassung des angefochtenen Bescheides der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge gehört worden ist.
Da sich die Beschwerde aus den dargelegten Erwägungen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992010788.X00Im RIS seit
20.11.2000