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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrPolG 1954 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in der T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Juni 1992, Zl. VwSen-400093/6/Kl/Hm, betreffend Festnahme und Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 11. Juni 1992 hatte die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (BH) dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, gegenüber gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes iVm § 57 Abs. 1 AVG zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) angeordnet.
Aufgrund dieses dem Beschwerdeführer am 11. Juni 1992 zugestellten Bescheides war er am selben Tag in Schubhaft genommen worden.
2. Mit Bescheid vom 14. Juli 1992 erließ die BH gegen den Beschwerdeführer ein auf § 3 Abs. 1 und 3 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes gestütztes, bis 11. Juni 2002 befristetes Aufenthaltsverbot. U.e. wurde einer allenfalls gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3. Am 21. Juli 1992 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und vom Flughafen Wien-Schwechat per Flugzeug in die Türkei abgeschoben.
4. Bereits am 24. Juni 1992 hatte der Beschwerdeführer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (die belangte Behörde) erhoben und den Antrag gestellt, es möge seine Festnahme und seine seitherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden.
5. Mit Bescheid vom 30. Juni 1992 wies die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 5a des Fremdenpolizeigesetzes als unbegründet ab.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei am 30. Juli 1991 aus Jugoslawien kommend bei Spielfeld nach Österreich eingereist; er habe über einen gültigen türkischen Reisepaß mit einem Sichtvermerk für LKW-Fahrer für die Benelux-Staaten verfügt. Am 1. August 1991 habe er sich in Munderfing, Jeging, als "Tourist" polizeilich gemeldet. Am 20. September 1991 habe er in Linz mit einer österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen und daraufhin einen Befreiungsschein erhalten. Seit 2. November 1991 sei er bei einem (namentlich genannten) Unternehmen in Munderfing beschäftigt (monatliches Nettoeinkommen ca. S 9.700,--). Der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 1991 auf Erteilung eines befristeten Sichtvermerkes sei mit Bescheid der BH vom 19. Mai 1992 abgewiesen und damit begründet worden, daß der Beschwerdeführer rechtswidrig nach Österreich eingereist wäre und sich hier seither rechtswidrig aufgehalten hätte. Mit Bescheid der BH vom 11. Juni 1992 sei über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt worden, da er sich ohne Berechtigung in Österreich aufgehalten hätte und eine Fortsetzung des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers zu befürchten wäre.
In rechtlicher Hinsicht stellte die belangte Behörde folgende Erwägungen an: Im Hinblick auf die Aussetzung des Regierungsabkommens über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges BGBl. Nr. 194/1955 bis auf weiteres (BGBl. Nr. 222/1990) - die Ausnahme für türkische Staatsangehörige, die eine Einreiseerlaubnis der Bundesrepublik Deutschland oder der Schweiz vorweisen könnten, läge nicht vor - sei der Beschwerdeführer, da ohne gültigen Sichtvermerk für Österreich, illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe sich in der Folge hier auch unrechtmäßig aufgehalten. Den unrechtmäßigen Aufenthalt habe der Beschwerdeführer ungeachtet des seinen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes abweisenden Bescheides vom 19. Mai 1992 weiterhin aufrechterhalten, was zeige, daß er nicht gewillt gewesen sei, den der österreichischen Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen. Zur Verhinderung eines Untertauchens des Beschwerdeführers sowie zur Verhinderung weiteren strafbaren Verhaltens sei die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 11. Juni 1992 - diese Gründe seien bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde nicht weggefallen - nicht als rechtswidrig zu erkennen.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluß vom 30. November 1992,
B 1045/92-3, ablehnte und die Beschwerde mit Beschluß vom 9. Februar 1993, B 1045/92-5, dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß abtrat (Art. 144 Abs. 3 B-VG iVm § 87 Abs. 3 VerfGG 1953).
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der über ihn verhängten Schubhaft (§ 5a des Fremdenpolizeigesetzes) verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
7. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grund notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.
Wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, hat gemäß § 5a Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.
2.1. Für inhaltlich rechtswidrig hält der Beschwerdeführer den bekämpften Bescheid deshalb, weil kein besonderes Sicherungsinteresse die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft erfordert habe. Insbesondere habe keine Fluchtgefahr bestanden, da die Wohnsitzverhältnisse des Beschwerdeführers geklärt gewesen seien und er auch bereits seit Monaten einer geregelten Beschäftigung nachgegangen sei. Abgesehen davon, daß keine Gefahr bestanden habe, der Beschwerdeführer würde untertauchen, sei dieser nach seiner illegalen Einreise nicht negativ in Erscheinung getreten und habe auch keine Verwaltungsübertretungen begangen. Es sei demnach nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer den Ausgang seines Aufenthaltsverbotsverfahrens nicht auf freiem Fuß habe abwarten können.
2.2. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Vom Gesetz her ist für die Inschubhaftnahme und die Anhaltung in Schubhaft weder ein "besonderes" Sicherungsinteresse noch im speziellen eine Fluchtgefahr geboten. Wesentlich ist vielmehr, ob bei der Festnahme des betroffenen Fremden zumindest einer der zwei im § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes normierten Gründe vorliegt und ob diese Voraussetzung auch während der Anhaltung aufrecht bleibt. Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde - im Verwaltungsverfahren wie auch in der Beschwerde unbekämpft - davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer, da ohne den erforderlichen Sichtvermerk zu besitzen, rechtswidrig in Österreich eingereist sei und er sich in der Folge, da er weiterhin nicht im Besitz eines Sichtvermerkes gewesen sei, auch unrechtmäßig im Bundesgebiebt aufgehalten habe. Was das zuletzt genannte, gegen das Fremdenpolizeigesetz verstoßende Verhalten anlangt, hat die belangte Behörde zudem in einem mängelfreien Verfahren festgestellt, daß der Beschwerdeführer auch nach Erlassung des Bescheides der BH vom 19. Mai 1992, mit welchem sein Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes abgewiesen worden sei, weiterhin im Bundesgebiet verblieben sei. Dieses gesamte Verhalten, insbesondere die Fortsetzung des rechtswidrigen Aufenthaltes nach Versagung des Sichtvermerkes aber ließ die belangte Behörde in unbedenklicher Weise zu dem Schluß gelangen, es sei die Festnahme zum Zweck der Schubhaft jedenfalls im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig. Mangels eines Anhaltspunktes dafür, daß der besagte Schubhaftgrund des § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides (am 3. Juli 1992) nicht mehr gegeben war, kann die Ansicht der belangten Behörde, es sei die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ab 11. Juni 1992 gesetzlich gedeckt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Bei diesem Ergebnis ist der - im übrigen völlig unsubstantiierten - Verfahrensrüge, die belangte Behörde sei auf die in der Schubhaftbeschwerde "geltend gemachten Argumente" nicht eingegangen, der Boden entzogen.
4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180078.X00Im RIS seit
20.11.2000