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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des H in R, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Oktober 1992, Zl. 4.337.823/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Oktober 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem "Staatsangehörigen der früheren SFRJ", der am 13. Mai 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist - kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen - die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Juni 1992 erledigenden - Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Dieser Auffassung vermag sich aber der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der durch ihn bereits erfolgten Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 1991 nicht anzuschließen (vgl. das Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Der Beschwerdeführer wäre jedoch dadurch nicht in seinen Rechten verletzt worden, wenn sich die belangte Behörde in rechtlicher Würdigung der von ihm gemachten Angaben hinsichtlich seiner Fluchtgründe ausschließlich mit dem durch die neue Rechtslage im wesentlichen nicht geänderten Flüchtlingsbegriff (nunmehr des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991) auseinandergesetzt hätte und lediglich auf diese Weise zur Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers gelangt wäre (vgl. außer dem bereits erwähnten Erkenntnis jenes vom 21. April 1993, Zl. 92/01/0961). Dies trifft allerdings nicht zu, hat doch die belangte Behörde dem Beschwerdeführer nicht nur deshalb kein Asyl gemäß § 3 Asylgesetz 1991 gewährt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft verneint hat, sondern auch deshalb, weil sie der Ansicht war, daß der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. (Verfolgungssicherheit in einem anderen Staat) gegeben sei. Hätte die belangte Behörde ohne Verkennung der Rechtslage das gegenständliche Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 geltenden Rechtslage zu Ende geführt (§ 25 Abs. 1 erster Satz leg. cit.), so hätte sie von diesem Ausschließungsgrund zu Ungunsten des Beschwerdeführers rechtlich nicht Gebrauch machen können, weil dem Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, - demzufolge in solchen Verfahren lediglich die bescheidmäßige Feststellung zu treffen war, ob der Betreffende als Flüchtling im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sei oder nicht - eine derartige Bestimmung fremd war. Die aufgezeigte Rechtswidrigkeit kommt aber nicht zum Tragen, weil der belangten Behörde in Ansehung der von ihr vorgenommenen Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Asylgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann und aus diesem Grunde eine Asylgewährung nicht in Betracht kam.
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung am 18. Mai 1992 angegeben, der albanischen Volksgruppe im Kosovo anzugehören. Er sei seit 1990 bei der "demokratischen Partei namens JDK im Ortsbereich" als Funktionär tätig gewesen, habe jedoch keine Mitgliedsbeiträge entrichtet. Bei sonstigen politischen Organisationen und Gruppierungen sei er nicht Mitglied gewesen. 1989 habe er an Streiks bzw. Demonstrationen, "wo es um die Freiheitsrechte und um die Selbständigkeit Kosovos ging", teilgenommen. Wegen seines Glaubensbekenntnisses (als Moslem) habe er keine Probleme gehabt, sondern habe er seine Religion frei ausüben dürfen. In Jugoslawien herrsche derzeit Bürgerkrieg. Er sei seit 1990 arbeitslos und "zugleich als Mitglied bzw. Funktionär bei unserer Partei in Pristina" tätig gewesen. Die Polizei habe "unsere Sitzungen zerschlagen und uns nicht mehr in letzter Zeit zusammenarbeiten lassen". Da auch seine Frau "nicht mehr gearbeitet" habe und sie vier Kinder hätten, sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als den Kosovo zu verlassen. Die Situation sei derart miserabel und schlecht, sodaß die dortigen Lebensbedingungen "nicht wert sind zu bleiben". Der sinnlose Krieg komme noch dazu und eine Familie, die nichts zu essen habe. Er würde "wirklich wieder nach Hause gehen", würde sich die jetzige Lage entspannen, und er wäre bereit, eine neue Heimat aufzubauen. Weitere Gründe (für seine Ausreise) könne er nicht nennen.
Der Beschwerdeführer - der sich nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde wendet, er habe in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid (der inhaltlich zum Teil die notwendige Klarheit fehlt) keine von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abweichenden Umstände geltend gemacht - ist sich dessen bewußt, daß er im Verwaltungsverfahren keine (nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hiefür erforderlichen) konkreten, individuell gegen ihn selbst gerichteten Verfolgungshandlungen, aus denen eine für ihn bestehende Verfolgungsgefahr aus Gründen der Konvention abgeleitet werden könnte, behauptet hat. Er meint aber, "daß die geradezu katastrophale Situation im jetzigen Jugoslawien ... jeden einzelnen derart tief betrifft, daß sehr wohl, wenn auch allgemein, mit Repressalien gegen einzelne Personen gerechnet werden muß, was wiederum subjektiv ausreichend Angstgefühle, insbesondere für eine fünfköpfige Familie (Gattin u. vier Kinder) hervorrufen kann, die man dem Beschwerdeführer nicht absprechen kann". Er sei, "wenn dies auch nicht in vollem Ausmaß zur Geltung gekommen ist, so doch subjektiv für sich und seine Familie in derartigen Ängsten nicht nur auf Grund der allgemeinen Kriegssituation, sondern wohl auch wegen eines drohenden bzw. sogar bevorstehenden Angriffes der Serben, welche das Gebiet kontrollieren, sohin derart beeinträchtigt und subjektiv gefährdet, daß es doch einer näheren Begründung nicht bedarf, insbesondere nicht einer konkreten Verfolgungshandlung gegen ihn selbst". Damit kommt der Beschwerdeführer auf die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Heimatland, die seinen Angaben im Verwaltungsverfahren zufolge für ihn jedenfalls mitentscheidend, wenn nicht sogar ausschlaggebend für das Verlassen seines Heimatlandes gewesen sind und hinsichtlich derer die belangte Behörde richtig erkannt hat, daß sie seine Anerkennung als Flüchtling nicht rechtfertigen, nicht mehr zurück. Ihm ist aber entgegenzuhalten, daß die in seinem Heimatland herrschende "allgemeine Kriegssituation" für sich allein nicht geeignet ist, auf eine wohlbegründete Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu schließen, und auch mit dem von ihm nunmehr darüber hinaus ins Treffen geführten "drohenden bzw. sogar bevorstehenden Angriff" der Serben im Kosovo - abgesehen davon, daß dieses Vorbringen gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt - nicht hinreichend dargetan wurde, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Maßnahmen gegen die albanische Volksgruppe im Kosovo unmittelbar bevorstanden, die als systematische Verfolgung dieser Volksgruppe aus Gründen ihrer Nationalität, von der auch der Beschwerdeführer direkt betroffen wäre, angesehen werden müßte.
Der Beschwerdeführer übersieht weiters, daß die nach objektiven Gesichtspunkten zu erfolgende Beurteilung der Rechtsfrage, ob ihm auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zuzubilligen sei, einer ärztlichen oder psychologischen Begutachtung nicht zugänglich ist, weshalb seine Verfahrensrüge, es sei das Verfahren insofern mangelhaft geblieben, ins Leere geht. Auch eine ergänzende Befragung des Beschwerdeführers war - entgegen seiner Ansicht - diesbezüglich nicht mehr erforderlich, hat doch der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe im Verfahren dargelegt, ohne daß sich daraus ein Anhaltspunkt für das Vorliegen seiner Flüchtlingseigenschaft ergeben hätte, wozu noch kommt, daß er - wie bereits gesagt - auch in der Beschwerde kein zusätzliches Vorbringen erstattet hat, mit dem für seinen Standpunkt etwas zu gewinnen wäre, und er demnach die Wesentlichkeit eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufgezeigt hat.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992011007.X00Im RIS seit
20.11.2000