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93 EisenbahnNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Nichtanwendbarkeit der "Lawinenerlässe" des BM für Verkehr für Hauptseilbahnen mangels Präjudizialität; keine Gleichheitswidrigkeit der sinngemäßen Anwendung der Grundsätze dieses Erlasses bei der Konzessionserteilung für Hauptseilbahnen; Vorzug der Sicherheit bei der Interessenabwägung sachlich gerechtfertigtSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §17 Abs3 Eisenbahngesetz 1957, BGBl. Nr. 60 in der Fassung BGBl. Nr. 113/1963, 20/1970, 274/1971, 422/1975 und 305/1976, die beantragte Konzession für eine als Doppelsesselbahn auszuführende Hauptseilbahn (auf der Trasse der bereits bewilligten und betriebenen Einsesselliftbahn Seegrube) verweigert. Begründend führt die belangte Behörde in ihrem Bescheid aus, daß die im öffentlichen Interesse erforderliche ständige Lawinensicherheit nur durch "permanente Lawinenverbauung" erzielbar sei, sodaß die - möglichen - temporären Maßnahmen nicht geeignet seien, optimale Lawinensicherheit für Seilförderanlagen und Schiabfahrten zu gewährleisten.
2. In ihrer Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG erachtet sich die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht sowie durch Anwendung der gesetzwidrigen "Lawinenerlässe" des Bundesministers für Verkehr vom 22. Jänner 1975 und vom 9. September 1975 als in ihren Rechten verletzt. Gleichheitswidrig ist nach Meinung der beschwerdeführenden Gesellschaft die durch §17 Abs3 Eisenbahngesetz 1957 gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn gegenüber entgegenstehenden Interessen deshalb, weil "das öffentliche Interesse an der Sicherheit der Liftbenützer als dominantes, ja singuläres Interesse hingestellt" und daher die Interessenabwägung nur zum Schein vorgenommen worden sei. Gleichheitswidrig sei ferner "die unsachliche Nicht-Differenzierung ... zwischen der Neuerschließung eines Schigebietes und der bloßen Ersetzung eines bestehenden Liftes".
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Sie schließt eine Gleichheitsverletzung angesichts der von ihr vorgenommenen "Abwägung von Wintersportinteressen und Sicherheitsinteressen" aus, die nach dem Jahre 1975, nachdem schwere Lawinenunglücke auf Schipisten die Öffentlichkeit aufgerüttelt hatten, stets zugunsten der Sicherheit ausfiel. Auch die Gleichheitsverletzung mangels Differenzierung zwischen einer neuen Seilbahn in einem bestehenden Schigebiet und einem neu zu erschließenden Gebiet verneint die belangte Behörde unter Hinweis darauf, daß sie keinen Unterschied darin sehe, "eine Gefahrenlage in einem neuen Gebiet zu schaffen, oder eine solche in einem bestehenden Gebiet auf eine erheblich größere Personenanzahl als bisher auszudehnen".
II. Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht berechtigt.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 7. Dezember 1990, V175/90, ausführte, waren die "Lawinenerlässe" des Bundesministers für Verkehr vom 22. Jänner 1975, Z EB 6403/8-II/3-1975, und vom 9. September 1975, Z EB 6403/31-II/3-1975, im Beschwerdefall nicht anzuwenden, weil dieser die Konzessionierung einer Hauptseilbahn zum Gegenstand hat, die "Lawinenerlässe" aber lediglich für Kleinseilbahnen und Schlepplifte Geltung besitzen.
Daß Grundsätze, wie sie in den "Lawinenerlässen" für die Erteilung von Konzessionen für Kleinseilbahnen und Schlepplifte zum Zwecke der Intensivierung des Lawinenschutzes niedergelegt sind, ihrem Inhalt nach auch bei Bewilligungen von Hauptseilbahnen herangezogen werden, hält der Verfassungsgerichtshof nicht für gleichheitswidrig. Insbesondere ist es sachlich gerechtfertigt, im Zuge der durch §17 Abs3 Eisenbahngesetz 1957 für eine Konzessionsverleihung vorausgesetzten Interessenabwägung ein überwiegendes Interesse an der Sicherheit der von der Seilbahn zu befördernden Personen anzunehmen, sodaß die Konzession wegen entgegenstehender Interessen im Sinne des §17 Abs3 des Eisenbahngesetzes 1957 zu verweigern ist, wenn diese Sicherheit beim Zugang bzw. bei der Zufahrt zur Talstation der Seilbahn nicht gewährleistet ist.
Gleichheitswidrig ist es aber auch nicht, wenn mangels hinreichenden Lawinenschutzes bei einer bereits bestehenden Seilbahn eine neue Konzession verweigert wird, auf Grund derer die Kapazität der Seilbahn - und damit das Sicherheitsrisiko - erheblich vergrößert werden kann.
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist sohin weder in ihrem Gleichheitsrecht noch in ihren Rechten durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt worden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob bei der Anwendung des §17 Abs3 erster Satz Eisenbahngesetz 1957 der belangten Behörde sonstige, nicht in die Verfassungssphäre reichende Fehler unterlaufen sind, hat nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern der Verwaltungsgerichtshof zu überprüfen, an den die Beschwerde antragsgemäß gemäß Art144 Abs3 B-VG abgetreten wird.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
EisenbahnrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:B1465.1988Dokumentnummer
JFT_10098786_88B01465_00