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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Kein Verordnungscharakter eines Gemeinderatsbeschlusses über die künftige Erlassung einer Einreihungsverordnung; Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung der Einreihungsverordnung mangels Legitimation; kein Eingriff in die Rechtssphäre der Wegegenossenschaft; kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller, deren Grundstücke von der Einreihungsverordnung nicht betroffen sindSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.a) Vier Eigentümer von Liegenschaften im Gebiet der Gemeinde Spital am Semmering beantragten (unter Hinweis darauf, daß sie einen "Interessentenausschuß" gemäß §45 des Stmk.
Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 - LStVG 1964, LGBl. 154 idF LGBl. 195/1969, bildeten) in einer mit 20. September 1974 datierten und an die Gemeinde Spital am Semmering gerichteten Eingabe die Übernahme der Grundstücke ("Wegparzellen") Nr. 271/217, 271/218 und 271/219, EZ 11, KG Semmering, in das öffentliche Gut sowie - unter Berufung auf §45 Abs3 LStVG 1964 - die Erlassung einer Verordnung über die Zusammenfassung aller am Wohnbauprojekt "Stuhleckblick" beteiligten Grundeigentümer in einer öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft.
b) Der Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering beschloß in seiner Sitzung am 21. Juli 1975 auf Grund dieser Eingabe, die Aufschließungsstraße "Stuhleckblick" mit den erwähnten Wegparzellen iS des §7 Abs1 Z5 iVm §8 Abs3 LStVG 1964 als öffentlichen Interessentenweg einzureihen. Wie aus dem Protokoll über diese Gemeinderatssitzung hervorgeht, vertrat der Gemeinderat mehrheitlich die Auffassung, daß eine Verordnung nach §45 Abs3 LStVG 1964 erst dann erlassen werden könne, wenn "die Höhe der Beitragsleistung zu den Kosten der Wegherstellung und der Wegerhaltung, jeweils ausgedrückt in Prozenten, durch die einzelnen Besitzer" feststehe.
c) Der Bürgermeister der Gemeinde Spital am Semmering ließ daraufhin unter der Geschäftszahl 644/0-1975 folgendes, mit 9. September 1975 datiertes und an den "Interessentenausschuß für die Siedlungsstraße 'Stuhleckblick'" adressiertes Schreiben ergehen:
"Mit der Eingabe vom 20.9.1974 haben Sie ha. den Antrag gestellt,
1.
die Übernahme der Weggrundstücke Nr. 271/217, 271/218 und 271/219, alle EZ. 11, KG. Semmering, in das öffentliche Gut vorzunehmen und
2.
eine Verordnung zu erlassen, auf Grund welcher alle das Projekt 'Stuhleckblick' betreffenden Grundeigentümer in eine öffentlich rechtliche Wegegenossenschaft als Beitragspflichtige zusammengefaßt werden, und zwar mit der Wirkung zu verfügen, daß die Mitgliedschaft und damit die Verpflichtung zur Beitragsleistung auf die jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaften übergeht.
Der hsg. Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 21. Juli 1975 einstimmig beschlossen, im Sinne des §8, Abs3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes vom 15.6.1964, LGBl. Nr. 154 i.d.g.F. die Siedlungsstraße 'Stuhleckblick' mit den Grundstücken Nr. 271/217, 271/218 und 271/219, alle EZ. 11, KG. Semmering, im Gesamtausmaß von 14.677 m2, als öffentlichen Interessentenweg einzureihen.
Das Begehren, durch Erlassung einer Verordnung die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich rechtliche Wegegenossenschaft mit der Wirkung zu verfügen, daß die Mitgliedschaft und damit die Verpflichtung zur Beitragsleistung auf die jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht, konnte noch nicht behandelt werden, da in der bescheidmäßigen Ausfertigung diese Beitragsleistung zu den Kosten der Wegherstellung und der Wegerhaltung in Prozenten auszudrücken ist. Diese prozentmäßige Festsetzung wäre zweckmäßiger Weise durch den do. Interessentenausschuß zu erlassen. Nach Vorliegen dieser Unterlagen wird der Gemeinderat mit dieser Angelegenheit befaßt.
Verordnungen der Gemeinde treten im Sinne des §92, Abs1 der Gemeindeordnung vom 14.6.1967, LGBl. Nr. 115, dann in Kraft, wenn sie binnen zwei Wochen nach der Beschlußfassung kundgemacht werden.
Wie Ihnen bekannt ist, hängt die Einreihung dieses Weges als öffentl. Interessentenweg von der Erfüllung einer Reihe von Bedingungen ab, die im Gutachten des Hrn. Dipl.Ing. P B, Graz, vom 8.8.1975 festgehalten sind.
In rechtlicher Hinsicht erschien es daher notwendig, diese Verordnung erst nach Erfüllung der im angeführten Gutachten festgehaltenen Bedingungen zu erlassen."
d) Nachdem ein Mitglied des erwähnten Interessentenausschusses an die Gemeinde Spital am Semmering nähere Angaben für die Ermittlung der - in der Erledigung vom 9. September 1975 angesprochenen - "Beitragsleistung (der Beitragspflichtigen) zu den Kosten der Wegherstellung und der Wegerhaltung" übermittelt hatte, faßte der Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering in seiner Sitzung am 18. Dezember 1975 zum einen neuerlich den Beschluß, die in Rede stehende Aufschließungsstraße als öffentlichen Interessentenweg einzureihen, zum anderen unter Berufung auf §45 (Abs2) LStVG 1964 den Beschluß, den Anteil der Gemeinde an der Kostentragung mit 2 % sowie davon ausgehend den Anteil jedes Liegenschaftseigentümers in näher bezeichneter Höhe festzusetzen.
e) Danach wurde - durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Spital am Semmering vom 29. Dezember 1975 bis 10. Jänner 1976 - die im folgenden wiedergegebene Verordnung kundgemacht:
"V E R O R D N U N G
Gemäß §8, Abs3 des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes vom 15.6.1964, LGBl. Nr. 154 i. d.g.F., hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 18.12.1975 (Pkt. 6 der Tagesordnung) verordnet, die
Aufschließungsstraße 'Stuhleckblick' mit der Grundstücksbezeichnung 271/17, 271/18 u. 271/19 (Abteilungsplan 1 : 500 des Dipl.Ing. R F vom 27.6.1972, GZ. 433) als
ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e n t e n w e g
einzureihen.
Diese Verordnung wird gem. §92 (1) der Gemeindeordnung vom 14.6.1967, LGBl. Nr. 115, durch zwei Wochen mit dem Hinweis kundgemacht, daß die Rechtswirksamkeit dieser Verordnung mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag beginnt."
f) Schließlich erließ der Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering unter der Geschäftszahl 644/0-1976 eine mit 8. April 1976 datierte und an 127 Personen (dies waren i.w. die Eigentümer der an die in Rede stehende Aufschließungsstraße angrenzenden Grundstücke, darunter auch der Drittantragsteller) gerichtete Erledigung folgenden Wortlauts:
"B e s c h e i d
Spruch
Auf Grund des Antrages des Interessentenausschusses vom 20.9.1974 bzw. des Nachtrages hiezu vom 11.11.1975 hat der hsg. Gemeinderat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1975 (Punkt 6 der Tagesordnung) gemäß §45, Abs1, 2 und 3 des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl. Nr. 154, in der Fassung der Landes-Straßenverwaltungsgesetznovelle 1969, LGBl. Nr. 195 den Beschluß gefaßt, die Aufschließungsstraße 'STUHLECKBLICK' mit der Grundstückbezeichnung 271/17, 271/18 und 271/19 (Abteilungsplan 1 : 500 des Dipl.Ing. R F vom 27.6.1972, GZ.: 433) als öffentlichen Interessentenweg zu erklären und die Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft zusammenzufassen.
Das Ausmaß der Beitragsleistungen der Gemeinde wurde mit 2 % der Gesamtkosten für die Herstellung und Erhaltung des gegenständlichen Weges festgesetzt.
Als Liegenschaftseigentümer bzw. Verkehrsinteressent im Einzugsgebiet des öffentlich-rechtlichen Interessentenweges sind Sie in die öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft 'STUHLECKBLICK' mit der Wirkung einbezogen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft übergeht.
Gleichzeitig wird Ihre Beitragsleistung zu den Kosten der Wegherstellung mit 0,583 % und der Wegerhaltung mit 0,5798 %, aufgerundet
0,6 %
festgesetzt.
B e g r ü n d u n g :
Die Vertreter des Interessentenausschusses 'STUHLECKBLICK' haben mit den eingangs angeführten Anträgen eröffnet, daß durch den erwähnten Interessentenweg 166 Baugrundstücke aufgeschlossen werden. Dazu kommen noch 3 Anteile des Grundeigentümers P W, sodaß insgesamt 169 Anteile für die Berechnung in Frage kommen.
Im Hinblick darauf, daß die Gemeinde einen 2 %igen Anteil leistet, kommen für die Kostenaufteilung 98 % als Berechnungsgrundlage in Frage.
Die Teilung dieses Prozentsatzes durch 169 Grundanteile ergibt den eingangs angeführten Prozentsatz von 0,5798, also 0,6 % je Baugrundstück bzw. Grundeigentümer.
Darüber hinaus entspricht die Einbeziehung in die öffentlich-rechtliche Weggenossenschaft dem Interesse der Liegenschaftsbesitzer bzw. dem Ausmaße des Verkehrsinteresses an der gegenständlichen Aufschließungsstraße.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen im eigenen Wirkungsbereich ergangenen Bescheid ist eine Berufung unzulässig.
Wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann gem. §94 der Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 i.d.g.F. binnen zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben.
Die Vorstellung ist schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten."
2.a) Die Erstantragstellerin - die in der (unter I. 1.f wiedergegebenen) Erledigung vom 8. April 1976 bezeichnete Wegegenossenschaft ("Stuhleckblick") - sowie die Zweitantragstellerin und der Drittantragsteller - nach ihrem Vorbringen Mitglieder der Wegegenossenschaft Stuhleckblick und Eigentümer einer an die (im Eigentum der Gemeinde Spital am Semmering stehende) Aufschließungsstraße "Stuhleckblick" angrenzenden Liegenschaft - stellen mit der vorliegenden Eingabe an den Verfassungsgerichtshof den - näher begründeten -
"A N T R A G ,
der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art139 B-VG die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 21.7.1975, mit welcher gemäß §8 Abs3 Stmk. LStVG die Siedlungsstraße Stuhleckblick mit den Grundstücken 271/217, 271/218 und 271/219 alle damals EZ 11 KG Semmering, nunmehr Grundstücke 271/17, 271/18, 271/19, 270/14, 270/15, 271/220 und 271/236 der KG Semmering, als öffentlicher Interessentenweg eingereiht wurde, als gesetzwidrig aufheben.
Ferner wird beantragt, die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975, mit welcher (nochmals) die Aufschließungsstraße Stuhleckblick mit den (damaligen) Grundstücken 271/217, 271/218 und 271/219 der EZ 11 KG Semmering als öffentlicher Interessentenweg erklärt wurde und die Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft (Erstantragstellerin Wegegegenossenschaft Stuhleckblick) zusammengefaßt wurden, als gesetzwidrig aufzuheben."
b) In der Eingabe finden sich ferner unter der Überschrift
"II. Anfechtungsgegenstand" folgende, im gegebenen Zusammenhang maßgebliche Ausführungen:
"1.) Gemäß Art139 B-VG wird die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering gemäß §8 Abs3 des Stmk. LStVG, mit welcher die Siedlungsstraßen Stuhleckblick mit den Grundstücken 271/217, 271/218 und 271/219, damals alle EZ 11 KG Semmering, nunmehr Grundstücke 271/217, 270/14, 270/15, 271/218, 271/219, 271/236 und 271/220 öffentliches Gut der KG Semmering als öffentlicher Interessentenweg eingereiht bzw. erklärt werden, und zwar die mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 21.7.1975, GZ. 664/01975 erlassene Verordnung als gesetzwidrig angefochten.
2.) Sollte dieser Beschluß des Gemeinderates nicht als Verordnung rechtswirksam geworden sein, wird der gleichlautende Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975, GZ. 664/01976 angefochten.
Die notwendigerweise gemeinsam mit der Einreihung der genannten Grundstücke (Siedlungsstraße) als öffentlicher Interessentenweg gemäß §45 Abs3 des Stmk. LStVG mit Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975 erlassene Verordnung, mit welcher die Beitragspflichtigen (Grundeigentümer) in die öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft Stuhleckblick zusammengefaßt wurden, wird gleichfalls angefochten."
3. Der Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering hat die die angefochtenen Erledigungen betreffenden Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Äußerung (der Sache nach) die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der (Individual-)Anträge begehrt.
4. Die hier maßgeblichen Vorschriften des LStVG 1964 haben folgenden Wortlaut:
"Einteilung der Straßen.
§7. (1) Die unter dieses Gesetz fallenden Straßen sind in folgende Gattungen eingereiht:
. . .
5. Öffentliche Interessentenwege, das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§8).
. . ."
"§8.
. . .
(3) Die Einreihung . . . eines öffentlichen Interessentenweges
(§7 Abs1 Z. 5) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde.
. . ."
"e) Öffentliche Interessentenwege.
(§7 Abs1 Z. 5.)
§45. (1) Die Kosten der Herstellung und Erhaltung öffentlicher Interessentenwege fallen den Liegenschaftsbesitzern oder sonstigen Verkehrsinteressenten zur Last. Die Gemeinde ist jedoch verpflichtet, nach Maßgabe ihres Interesses an dem Bestand einer solchen Straße Beiträge zu leisten.
(2) Über das Ausmaß und die Art der Beitragsleistung zu den Kosten der Herstellung und Erhaltung eines öffentlichen Interessentenweges entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Gemeinde.
(3) Wenn es zur Sicherstellung der Erhaltung von öffentlichen Interessentenwegen erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft mit der Wirkung verfügen, daß die Mitgliedschaft und damit die Pflicht zur Beitragsleistung auf den jeweiligen Besitzer der beteiligten Liegenschaft übergeht.
. . ."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der (Individual-)Anträge erwogen:
1. Gemäß Art139 Abs1 dritter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter "Verordnung" - unabhängig von ihrer Bezeichnung - jede nicht in Gesetzesform ergehende, von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle Rechtsnorm zu verstehen (s. etwa VfSlg. 3142/1957, 7585/1975, 11472/1987, VfGH 1.3.1990 V60/89).
Nun hat der Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering in seiner Sitzung am 21. Juli 1975 zwar den Beschluß gefaßt, die in Rede stehende Aufschließungsstraße "als öffentlichen Interessentenweg zu erklären", doch ist darin schon deshalb kein unmittelbar auf die Erlassung einer Verordnung iS des §8 Abs3 LStVG 1964 gerichteter Beschluß zu sehen, weil, wie aus dem Schreiben des Bürgermeisters vom 9. September 1975 an den "Interessentenausschuß für die Siedlungsstraße 'Stuhleckblick'" hervorgeht, die Absicht bestand, eine Verordnung über die Einreihung dieser Verkehrsfläche als öffentlicher Interessentenweg erst nach Erfüllung verschiedener Bedingungen zu erlassen. Diese Absicht war offenbar auch dafür bestimmend, den Gemeinderatsbeschluß vom 21. Juli 1975 nicht in der durch §92 Abs1 der (Stmk.) Gemeindeordnung 1967, LGBl. 115, für die Kundmachung von Verordnungen vorgeschriebenen Weise kundzumachen.
Da somit der den Beschluß des Gemeinderates vom 21. Juli 1975 betreffende (unter I. 2.a erstzitierte), auf Art139 Abs1 (dritter Satz) B-VG gestützte (Individual-)Antrag keine Verordnung iS dieser Verfassungsvorschrift zum Gegenstand hat, war er wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
3. Aber auch der (Individual-)Antrag, "die Verordnung der Gemeinde Spital am Semmering vom 18.12.1975, mit welcher (nochmals) die Aufschließungsstraße Stuhleckblick mit den (damaligen) Grundstücken 271/217, 271/218 und 271/219 der EZ 11 KG Semmering als öffentlicher Interessentenweg erklärt wurde" - als gesetzwidrig - aufzuheben, erweist sich als unzulässig.
a) Der vom Gemeinderat der Gemeinde Spital am Semmering in seiner Sitzung am 18. Dezember 1975 gefaßte Beschluß, die Aufschließungsstraße "Stuhleckblick" als öffentlichen Interessentenweg gemäß §8 Abs3 LStVG 1964 einzureihen - was nach dieser Vorschrift durch Verordnung zu geschehen hat - wurde unter der Überschrift "Verordnung" und unter ausdrücklicher Berufung auf §92 Abs1 der (Stmk.) Gemeindeordnung 1967 durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde vom 29. Dezember 1975 bis 10. Jänner 1976 kundgemacht. Es kommt ihm somit die rechtliche Qualität einer Verordnung iS des Art139 Abs1 B-VG zu.
b) Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit dem Beschluß VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist grundlegende Voraussetzung für die Legitimation zur Stellung eines Antrages nach Art139 Abs1 dritter Satz B-VG, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980, 10988/1986). Bei der Beurteilung der Antragslegitimation hat der Verfassungsgerichtshof lediglich zu untersuchen, ob die angefochtene Verordnung für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Kriterien des Art139 Abs1 dritter Satz B-VG entsprechen (vgl. zB VfSlg. 8974/1980 mwH, 11623/1988; vgl. auch VfSlg. 10353/1985 mwH).
Die hier in Rede stehende Verordnung hat nun die Einreihung der - in der Natur bereits bestehenden - Aufschließungsstraße "Stuhleckblick" in eine der Kategorien der unter das LStVG 1964 fallenden Straßen, nämlich in die Kategorie "öffentlicher Interessentenweg", zum Inhalt. Die Verordnung über die Einreihung eines (in der Natur bereits bestehenden) Weges als öffentlicher Interessentenweg bildet eine der rechtlichen Voraussetzungen für die Erlassung der die Zusammenfassung von Beitragspflichtigen in eine öffentlich-rechtliche Wegegenossenschaft verfügenden Verordnung gemäß §45 Abs3 LStVG 1964, auf die sich die rechtliche Existenz einer solchen Wegegenossenschaft gründet. Eine derartige "Einreihungsverordnung" steht demnach mit einer den Rechtsbestand der öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft begründenden Verordnung nach §45 Abs3 LStVG 1964 in einem untrennbaren Zusammenhang (s. etwa VfSlg. 10693/1985). Die bekämpfte (Einreihungs-)Verordnung bewirkt jedoch als eine der Voraussetzungen des rechtlichen Bestandes der Erstantragstellerin keinen für diese nachteiligen Eingriff in ihre Rechtsposition. Insbesondere kann keine Rede davon sein, daß die im vorliegenden (Individual-)Antrag geltend gemachte (behauptetermaßen gesetzwidrige) Belastung mit den Kosten der Erhaltung des in Rede stehenden öffentlichen Interessentenweges (nicht allein bei den Mitgliedern der öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft, sondern) auch bei der Erstantragstellerin gegeben sei. Der Erstantragstellerin fehlt daher schon aus diesem Grund die Legitimation zur Stellung eines (Individual-)Antrages nach Art139 Abs1 dritter Satz B-VG.
c) Die Einreihung eines - wie hier - in der Natur bereits bestehenden Weges als öffentlicher Interessentenweg vermag einen Eingriff in die Rechtssphäre bloß jener Eigentümer von Grundstücken zu bewirken, über deren Grundstücke dieser Weg führt (s. VfSlg. 10989/1986, VfGH 25.9.1989 V7/89).
Soweit der vorliegende (Individual-)Antrag von der Zweitantragstellerin und vom Drittantragsteller eingebracht wurde, folgt seine Unzulässigkeit schon daraus, daß der betreffende Weg nicht über das nach dem Vorbringen dieser beiden Antragsteller in ihrem Eigentum stehende Grundstück 288 in EZ 687 KG Semmering (oder ein anderes in ihrem Eigentum stehendes Grundstück) verläuft, die bekämpfte Verordnung somit keinen Eingriff in die Rechtssphäre der Zweitantragstellerin und des Drittantragstellers bewirkt (s. VfSlg. 10989/1986, VfGH 25.9.1989 V7/89; vgl. etwa auch VfSlg. 8156/1977, 10988/1986).
4. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob die in der (unter I. 1.f wiedergegebenen) Erledigung vom 8. April 1976 (abgesehen von der Einreihung der Aufschließungsstraße "Stuhleckblick" als öffentlicher Interessentenweg) enthaltenen Aussprüche (Zusammenfassung der Beitragspflichtigen in einer öffentlich-rechtlichen Wegegenossenschaft, Festsetzung eines Maßstabes der Beitragsleistung der Gemeinde und der einzelnen Grundstückseigentümer) - nach ihrem Inhalt (ungeachtet der gewählten Bescheidform) - Verordnungscharakter besitzen, erübrigt sich, weil die Antragsteller gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Teile der Erledigung keine Bedenken dargelegt haben.
Das Fehlen der - von §57 Abs1 zweiter Satz VerfGG geforderten - Darlegung der gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen sprechenden Bedenken (im einzelnen) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozeßhindernis (VfSlg. 8570/1979, 8594/1979, 8863/1980, 9506/1982, 9716/1983, 10429/1985). Der vorliegende (Individual-)Antrag ist daher, soweit er sich auf die erwähnten Aussprüche bezieht, jedenfalls aus diesem Grund zurückzuweisen.
5. Dabei erübrigte sich die Prüfung der Frage, ob alle übrigen in Art139 Abs1 dritter Satz B-VG umschriebenen Erfordernisse für die Zulässigkeit eines (Individual-)Antrages iS dieser Verfassungsvorschrift erfüllt sind.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e sowie in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Verordnungsbegriff, VfGH / Individualantrag, Straßenverwaltung, Interessentenweg, Weggemeinschaft, Einreihungsverordnung (Straßenverwaltung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1990:V193.1990Dokumentnummer
JFT_10098785_90V00193_00