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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde
1) des HM und 2) der MM in K, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Jänner 1993, Zl. BauR-010860/6-1993 Pe/Vi, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde U, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 21. Juli 1992 wurde dieser Gemeinde die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Pkw-Parkplatzes für 126 Pkw auf den Grundstücken Nr. 693/1, 695/2, 669/16, 693/2 und 1974/2 des Grundbuches über die Kat. Gem. U erteilt. Die von den Beschwerdeführern u.a. wegen der befürchteten Abgas- und Lärmimmissionen erhobenen Einwendungen wurden "als unzulässig zurückgewiesen bzw. abgewiesen".
Mit dem auf dem Beschluß des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. August 1992 beruhenden Bescheid vom 10. September 1992 wurde der von den Beschwerdeführern gegen diesen Bewilligungsbescheid eingebrachten Berufung "nicht Folge gegeben" und es wurden "die Berufungseinwendungen
abgewiesen bzw. ... als unzulässig zurückgewiesen".
Der dagegen eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 25. Jänner 1993 mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführer durch den erwähnten Berufungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden seien.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 2 der Oö. Bauordnung 1976 müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen so geplant und errichtet werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der Bauten und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung (Änderung der natürlichen Zusammensetzung der freien Luft, z.B. durch Rauch, Ruß, Staub und andere Schwebstoffe, Dämpfe, Gase und Geruchstoffe), Lärm oder Erschütterungen.
Aus den konkreten Anordnungen dieser Regelung können die Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 46 Abs. 3 der Oö. Bauordnung 1976 ableiten (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1992, Zl. 92/05/0154, und die darin zitierte Vorjudikatur).
Ob durch Stellplätze schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne der zitierten Vorschrift auf die Nachbarschaft einwirken können, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Sie hat sich hiebei im allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen zu bedienen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1965, Zl. 361/65, zitiert in Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, S. 663, E.Nr. 4.).
Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens wurde die mit 16. April 1992 datierte Stellungnahme des Sachverständigen für Luftreinhaltung des Amtes der Oö. Landesregierung zur Feststellung des Ist-Zustandes eingeholt. Darin wurde unter Zugrundelegung des Ergebnisses einer Verkehrszählung, bei welcher "die Spitzenbelastung durch Schichtwechsel bei der Fa. X, die den projektierten Parkplatz mitbenützen wird, mitberücksichtigt" worden ist, zusammenfassend die Auffassung vertreten, daß "durch den projektierten Parkplatz immissionsseitig mit keinen Grenzwertüberschreitungen" nach der Oö. Luftreinhalteverordnung, LGBl. Nr. 78/1976 in der geltenden Fassung, "zu rechnen ist" und keine wesentliche Mehrbelastung eintreten wird. Ferner wurde ein "schalltechnisches Projekt" einer staatlich autorisierten Prüf- und Versuchsanstalt (vom 19. Mai 1992) erstellt, dessen "Zusammenfassung" nachstehenden Wortlaut hat:
"Die meßtechnisch ermittelte IST-Situation, im Bereich der südlich des gegenständlich geplanten Parkplatzes gelegenen Wohnliegenschaften, wurde zu
LA,eq = 47 - 48 dB
gerundet ermittelt.
Die errechneten Schallimmissionen liegen am ungünstigst zu betrachtenden Punkt bei 38 dB gerundet (Grundgrenze 1,5 m über Boden).
Im Bereich der Obergeschoßfenster, der südlich gelegenen Wohnliegenschaften, liegen die zu erwartenden Schallimmissionen, ausgehend von dem gegenständlichen Parkplatz bei 35 bis 37 dB gerundet.
Aufgrund der energetischen Addition von Schalldruckpegeln ist daher eine Anhebung der örtlichen IST-Situation durch den gegenständlichen Parkplatz auszuschließen.
Als positiver Nebeneffekt ist sogar eine Verbesserung der derzeitigen IST-Situation durch die abschirmende Wirkung der geplanten Erdwälle in bezug auf Schallimmissionen, ausgehend von der B 152."
Während des Vorstellungsverfahrens wurde darüber hinaus eine ergänzende Stellungnahme des Verfassers der erwähnten Äußerung vom 16. April 1992 eingeholt, aus welcher hervorgeht, daß das Grundstück der Beschwerdeführer "direkt an den geplanten Parkplatz angrenzt", weshalb "an der Grundstücksgrenze mit Immissionskonzentrationen zu rechnen ist, die etwa den Emissionskonzentrationen vom Parkplatz entsprechen". Nach einer Darstellung des 8-Stundendurchschnittswertes und der Spitzenkonzentration gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß auf dem Grundstück der Beschwerdeführer "keine wesentliche Erhöhung der Immissionsbelastung durch Autoabgase durch das vorliegende Projekt zu erwarten ist". Unter Zugrundelegung dieser gutächtlichen Äußerung vertrat sodann der medizinische Sachverständige die Ansicht, daß "aus den zugrunde liegenden Immissionsbelastungen weder aus dem 8-Stundendurchschnittswert noch aus der Spitzenkonzentration bei den genannten Substanzen" (nämlich Stickstoffdioxyd und Kohlenmonoxyd) "auf nachhaltige Beeinträchtigungen der Gesundheit zu schließen ist. Die vorgegebenen Grenzwerte und Empfehlungen hiezu werden mit Abstand unterschritten. Es wird aus immissionstechnischer Sicht festgehalten, daß keine wesentliche Erhöhung der Immissionsbelastung durch Autoabgase durch das vorliegende Parkplatzprojekt zu erwarten ist".
Der Kritik der Beschwerdeführer an den während des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholten Stellungnahmen ist zu entgegnen, daß eine 24-stündige Messung des Ist-Zustandes angesichts des Umstandes entbehrlich war, daß bei der der erwähnten Stellungnahme vom 16. April 1992 zugrunde gelegten Verkehrszählung ohnedies "die Spitzenbelastung ...
mitberücksichtigt" worden ist, wobei als "spezifische Rechenannahmen bezüglich der Parkplatzbelegung" von einer Spitzenbelastung von 126 Pkw in 30 Minuten (100 % der Gesamtbelegung) und einer durchschnittlichen Weglänge von 60 m bei einer mittleren horizontalen Windgeschwindigkeit von 0,5 m/sec. und einer mittleren vertikalen Windgeschwindigkeit von 0,05 m/sec. ausgegangen worden ist. In dem teilweise schon wiedergegebenen schalltechnischen Gutachten wurde "tags" von den "ungünstigsten aufeinanderfolgenden 8 Stunden" und der "ungünstigsten Stunde" ausgegangen. Ferner wurde in diesem Gutachten "in bezug auf Spitzenpegel durch Autotürenzuschlagen Meßergebnisse für die Immissionsberechnung herangezogen, die mittels Versuchsmessungen mit mehreren Pkw ermittelt wurden ... Auf Grund der errechneten Schirmwirkung der geplanten 1,8 m hohen Erdwälle von 7 - 10 dB (je nach Lage und Entfernung des Pkws zum Erdwall) sind in 20 m Entfernung Spitzenpegel durch Autotürenzuschlagen zwischen 51 - 55 dB zu erwarten".
Die ergänzende Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 20. Oktober 1992 läßt im übrigen durchaus erkennen, "von welchen Prämissen bzw. von welchen Meßdaten ausgegangen wurde", weil der Sachverständige die seiner zusammenfassenden Stellungnahme zugrunde gelegten Werte für die erwarteten Emissionskonzentrationen ausdrücklich im Detail angeführt hat. Diese Werte decken sich mit jenen, von welchen derselbe Sachverständige in seiner gutächtlichen Äußerung vom 16. April 1992 ausgegangen ist, in welcher auch dargestellt worden ist, auf welcher Basis das "Ergebnis der Emissionsberechnung" ermittelt worden ist. Es wäre den Beschwerdeführern unbenommen geblieben, im Falle von Zweifeln an der Richtigkeit dieser Immissionsberechnung den diesbezüglichen Annahmen des Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Angesichts der im Beschwerdefall maßgebenden Vorschrift des § 23 Abs. 2 der Oö. Bauordnung 1976 ist nicht entscheidend, ob mit der Verwendung des Parkplatzes erhöhte Immissionen auf dem Grundstück der Beschwerdeführer verbunden sein werden, sondern vielmehr wesentlich, ob sich daraus schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Regelung ergeben werden. Davon kann aber angesichts des aufgezeigten Ermittlungsergebnisses zumindest hinsichtlich der zu erwartenden Belastung der Beschwerdeführer durch Autoabgase nicht ausgegangen werden.
Den Einwänden der Beschwerdeführer gegen das Gutachten des medizinischen Sachverständigen kann sich der Gerichtshof ebenfalls nicht anschließen, weil der Sachverständige einerseits von der Immissionsbelastung in der mehrfach erwähnten gutächtlichen Stellungnahme vom 20. Oktober 1992 (welcher das Gutachten vom 16. April 1992 zugrunde liegt) und andererseits von den - darüberliegenden - Immissionsgrenzwerten der Oö. Luftreinhalteverordnung ausgegangen ist, weshalb nicht zu erkennen ist, warum seine bereits wiedergegebene Zusammenfassung unschlüssig sein soll.
Die Beschwerdeführer haben schließlich geltend gemacht, daß zu der Frage der gesundheitlichen Auswirkungen der mit dem bewilligten Parkplatz verbundenen Lärmbelastung kein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt worden ist.
Damit haben die Beschwerdeführer zu Recht eine wesentliche Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes aufgezeigt, da es nach der schon eingangs wiedergegebenen hg. Judikatur dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen. Der medizinische Sachverständige hat zwar in seiner Äußerung vom 14. Dezember 1992 die Auffassung vertreten, daß "aus den zugrunde liegenden Immissionsbelastungen weder aus dem 8-Stundendurchschnittswert noch aus der Spitzenkonzentration bei den genannten Substanzen auf nachhaltige Beeinträchtigungen der Gesundheit zu schließen ist", damit jedoch die Beeinträchtigungen durch Autoabgase gemeint, also nicht zu der Frage Stellung genommen, ob der bewilligte Parkplatz für die Beschwerdeführer schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 23 Abs. 2 der Oö. Bauordnung 1976 durch LÄRM mit sich bringen wird. In dieser Hinsicht ist der Sachverhalt demnach in einer wesentlichen Frage ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb im fortgesetzten Verfahren ein medizinischer Sachverständiger auf der Grundlage des mehrfach erwähnten schalltechnischen Gutachtens vom 19. Mai 1992 ergänzend eine diesbezügliche Beurteilung vorzunehmen haben wird.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Aus prozeßökonomischen Gründen wird in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen noch darauf hingewiesen, daß der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Berufungsbescheid auf einem Beschluß des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde beruht und vom Bürgermeister lediglich intimiert worden ist. Eine derartige Vorgangsweise ist nicht rechtswidrig (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zl. 85/06/0201, BauSlg. Nr. 731).
Durch die Entscheidung über die Beschwerde ist der Antrag der Beschwerdeführer, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer war abzuweisen, weil für den lediglich in einfacher Ausfertigung vorzulegenden angefochtenen Bescheid nur S 120,-- an Stempelgebühr zu entrichten waren.
Schlagworte
Intimation Zurechnung von BescheidenSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztSachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerSachverständiger AufgabenZurechnung von Bescheiden IntimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993050046.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
23.07.2010