TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/22 91/05/0027

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Veröffentlicht am 22.06.1993
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §70 Abs2;
BauO Wr §79 Abs3;
BauO Wr §79 Abs6;
BauO Wr §80 Abs1;
BauO Wr §83;
BauO Wr §84 Abs3;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 6. Dezember 1990, Zl. MDR-B XVI-17 und 18/90, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: W-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. August 1990 (im zweiten Rechtsgang) erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Außenstelle für den 16. Bezirk, auf Antrag der Mitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung von 4 Wohnhäusern (a zwei Stiegen) mit insgesamt 48 Wohnungen und einer Tiefgarage auf der Liegenschaft B-Gasse 32-34. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der östlich anrainenden Liegenschaft B-Gasse 36, auf welcher sich ein Einfamilienhaus befindet. Seine im einzelnen im Bescheidspruch (Punkt 2) aufgezählten Einwendungen wurden teils ab-, teils als unzulässig zurückgewiesen bzw. auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

In seiner dagegen erstatteten Berufung verwies der Beschwerdeführer auf seine bisherigen Einwendungen. Während die Baubewilligung von einem Abstand des Gebäudes Stiege 7 zur Grundgrenze von 4,74 m ausginge, betrage dieser Abstand laut Plan nur 3,00 m. Die Pläne seien nachträglich geändert worden, sodaß das Verfahren erster Instanz mangelhaft geblieben sei. Das Projekt entspreche in Ansehung des Abstandes der Brandrauchentlüftung und hinsichtlich der Anbringung zweier Lichtkuppeln nicht den Vorschriften. Die Gebäude seien zu hoch, weil im Hinblick auf die Neigung des Geländes nur eine Gebäudehöhe von 8,00 m zulässig wäre. Die zulässigerweise bebaubare Höchstfläche von 470 m2 werde unter Berücksichtigung der Großgarage überschritten. Drei Bauteile ragten in die Abstandsflächen. Durch die Garageneinfahrten würden die Abstandsflächen über das unbedingt erforderliche Ausmaß hinaus in Anspruch genommen werden.

Diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides insoferne abgeändert, als anstelle der Worte "nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen" die Worte "nach Maßgabe der zum Bestandteil des Berufungsbescheides erklärten Pläne" traten. Nach dem geltenden Bebauungsplan sei von einer zulässigen Gebäudehöhe von 8,00 m auszugehen. Als seitlicher Nachbar könne sich der Beschwerdeführer auf eine Nichteinhaltung der Bestimmung des § 75 Abs. 4 lit. a BO nicht berufen. Eine im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommene Berechnung der Gebäudehöhe gemäß § 81 Abs. 2 BO (Fassadenabwicklung) habe ergeben, daß sowohl ausgehend vom vorhandenen gewachsenen Gelände als auch vom herzustellenden Gelände die zulässige Gebäudehöhe von 8,00 m nicht überschritten werde. Bei jedem einzelnen Gebäude sei die Summe der Fassadenflächen geringer als das Produkt aus der Länge der Fronten und der erlaubten Höhe von 8,00 m. Abgesehen von einem der vier Gebäude werde der Abstand zur Nachbargrenze des Beschwerdeführers von 6,00 m eingehalten; bei Stiege 7 betrage der Abstand 4,7 m. Brandrauchentlüftungen und Lichtkuppeln befänden sich nicht in der Abstandsfläche. Nach den Einreichplänen sei in der Garageneinfahrt kein Abstellplatz vorgesehen. Das Erfordernis des § 79 Abs. 6 BO, daß Rampen nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß in der Abstandsfläche gebaut werden dürften, könne nicht zu einer wesentlichen Verkleinerung des Gebäudes führen. Keines der vier Gebäude überschreite die höchstzulässig bebaubare Fläche von 470 m2, zumal weder die unterirdische Garage noch vorspringende Erker zu berücksichtigen seien. Der Anteil der bebauten Fläche betrage unter 32 %. Projektsänderungen im Berufungsverfahren hätten ausschließlich der Verhinderung der Verletzung von Nachbarrechten gedient; das Wesen des Bauvorhabens sei nicht geändert worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof aufzuheben, wenn die Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Darüberhinaus können Verfahrensmängel nur dann zu einer Rechtsverletzung des Nachbarn führen, wenn der Nachbar bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften in einem Recht verletzt sein könnte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht3, 76).

Die Ausführungen des Beschwerdeführers lassen nicht erkennen, inwieweit durch eine Projektsänderung betreffend Lichtkuppeln, Brandrauchentlüftung und Gaupen in SEINE Rechte eingegriffen wurde. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang zutreffend die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wiedergegeben, wonach selbst im Berufungsverfahren eine Projektsänderung insoweit möglich ist, als sich an der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nichts ändert.

Der Beschwerdeführer macht eine unzureichende Begründung im angefochtenen Bescheid insoferne geltend, als die Behörde hinsichtlich der Garageneinfahrt (richtig: Ausfahrt) nicht hinreichend dargetan habe, warum sie von einem unbedingt erforderlichen Ausmaß gemäß § 79 Abs. 6 BO ausgegangen sei. Im angefochtenen Bescheid wurde dazu unter Wiedergabe der (bei Geuder - Hauer, Wiener Bauvorschriften, 336, zitierten) hg. Judikatur ausgeführt, daß unter dem Gesichtspunkt einer wirtschaftlichen Verbauung die obligatorisch zu errichtende Garageneinfahrt nicht zu einer wesentlichen Verkleinerung des Gebäudes führen dürfe. Damit kann der Behörde keine Verletzung der Begründungspflicht angelastet werden. Schließlich schafft eben gerade diese Bestimmung die Möglichkeit, derartige Zufahrten samt Stützmauern bzw. Rampen in der Abstandsfläche zu errichten. Daß das erforderliche Ausmaß - Breite der Einfahrt, Höhe der Stützmauer - überschritten worden wäre, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht.

Die nach dem Bebauungsplan zulässige Gebäudehöhe für das gegenständliche Vorhaben beträgt 8,00 m. Die dem Beschwerdeführer als seitlichem Nachbarn zugewandte Front der vier Gebäude liegt an keiner der im § 81 Abs. 2 erster Satz genannten Fluchtlinien, sodaß die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein darf. Hierbei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an der Grundgrenze und bis zu einem Abstand von 3 m von derselben überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden. Die der Dachform entsprechenden Giebelflächen bleiben jedoch bei der Bemessung der Gebäudehöhe außer Betracht. Die Mitbeteiligte hat Berechnungen der Gebäudehöhe (Fassadenabwicklung) gemäß § 81 Abs. 2 BO ausgehend einerseits vom vorhandenen gewachsenen Gelände und andererseits vom herzustellenden Gelände vorgelegt. Aus diesen Berechnungen, deren rechnerische Richtigkeit der Beschwerdeführer nicht bestritten hat und die vom bautechnischen Amtssachverständigen überprüft und als richtig anerkannt worden sind, geht hervor, daß die höchstzulässige Gebäudehöhe von 8 m bei der Berechnung sowohl ausgehend vom vorhandenen gewachsenen Gelände als auch ausgehend vom herzustellenden Gelände nicht überschritten wird.

Der Beschwerdeführer verkennt offenbar, daß dann, wenn die Fassadenabwicklung unter Einbeziehung des Faktors 8,00 m die Einhaltung der Bauhöhe ergibt, eine stellenweise Überschreitung um 3,00 m, also bis 11,00 m zulässig ist.

Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, daß "unter Berücksichtigung der durch die Garagen hinzukommenden Gebäudeteile" die zulässige Höchstfläche von 470 m2 nicht eingehalten bzw. der Beschränkung der Drittelbebauung nicht entsprochen werde, nimmt er nicht auf die Begriffsbestimmung im § 80 BO Bedacht: Nach Abs. 1 dieser Bestimmung gilt als bebaute Fläche die senkrechte Projektion des Gebäudes einschließlich aller raumbildenden oder raumergänzenden Vorbauten auf eine waagrechte Ebene; als raumbildend oder raumergänzend sind jene Bauteile anzusehen, die allseits baulich umschlossen sind oder bei denen die bauliche Umschließung an nur einer Seite fehlt. Unterirdische Gebäude oder Gebäudeteile bleiben bei der Ermittlung der bebauten Fläche außer Betracht. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bleiben weiters vor die Gebäudefront ragende Gebäudeteile der im § 84 Abs. 1 und 2 genannten Art und im dort bezeichneten Ausmaß bei der Ermittlung der bebauten Flächen außer Betracht, gleichgültig, ob sie über die Baufluchtlinien ragen oder nicht. Daher ist § 80 Abs. 1 zu entnehmen, daß weder eine unterirdische Garage noch Garagenrampen bei der Ermittlung des Ausmaßes der bebauten Fläche zu berücksichtigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zlen. 92/05/0044, 92/05/0075).

Daß sich in der Rampe ein Einstellplatz befände, läßt sich aus den bewilligten Plänen nicht entnehmen; ein solcher Stellplatz wäre von der Baubewilligung nicht erfaßt.

Zum weiteren Vorbringen ist zu bemerken, daß § 83 BO Gebäudeteile nennt, die über die Baulinie oder Straßenfluchtlinie vorragen dürfen und damit öffentliche Verkehrsflächen beeiträchtigen können; die Einhaltung von vorderen Baufluchtlinien liegt im Interesse des gegenüberliegenden Nachbarn, nicht aber in jenem des seitlich unmittelbar angrenzenden Nachbarn (hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1983, Zl. 05/1390/79, BauSlg 77).

§ 79 Abs. 3 BO nennt nicht Bauteile, sondern GEBÄUDE, die mit zwei Fronten die halbe Abstandsfläche beanspruchen dürfen. Daß die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit (beim vorliegenden Bauvorhaben durch das nordöstliche Eck des Hauses Stiege 7) jede andere Nutzung der Abstandsfläche (etwa gemäß § 79 Abs. 6 bzw. § 84 Abs. 3) ausschließt, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Darüberhinaus ergibt sich aus dem Lageplan, daß innerhalb der Abstandsfläche keine Brandschutzentlüfter projektiert sind.

Da somit eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid nicht erfolgt ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991050027.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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