TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/22 92/08/0036

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Veröffentlicht am 22.06.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1151;
ABGB §1152;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 lita;
AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §5 Abs2 litc;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Burgenland vom 12. Dezember 1991, Zl. IV/7022 B Mag.Ma/R, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Zuerkennnung des Arbeitslosengeldes an den Beschwerdeführer für

19. und 20. Mai 1991 widerrufen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand zuletzt in der Zeit vom 17. Juli 1987 bis 27. Jänner 1991 als Maurer-Vizepolier in einem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur S Aktiengesellschaft. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung seitens des Dienstgebers. Ab 28. Jänner 1991 erhielt der Beschwerdeführer über seinen Antrag vom selben Tag Arbeitslosengeld in der Höhe von S 384,70 täglich.

Mit Bescheid vom 12. Juni 1991 (berichtigt mit Bescheid vom 4. Juli 1991) sprach das Arbeitsamt Eisenstadt aus, daß gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes "für den nachstehend angeführten Zeitraum" widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde, und verpflichtete den Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 35.778,--. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 28. Jänner 1991 bis 18. Mai 1991, jeweils von Montag bis Samstag, bei der Familie R in G beschäftigt gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit den §§ 24, 25 und 12 AlVG keine Folge, änderte den bekämpften Bescheid aber dahingehend ab, daß gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 lit. a und Abs. 6 lit. a AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 28. Jänner 1991 bis 20. Mai 1991 widerrufen und der Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zum Rückersatz des bereits bezogenen Arbeitslosengeldes in der Höhe von S 35.778,-- verpflichtet werde. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen sowie des Berufungsvorbringens ausgeführt:

"Seit 28. 1. 1991 standen Sie im Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von S 384,70 täglich. Am 24. 5. 1991 langte beim Arbeitsamt Eisenstadt eine Anzeige ein, daß Sie in der Zeit vom 28.1.1991 bis 18.5.1991 jeweils von Montag bis Samstag auf der Baustelle der Familie R. in G, beschäftigt seien. Daraufhin wurde der Leistungsbezug am 28. 5. 1991 mit 28. 1. 1991 eingestellt. Mit Schriftsatz des Arbeitsamtes Eisenstadt vom 31. 5. 1991 wurden Sie von der rückwirkenden Bezugseinstellung mit 28. 1. 1991 in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, binnen Wochenfrist beim Arbeitsamt zur Klärung des Sachverhaltes vorzusprechen. Auf diese Mitteilung des Arbeitsamtes reagierten Sie nicht. Vom Arbeitsamt wurde daraufhin am 11. 6. 1991 der Leistungsbezug bescheidmäßig widerrufen und Sie zum Rückersatz verpflichtet.

Sie waren in der Zeit während Ihres Leistungsbezuges, vom 28. 1. 1991 bis 18. 5. 1991, auf der Baustelle der Familie R. tätig. Sie hatten die Bauführung - sprich die Überwachung der durchzuführenden Arbeiten - über und arbeiteten auch manuell mit. Das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse konnte nicht festgestellt werden. Seit 21. 5. 1991 stehen Sie wiederum bei der Firma S in Beschäftigung.

Die Feststellungen über Ihre Tätigkeit auf der Baustelle der Familie R. gründen sich vor allem auf die unbedenklichen und logisch nachvollziehbaren Zeugenaussagen von Mag. D und Mag. J. Aus diesen Zeugenaussagen geht eindeutig und zweifelsfrei hervor, daß Sie während der ganzen Bauzeit auf der Baustelle anwesend waren. Für diese Annahme spricht auch die Tatsache, daß Sie Ihr Fahrzeug, einen silbermetallic-farbenen Opel mit dem polizeilichen Kennzeichen AZ während dieser Zeit gegenüber dem Grundstück Fasangasse 5 bzw. im Baustellenbereich abgestellt hatten. Ihre Erklärung hiefür in der Niederschrift vom 11. 10. 1991, daß Sie Ihr Fahrzeug dort nur stehen gelassen hätten und von Ihrem Sohn M von dort zu dessen Baustelle in L gebracht worden seien, wird von der Berufungsbehörde als reine Schutzbehauptung ersehen, zumal es äußerst unlogisch und unökonomisch ist, von seinem Wohnort an einen Ort, der aufgrund der bestehenden Verkehrsverbindung auch nicht besser und rascher zu erreichen ist als Ihr Wohnort, zu fahren und sich von dort dann abholen zu lassen. Im übrigen sind Sie auch nach Ihrer erfolgten Arbeitsaufnahme mit einem Fahrzeug - Ford - der Firma S auf der Baustelle erschienen. Weiters gab auch der Zeuge Dipl. Ing. S an, einen Herrn Ihrer Beschreibung des öfteren auf der Baustelle gesehen zu haben und den Eindruck gehabt zu haben, daß dieser Herr die Bauführung inne hat. Fest steht weiters, daß Sie in der gegenständlichen Zeit auf der Baustelle der Familie R. gearbeitet haben. Diese Tätigkeit bestand nicht nur in manueller Arbeit sondern wie bereits erwähnt auch in der Überwachung und Anleitung der Arbeiten. Für den Begriff "Beschäftigung" ist ein manuelles Tätigwerden nicht unbedingt Voraussetzung, das Tätigwerden bzw. eine Beschäftigung kann auch darin bestehen, die Arbeit anderer zu überwachen bzw. andere bei der Arbeit anzuleiten. In der mit Ihnen aufgenommenen Niederschrift vom 11. 10. 1991 gestehen Sie ausdrücklich zu, öfters auf der Baustelle gewesen zu sein. Der Zeuge R. als Bauherr konnte nur angeben, daß Sie auf sein Ersuchen hin auf der Baustelle waren. Wie oft Sie dort waren bzw. ob Sie täglich dort waren, entzieht sich seiner Kenntnis. Für Ihre tägliche Anwesenheit spricht vor allem die Aussage der Zeugin Mag. J, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zu verschiedenen Zeiten - so auch vormittags - zu Hause ist und angab, Sie auf der Baustelle bei der Verrichtung von Tätigkeiten gesehen zu haben. Weiters spricht für die obige Annahme auch indirekt die Aussage des Zeugen W als Geschäftsführer der H Ges.m.b.H.. Dieser Firma oblag laut Aussage des Zeugen R. die Bauführung. Laut Angaben von Herrn W hat die Firma jedoch nur Baumaterial geliefert sowie Ausbau- und Verputzarbeiten durchgeführt. Bauführer im gesetzlichen Sinne war die Betonwerk Hirm Ges.m.b.H. jedoch nicht. Für eine Beschäftigung auf der Baustelle sprechen übrigens auch Ihre mit den Aussagen von Herrn R. übereinstimmenden Erklärungen, Firmenlieferungen entgegengenommen und auf ihre Ordnungsgemäßheit überprüft zu haben.

Zu Ihrer ebenfalls mit der Aussage von Herrn R. im Einklang stehenden Angabe, für diese Tätigkeit kein Entgelt erhalten zu haben, ist auszuführen, daß es nach Ansicht der Berufungsbehörde sämtlichen Lebenserfahrungen widerspricht, daß jemand für einen anderen eine derart lange Zeit tätig ist und hiefür kein Entgelt erhält. Die Berufungsbehörde ersieht es als erwiesen an, daß Sie für Ihre Tätigkeit eine entsprechende Entlohnung erhalten haben. Weiters ist in diesem Zusammenhang auch auf den der Rechtsordnung immanenten Begriff des "Anspruchslohnes" zu verweisen. Unter "Anspruchslohn" ist jenes Entgelt zu verstehen, auf das ein Dienstnehmer Anspruch hat, wobei in den Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, zumindest das nach diesen Vereinbarungen zustehende Entgelt bezahlt wird. Bei Ermittlung eines Entgeltes im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a AlVG ist zu beachten, daß der dort verwendete Entgeltbegriff auf die Bestimmung des § 49 Abs. 1 ASVG verweist und jene Bestimmung auf den sogenannten Anspruchslohn abstellt. Daß der ganze Lohn oder ein Lohnanteil, der einem Beschäftigten zusteht, tatsächlich nicht ausbezahlt wird, ist dabei unbeachtlich. Die Behörde hat hiebei Ermittlungen durchzuführen, in welcher Höhe ein Arbeitsloser tatsächlich Arbeitsentgelt erzielt. Da im gegenständlichen Fall der Kollektivvertrag für das Baugewerbe anzuwenden gewesen wäre und das nach diesem Kollektivvertrag zustehende Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. a-c ASVG liegt, war das Vorliegen von Arbeitslosigkeit zu verneinen.

Zu Ihren Einwendungen ist folgendes auszuführen:

In der Niederschrift vom 12. 6. 1991, auf deren Inhalt Sie auch in Ihrer Berufung verweisen, erklärten Sie, daß Sie den Vorwurf, in der gegenständlichen Zeit auf der Baustelle der Familie R. gearbeitet zu haben, damit entkräften, daß Ihre Tochter in dieser Zeit in Wien im Spital war und Sie sie mindestens 2 - 3 mal in der Woche besucht hätten. Sie gestehen jedoch zu, während Ihrer Arbeitslosigkeit öfters die Baustelle besucht zu haben bzw. dort gewesen zu sein. Bestritten wird von Ihnen jedoch eine manuelle Tätigkeit auf der Baustelle.

In dieser Niederschrift, welche auch Ihr Berufungsvorbringen darstellt, erwähnen Sie mit keinem Wort, in der gegenständlichen Zeit Ihrem Sohn beim Bau eines Einfamilienhauses geholfen zu haben. Die Einwendung, in der gegenständlichen Zeit Ihrem Sohn geholfen zu haben, bringen Sie erstmals in der Niederschrift vom 11. 10. 1991 vor.

Die Berufungsbehörde ersieht in dieser Einwendung eine reine Schutzbehauptung, zumal Sie bis zu diesem Zeitpunkt keine Erwähnung über eine Hilfeleistung für Ihren Sohn in der gegenständlichen Zeit gemacht haben und es äußerst unlogisch ist, eine solche Tatsache nicht bereits bei der ersten Einvernahme und auch nicht in der Berufung einzuwenden.

Zu Ihrem Vorbringen, aus gesundheitlichen Gründen keine manuellen Tätigkeiten durchführen zu können, wird auf die bereits angeführte Feststellung, daß der Begriff "Beschäftigung" nicht nur manuelle Tätigkeiten inkludiert, verwiesen.

Die Berufungsbehörde ersieht es als gegeben an, daß Sie in der verfahrensgegenständlichen Zeit auf der Baustelle der Familie R. gearbeitet haben und hiefür Entgelt bezogen haben, sodaß das Vorliegen von Arbeitslosigkeit zu verneinen war.

Der Zeitraum, für den der Leistungsbezug zu widerrufen war, war deswegen zu ändern, weil bei Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses als Arbeiter an einem Freitag der darauffolgende Samstag und Sonntag der Beschäftigungszeit hinzuzurechnen ist.

Aus den genannten Gründen war der Berufung keine Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Mit dem erstinstanzlichen Bescheid wurde das dem Beschwerdeführer zuerkannte Arbeitslosengeld für die Zeit vom 28. Jänner 1991 bis 18. Mai 1991 widerrufen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes (nach der Aktenlage lediglich für die Zeit vom 28. Jänner 1991 bis 30. April 1991, weil er für die Zeit ab 1. Mai 1991 kein Arbeitslosengeld mehr erhielt) im Betrag von

S 35.778,-- verpflichtet. Durch diese beiden Teilaussprüche wurde für die belangte Behörde als Berufungsbehörde die "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG festgelegt. Dadurch, daß sie auch das dem Beschwerdeführer für den 19. und 20. Mai 1991 zuerkannte Arbeitslosengeld widerrufen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid - wegen der insofern außerhalb der "Sache" ergangenen Entscheidung - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit; er war deshalb in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2) Was hingegen den Widerruf des zuerkannten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 28. Jänner 1991 bis 18. Mai 1991 und die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Rückzahlung des für die Zeit vom 28. Jänner 1991 bis 30. April 1991 empfangenen Arbeitslosengeldes betrifft, ist der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Gründen mit relevanten Verfahrensmängeln behaftet:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, und vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0131, mit weiteren Judikaturhinweisen) setzt die Annahme der (gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erforderlichen) Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG voraus, daß einerseits - sieht man von den im Beschwerdefall nicht relevanten Bestimmungen der Abs. 7 und 8 des § 12 leg. cit. ab - das Beschäftigungsverhältnis des Anspruchswerbers, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpft, beendet ist, und andererseits weder ein Fall des § 12 Abs. 3 lit. c, e oder f AlVG vorliegt noch der Anspruchswerber eine (nicht unter einen der Tatbestände des § 12 Abs. 6 AlVG fallende) neue Beschäftigung gefunden hat.

Da der Aufzählung der Tatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG nur veranschaulichende Bedeutung für die Definition der Arbeitslosigkeit durch § 12 Abs. 1 leg. cit. zukommt (arg. "insbesondere"), fallen unter den Begriff "Beschäftigung" im Sinne des zuletzt genannten Absatzes nicht nur, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde meint, die in § 12 Abs. 3 lit. a, b und d leg. cit. angeführten Tätigkeiten. Unter einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ist vielmehr jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG letztlich Erwerbszwecken dienende) Tätigkeit zu verstehen, der zwar ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG (das ist ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG) zugrunde liegen kann, aber nicht muß.

Unter einem (aus einer Beschäftigung im eben dargestellten Sinn erwachsenden) Erwerbseinkommen ist dabei in den Fällen, in denen ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG vorliegt, das Entgelt nach § 49 ASVG gemeint, also Geld- und Sachbezüge, auf die der Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüberhinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält; übersteigt dieses Entgelt die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge, so gilt der Anspruchswerber nicht als arbeitslos; andernfalls ist er nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG als arbeitslos anzusehen. Eine Beschäftigung im angeführten Sinn ist aber auch dann nicht gegeben, wenn ihr zwar ein Dienstverhältnis im Sinne des § 1151 ABGB zugrunde liegt, aber, was im Prinzip möglich und zulässig ist, Unentgeltlichkeit vereinbart und auch tatsächlich kein Entgelt bezahlt wurde (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 25. September 1990, Zl. 89/08/0334, und vom 27. April 1993, Zl. 93/08/0007).

Liegt aber der Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG kein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG zugrunde, so sind unter dem Erwerbseinkommen die aus dieser Beschäftigung erzielten (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG fiktiven) Einkünfte in Geld- oder Güterform zu verstehen. Bei solchen nicht in persönlicher Abhängigkeit erbrachten Arbeitsleistungen kommt dann, wenn die Tätigkeit - wie im Beschwerdefall - einen Monat übersteigt, als Maßstab dafür, ob die erzielten Einkünfte geringfügig im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. a, c und d AlVG sind, von vornherein nur § 5 Abs. 2 lit. c ASVG (also die jeweils monatliche Geringfügigkeitsgrenze) in Betracht.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den Widerruf des ihm für die Zeit vom 28. Jänner bis 18. Mai 1991 zuerkannten Arbeitslosengeldes - auf das wesentliche zusammengefaßt - ein:

Die belangte Behörde habe den Einwand des Beschwerdeführers, völlig unentgeltlich ausgeholfen zu haben, mit dem Hinweis abgetan, es widerspreche der Lebenserfahrung, wenn jemand durch längere Zeit für einen anderen Arbeit leiste und dafür kein Entgelt erhalte. Es scheine, als kenne die belangte Behörde nicht die Lebensrealität. Wenn es heute in Österreich einen breit gestreuten Wohlstand gebe und auch die Bevölkerungsschichten mit einem relativ geringen Einkommen Eigenheime besäßen, so sei dies nicht nur durch die staatliche Wohnbauförderung, sondern vor allem durch den selbstlosen Arbeitseinsatz von Verwandten und Bekannten möglich gewesen, die in wechselseitiger Hilfeleistung ihre Arbeitskraft und ihr berufliches Wissen zur Verfügung gestellt hätten. Um eine Arbeitsleistung als Erwerbstätigkeit qualifizieren zu können, müsse eine vertragliche Verpflichtung vorliegen, die im Falle der unselbständigen Tätigkeit eine wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers vom Bauherrn voraussetze bzw. bei selbständiger Erwerbstätigkeit dem Beschwerdeführer eine Erfolgshaftung auferlege. Weder das eine noch das andere sei jemals behauptet worden und habe auch von der belangten Behörde nicht durch entsprechende Beweismittel erhärtet werden können. Völlig irreal sei auch die Unterstellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe ab 28. Jänner 1991 durchgehend von Montag bis Samstag auf der Baustelle des Herrn R. gearbeitet. Dem stehe unter anderem entgegen, daß Bauarbeiten saison- und witterungsbedingt anfielen, zur selben Zeit die Tochter des Beschwerdeführers in Wien im Spital gelegen und von ihm regelmäßig besucht worden sei und schließlich der eigene Sohn ebenfalls ein Eigenheim errichtet habe und auf die Hilfe seines Vaters angewiesen gewesen sei. Aber selbst wenn man - der Argumentation der belangten Behörde folgend - eine Erwerbstätigkeit unterstelle, könne keine "Vollzeitbeschäftigung" (mit einem die Geringfügigkeitsgrenzen des § 5 lit. a bis c ASVG übersteigenden Erwerbseinkommen) angenommen werden. Die belangte Behörde hätte daher genau den Lohn anzugeben gehabt, den sie als "Anspruchslohn" angenommen habe. Die Behauptung, es wäre nach dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe ein höherer Lohn zugestanden, sei einerseits zu unbestimmt und stehe außerdem mit der Argumentation der belangten Behörde in Widerspruch, in der dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe keine manuelle Arbeit geleistet, entgegengehalten werde, daß auch geistige Arbeit im Sinne von Aufsicht und Kontrolle Arbeit sei. In diesem Fall wäre es aber höhere, nicht kaufmännische Dienstleistung eines Angestellten oder aber selbständige Arbeit eines Gewerbetreibenden gewesen. Die belangte Behörde hätte daher den fiktiven Entgeltanspruch einer dieser Personen angeben müssen, um die Bescheidbegründung nachvollziehbar zu machen.

Zu diesen Einwänden ist vorerst in rechtlicher Hinsicht zu bemerken, daß es nach den obigen Darlegungen nicht auf die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Alternative (Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG oder selbständige Erwerbstätigkeit) ankommt; wesentlich für die Beurteilung seiner Arbeitslosigkeit im relevanten Zeitraum ist vielmehr, ob er in diesem Zeitraum von der "Familie R." im obgenannten Sinn mit einem die Geringfügigkeitsgrenze übersteigenden Erwerbseinkommen beschäftigt wurde.

Bei der (vor diesem rechtlichen Hintergrund vorzunehmenden) Beurteilung der Beschwerdeeinwände ist davon auszugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof zwar bei einer Bescheidbeschwerde gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid grundsätzlich aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu überprüfen hat. Diese Bindung an den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt besteht aber nicht, wenn der Sachverhalt in einem Punkt aktenwidrig angenommen wurde, er in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf oder wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Auch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8.619/A). Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. zuletzt etwa das schon genannte Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 93/08/0007).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Bescheid schon deshalb mangelhaft, weil die belangte Behörde die entscheidende Feststellung, der Beschwerdeführer sei mit einem die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG übersteigenden Erwerbseinkommen beschäftigt gewesen, ausschließlich damit begründet, er habe in dieser Beschäftigung als Dienstnehmer nach dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe einen Anspruch auf Entgelt über der genannten Geringfügigkeitsgrenze gehabt, ohne aufzuzeigen, aus welchen Gründen sie annimmt, es sei der Beschäftigung des Beschwerdeführers ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zugrunde gelegen. Für eine solche Annahme bieten die übrigen Feststellungen der belangten Behörde (unabhängig von ihrer Schlüssigkeit und Mängelfreiheit) keinen Anhaltspunkt. Denn selbst wenn der Beschwerdeführer nach Beendigung seines arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zur Firma S über Ersuchen seines langjährigen Bekannten bei dessen Hausbau durch einige Monate hindurch bis zur Wiederbegründung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma S seine Fachkenntnisse in der Form der festgestellten Bauaufsicht bei teilweiser manueller Mitarbeit, und zwar täglich, sofern es die Witterungsbedingungen erlaubten, zur Verfügung gestellt hätte (daß der Beschwerdeführer jeweils von 07.00 bis 18.00 Uhr tätig gewesen sei, hat die belangte Behörde nicht festgestellt), folgte daraus allein noch nicht, daß dadurch ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nach § 4 Abs. 2 ASVG begründet wurde. Daraus könnte nicht einmal ohne weiteres gefolgert werden, daß dadurch ein freies Dienstverhältnis zustande kam, aus dem (sofern man die Beweiswürdigung der belangten Behörde über eine fehlende Unentgeltlichkeitsvereinbarung für schlüssig erachtete) ihm in analoger Anwendung des § 1152 ABGB (vgl. Krejci in Rummel2, Rz 2 zu § 1152) ein Anspruch auf ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG (das war im Jahre 1991 S 2.772,--) übersteigendes Entgelt zustand. Diesen Verfahrensmängeln käme dann keine Bedeutung zu, wenn die belangte Behörde schlüssig und mängelfrei dargelegt hätte, daß der Beschwerdeführer die von ihr als erwiesen angenommene "entsprechende Entlohnung" auch tatsächlich erhalten und diese Entlohnung die mehrfach genannte Geringfügigkeitsgrenze überschritten hat. Dies ist aber nicht der Fall: Denn die belangte Behörde hat weder ausdrücklich festgestellt, daß sie mit "entsprechend" eine solche Entlohnung meint, noch, falls man ein solches Verständnis unterstellen könnte, eine Begründung dafür gegeben. Aus der festgestellten Tätigkeit allein kann jedenfalls derartiges nicht schlüssig abgeleitet werden.

Schon aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid, soweit er den Widerruf des zuerkannten Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 28. Jänner bis 18. Mai 1991 und die Verpflichtung zum Rückersatz betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht Vertragsrecht Entgelt Begriff Sachverhalt Beweiswürdigung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080036.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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