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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Dezember 1991, Zl. IIb2-V-8908/5-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Sch vom 2. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 9. Juni 1990 um 1.50 Uhr in S an einem bestimmten Ort geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw zu diesem Ort gelenkt habe, auf Grund des Vorliegens von Symptomen einer Alkoholisierung vermutet habe werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe und er von einem ermächtigten Organ der Straßenaufsicht zur Durchführung der Atemluftuntersuchung aufgefordert worden sei. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 leg. cit. begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. Dezember 1991 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Berufungserkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet in der Beschwerde, wie schon im Verwaltungsstrafverfahren, den in Rede stehenden Pkw zur fraglichen Zeit gelenkt zu haben und macht geltend, nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sei davon auszugehen, daß die beiden Meldungsleger H. und R. nicht wahrnehmen konnten, wer den gegenständlichen Pkw gelenkt habe, zumal der Beschwerdeführer den Nachweis erbracht habe, daß die Beleuchtungsverhältnisse derart gewesen seien, daß völlige Dunkelheit herrschte; zu Unrecht habe die belangte Behörde den Zeuginnen R. und S. keinen Glauben geschenkt, aus deren Aussagen sich ergeben habe, daß eine Verfolgung und der Sichtkontakt zum in Frage stehenden Pkw gar nicht aufgenommen werden konnte und auch die Person des Lenkers und "eines hinten Sitzenden" nicht festzustellen war. Auch durch die Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers, gegen die ein Strafverfahren wegen Verdachts der falschen Beweisaussage im Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, die nunmehr jedoch von dem wider sie erhobenen Vorwurf rechtskräftig freigesprochen worden sei, sowie durch die Aussagen der in diesem Strafverfahren vernommenen Personen seien die Aussagen der beiden Meldungsleger widerlegt.
Damit bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dessen Kontrollbefugnis nur insofern unterliegt, als zu prüfen ist, ob der ermittelte Sachverhalt vollständig und die Beweiswürdigung schlüssig ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1990, Zl. 89/02/0195). Auch unter dieser Einschränkung hält der angefochtene Bescheid einer Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit jedoch nicht stand.
Die belangte Behörde ging nach der maßgeblichen Begründung des angefochtenen Bescheides insbesondere von den Aussagen der Zeugen R und H aus, die angaben, daß sie, sich etwa auf Höhe des Feuerwehrhauses befindend, beobachten konnten, daß der Beschwerdeführer sein Fahrzeug an ihnen vorbeigelenkt habe. Beide Meldungsleger hätten auch übereinstimmend angegeben, daß sich im genannten Fahrzeug nur eine Person - nämlich der Beschwerdeführer - befunden habe. Als die beiden Beamten vor dem Haus angelangt seien, sei der Beschwerdeführer allein bei offener Fahrertüre neben seinem Auto gestanden und habe sich bei der Türe angehalten. Auf Grund der Feststellung des Richters im Zuge des Lokalaugenscheines stehe "jedoch" als erwiesen fest, daß es bei gleichen örtlichen und zeitlichen Bedingungen für einen Betrachter durchaus möglich gewesen sei, die Anzahl der sich im Auto befindlichen Personen exakt festzustellen.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erweist sich hiebei insofern als mangelhaft, als sie es unterließ, sich mit ALLEN Beweisergebnissen auseinanderzusetzen. Sie ist nämlich nicht auf das ihr vorliegende Schreiben der Fa. X-GmbH & Co KG vom 5. August 1991, dem der Beschwerdeführer noch eine Skizze der örtlichen Verhältnisse beigeschlossen hatte, eingegangen. Aus diesen Urkunden kann abgeleitet werden, daß die Straßenbeleuchtung auf dem Weg, den der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug nahm, zwischen den Häusern Y und Z im Juli 1989 abmontiert und keine provisorische Beleuchtung montiert wurde; im Hinblick darauf, daß der Zeuge R beim gerichtlichen Lokalaugenschein von einem "Leuchtbalken" sprach, der sich offenbar zwischen diesen Häusern befunden hätte, und aufgrund dessen er die entscheidende Wahrnehmung machen habe können, wäre eine genaue Abklärung der Beleuchtungsverhältnisse erforderlich gewesen (zumal sich aus den Zeugenaussagen im gerichtlichen Verfahren vom 14. Oktober 1992 - nach Zustellung des angefochtenen Bescheides - ergibt, daß der Leuchtbalken im Juni 1990 nicht mehr vorhanden war).
Insoweit die belangte Behörde hinsichtlich der Wahrnehmungsmöglichkeit auf den Lokalaugenschein im gerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die "gleichen örtlichen und zeitlichen Bedingungen" abstellt, ist ihr entgegenzuhalten, daß dies dem Inhalt des Protokolls über diesen Lokalaugenschein vom 10. Juli 1991 widerspricht, woraus hervorgeht, daß sich die örtlichen Verhältnisse und insbesondere die Verhältnisse hinsichtlich der Straßenbeleuchtung zwischenzeitig geändert hatten. Eingehende Feststellungen zur "Verfolgungsfahrt" der Meldungsleger und zur exakten zeitlichen Abfolge der Ereignisse bis zur Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Ablegung der Atemluftprobe fehlen zur Gänze.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren. Darüber hinaus ist der Schriftsatzaufwand nur einmal zuzusprechen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992030031.X00Im RIS seit
12.06.2001