TE Vwgh Beschluss 1993/6/23 92/15/0097

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Veröffentlicht am 23.06.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
37/02 Kreditwesen;

Norm

BAO §93 Abs2;
FinStrG §202;
FinStrG §212 Abs1;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §33 Abs2;
FinStrG §54 Abs5;
FinStrG §82 Abs3;
FinStrG §83 Abs1;
KWG 1979 §23 Abs2 Z1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, in der Beschwerdesache des H in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 7. April 1992, Zl. 1/3-GA6-DMe/92, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Anschluß an eine beim Beschwerdeführer durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung erstattete die Finanzstrafbehörde erster Instanz am 12. November 1990 bei der Staatsanwaltschaft S. gegen den Beschwerdeführer Anzeige wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG. Nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen der Finanzvergehen der teils versuchten, teils vollendeten Abgabenhinterziehung nach den §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG und der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (strafbestimmender Wertbetrag: insgesamt S 1,066.854,--). Im Verfahrensstadium der (fortgesetzten) Hauptverhandlung stellte die Ratskammer des Landesgerichtes S. mit dem am 22. Jänner 1992 in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschluß gemäß § 212 Abs. 1 in Verbindung mit § 202 FinStrG fest, daß das Gericht zur Ahndung der Tat als Finanzvergehen nicht zuständig sei. Die Ratskammer vertrat dabei die Auffassung, im Hinblick auf das Urteil eines verstärkten Senates des OGH vom 21. November 1991, 14 Os 127/90, sei nunmehr davon auszugehen, daß das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG zu jenem nach § 33 Abs. 1 leg. cit. - gleiche Zeiträume und Abgaben betreffend - eine straflose Vortat darstelle; nach dieser neuen Rechtsprechung sei im vorliegenden Fall nur noch von einem strafbestimmenden Wertbetrag von S 606.481,-- auszugehen.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1992, der dem Beschwerdeführer am 30. Jänner 1992 zugestellt wurde, sprach das Finanzamt aus, gegen den Beschwerdeführer werde gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß er unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1984 und unrichtiger Einkommens- und Gewerbesteuererklärungen für 1981 (näher bezifferte) Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, von zusammen S 578.790,-- verkürzt sowie Umsatzsteuer 1984 in der Höhe von S 27.691,-- zu verkürzen versucht und hiemit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1, zum Teil in Verbindung mit § 13, FinStrG begangen habe. In der Begründung legte das Finanzamt - neben Hinweisen auf den Gang des Abgabenverfahrens und Ausführungen zur subjektiven Tatseite - dar, die Verfahrenseinleitung habe in Fortsetzung des Verfahrens vor dem Landesgericht S. auf Grund der von der Ratskammer getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung zu erfolgen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die (als "Berufung" bezeichnete) Beschwerde. Er vertrat unter anderem die Auffassung, der Einleitungsbeschluß hätte nicht vor Eintritt der Rechtskraft der Unzuständigkeitsentscheidung ergehen dürfen; dieser Mangel sei durch den späteren Eintritt der Rechtskraft nicht saniert worden. Der Einleitungsbescheid nehme auf die im gerichtlichen Strafverfahren erhobenen und angebotenen Beweise nicht hinreichend Bedacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz die Beschwerde als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges vertrat sie die Auffassung, der Beschwerdeführer sei durch Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vor Eintritt der Rechtskraft der Unzuständigkeitsentscheidung des Gerichtes nicht beschwert, weil die Rechtskraft mangels Erhebung eines Rechtsmittels in der Folge eingetreten sei und auch nach Eintritt der Rechtskraft keine andere Entscheidung hätte ergehen können. Unter näherer Darlegung der Verdachtsgründe vertrat die belangte Behörde weiters die Auffassung, daß sowohl hinsichtlich der objektiven als auch der subjektiven Tatseite ein (für die Einleitung eines Strafverfahrens) hinreichender Verdacht einer Abgabenhinterziehung bestünde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Eine Beschwerde ist nach § 34 Abs. 1 VwGG mangels Beschwerdeberechtigung immer dann zurückzuweisen, wenn der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid - unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit - in keinem Recht verletzt sein kann; ein solcher Fall liegt hier vor.

Gemäß § 82 Abs. 1 erster Satz FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Gemäß Abs. 2 der zitierten Vorschrift hat die Finanzstrafbehörde das Finanzvergehen ungesäumt der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, wenn die Prüfung ergibt, daß für die Durchführung des Strafverfahrens das Gericht zuständig ist. Nach Abs. 3 der zitierten Vorschrift hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten, wenn die Prüfung gemäß Abs. 1 ergibt, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt. Von der Einleitung eines Strafverfahrens hat die Finanzstrafbehörde hingegen in den in Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. angeführten Fällen abzusehen. Gemäß § 83 Abs. 1 FinStrG ist die Einleitung des Strafverfahrens aktenkundig zu machen; nach Abs. 2 erster Satz der zitierten Vorschrift ist der Verdächtige unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich von der Einleitung des Strafverfahrens zu verständigen. Der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wegen vorsätzlicher Abgabenhinterziehung kommt normative Wirkung und damit Bescheidcharakter zu (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1990, Zl. 89/13/0237, und vom 14. Februar 1991, Zl. 90/16/0210).

Eine Verfahrenskonstellation, in der die Finanzstrafbehörde erster Instanz im Sinne des § 82 Abs. 3 erster Satz FinStrG mit der Erlassung eines Einleitungsbescheides vorzugehen hat, liegt somit dann vor, wenn die nach § 82 Abs. 1 leg. cit. vorzunehmende Prüfung ergibt, daß die Durchführung eines Strafverfahrens nicht (im Sinne des Abs. 2 leg. cit.) in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt und auch nicht (im Sinne des Abs. 3 zweiter Satz leg. cit.) von der Einleitung eines Strafverfahrens abzusehen ist. Eine solche Verfahrenskonstellation war im Beschwerdefall (im Zeitpunkt der Erlassung des Einleitungsbescheides) jedoch nicht gegeben; vielmehr war hier - nachdem die Finanzstrafbehörde seinerzeit nach § 82 Abs. 2 FinStrG vorgegangen und die Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet hatte - eine Unzuständigkeitsentscheidung des Gerichtes ergangen.

Für diesen Fall normiert § 54 Abs. 5 FinStrG erster Satz:

"Wird das gerichtliche Verfahren rechtskräftig durch eine Entscheidung, die auf der Ablehnung der Zuständigkeit beruht (Unzuständigkeitsentscheidung), beendet, so hat die Finanzstrafbehörde das Finanzstrafverfahren fortzusetzen; einer Bestrafung darf aber kein höherer strafbestimmender Wertbetrag zugrunde gelegt werden, als er der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit entspricht."

Das Gesetz sieht für den hier vorliegenden Fall somit keine (im Grunde des § 82 Abs. 3 erster Satz in Verbindung mit § 83 Abs. 1 und 2 FinStrG - mit normativer Wirkung - ergehende) Verständigung von der Einleitung des Strafverfahrens vor. Die - von der "Einleitung" eines Strafverfahrens bei der Finanzstrafbehörde im Sinne des § 82 Abs. 3 erster Satz FinStrG schon begrifflich zu unterscheidende - "Fortsetzung" desselben nach Ergehen einer Unzuständigkeitsentscheidung des Gerichtes im Sinne des § 54 Abs. 5 FinStrG hat vielmehr formlos zu erfolgen (vgl. Fellner, Finanzstrafgesetz, § 54, Rz 10); es bedarf keines Bescheides (vgl. Sommergruber-Reger, Das Finanzstrafgesetz II, 358).

Für einen Fall wie den vorliegenden, in dem der Beschwerdeführer in den Anklagestand versetzt worden war (und somit die - im konkreten Fall nicht wahrgenommene - Gelegenheit zur Erhebung eines Einspruches gegen die Anklageschrift im Sinne der §§ 208 StPO gegeben war) besteht auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes kein Anlaß, eine - im Fehlen der Anordnung, einen Einleitungsbescheid zu erlassen, gelegene - unbeabsichtigte Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung anzunehmen. Zur Klarstellung sei bemerkt, daß ein (nach Versetzung in den Anklagestand und Ergehen einer gerichtlichen Unzuständigkeitsentscheidung) gemäß § 54 Abs. 5 FinStrG fortgesetztes Strafverfahren ein "eingeleitetes Strafverfahren" im Sinne des § 23 Abs. 2 Z. 1 KWG darstellt.

Die Erlassung eines Bescheides mit dem Inhalt, daß das Verfahren gemäß § 54 Abs. 5 FinStrG fortgesetzt werde, war somit im Hinblick auf die zwingende Anordnung der genannten Vorschriften entbehrlich. Die Erlassung des vorliegenden, auf § 83 Abs. 1 (offenbar in Verbindung mit § 82 Abs. 3 erster Satz (FinStrG) gegründeten Einleitungsbescheides war im Beschwerdefall verfehlt, weil kein Anwendungsfall der zuletzt zitierten Vorschriften - und überhaupt kein Fall der "Einleitung" eines Strafverfahrens - vorlag.

Durch den angefochtenen Bescheid konnte der Beschwerdeführer aber in einem subjektiv-öffentlichen Recht - insbesondere dem Recht, daß gegen ihn kein Finanzstrafverfahren eingeleitet werde - nicht verletzt werden; denn der Bescheid erging in einem Verfahrensstadium, in dem das Strafverfahren (längst) anhängig und kraft zwingender gesetzlicher Anordnung bei der Finanzstrafbehörde fortzusetzen war; die Frage, ob ein Verfahren "einzuleiten" sei, konnte sich daher nicht stellen. Im vorliegenden Verfahrensstadium kam ein Eingriff in Rechte des Beschwerdeführers durch einen "Einleitungsbescheid" somit nicht in Betracht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung und öffentliche Verwaltung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992150097.X00

Im RIS seit

19.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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