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L37169 Kanalabgabe Wien;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde der K-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 10. Dezember 1991, Zl. MD-VfR - F 2/91, F 8 u. 9/91, betreffend Abwassergebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, das ist in seinem Spruchpunkt I. (Abgabenzeiträume 1. Jänner bis 31. Dezember 1986 und 1. Jänner bis 31. Dezember 1987) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Am 25. Jänner 1985 richtete die Beschwerdeführerin an den Magistrat der Stadt Wien, MA 4, Referat 6, folgendes Schreiben:
"Sehr geehrte Herren,
wir haben die Kaltwasserversorgung unseres Hausbrunnens umgestellt. Ab 1.2.1985 verwenden wir das Brunnenwasser nur noch für Kühlzwecke. Das Kühlwasser wird zu 100 % in unsere beiden Sickergruben der Erde zurückgeführt.
Wir ersuchen Sie daher, das Wasser unseres Hausbrunnens von der Kanalabgabe zu befreien ..."
In einem weiteren Schreiben der Beschwerdeführerin an den Magistrat der Stadt Wien vom 4. Oktober 1989 heißt es:
"In der Beilage übersenden wir Ihnen die Aufzeichnung für das Jahr 1986, und ersuchen um Herabsetzung der Abwassergebühr (endgültige Festsetzung) ..."
Ein gleichartiges Schreiben richtete die Beschwerdeführerin am selben Tage auch betreffend das Jahr 1987 an den Magistrat der Stadt Wien.
Mit Bescheid vom 23. November 1989 wies der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4, Referat 6, den Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. Oktober 1989, die für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1986 vorgeschriebene Abwassergebühr herabzusetzen, "gemäß § 13 Abs. 1 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978, LGBl. für Wien Nr. 2/1978, in der derzeit geltenden Fassung" (Wr KKG) zurück und setzte gleichzeitig die bisher mit S 96.360,-- vorläufig festgesetzte Abwassergebühr endgültig mit S 824.472,-- fest.
Mit weiterem Bescheid vom selben Tage wies der Magistrat der Stadt Wien auch den Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. Oktober 1989 auf Herabsetzung der Abwassergebühr für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1987 zurück und setzte gleichzeitig die bisher für diesen Zeitraum mit S 94.272,-- vorläufig festgesetzte Abwassergebühr endgültig mit S 785.600,-- fest.
Gegen diese beiden Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte darin im wesentlichen vor, im Betrieb der Beschwerdeführerin gelange sowohl Leitungs- als auch Brunnenwasser zur Verwendung. Das Brunnenwasser diene primär und weitaus überwiegend lediglich der Kühlung und werde im Anschluß an diese Verwendung nicht in das Kanalnetz eingeleitet, sondern versickere. Lediglich ein Teil dieses Kühlwassers werde in einer Waschanlage verwendet, (nur) das dabei abfallende Abwasser werde dann in das Kanalnetz eingeleitet. Diese Umstände seien der Behörde bekannt und aktenkundig. Die Beschwerdeführerin habe lange vor den nunmehr gegenständlichen Jahren im Hinblick auf die Konfiguration ihrer innerbetrieblichen Wasserver- und -entsorgungsanlage den Antrag gestellt, die in diesem Sinne nicht in den Kanal eingeleiteten Wassermengen bei der Ermittlung der Abwassergebühr außer Ansatz zu lassen und die Abwassergebühr entsprechend herabzusetzen. Die diesbezüglichen Anspruchsvoraussetzungen lägen sowohl prozentuell als auch absolut vor. Prüfungsfähige Unterlagen seien gleichfalls vorhanden und laufend von der Behörde überprüft worden. In den Jahren vor den gegenständlichen seien die Unterlagen jeweils gesondert der Behörde vorgelegt und allenfalls erforderliche weitere Unterlagen von der Behörde erforderlichenfalls abgefordert worden. Im März 1987 sei seitens der Behörde der Beschwerdeführerin erklärt worden, daß eine unaufgeforderte Einreichung von Unterlagen bis auf weiteres (also bis zu einer entsprechenden Abforderung durch die Behörde) nicht erforderlich sei. Tatsächlich seien auch die Abwassergebühren vorläufig weiterhin mit einem im Sinne des § 13 Abs. 1 Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetz 1978 reduzierten Betrag vorgeschrieben worden. Erst im Herbst 1989 sei seitens der Magistratsabteilung 4 die Einbringung der Unterlagen verlangt worden. Dem habe die Beschwerdeführerin auch sofort mit Antrag vom 4. Oktober 1989 für die Jahre 1986 und 1987 entsprochen.
In rechtlicher Hinsicht brachte die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vor, das Gesetz sehe lediglich einen Zeitpunkt vor, zu dem spätestens ein Antrag auf Herabsetzung der Abwassergebühr gestellt werden müsse, verhindere jedoch nicht, daß ein derartiger Antrag bereits früher gestellt werde und daß ein derartiger Antrag für jedes Kalenderjahr gesondert gestellt werden müsse. Die Beschwerdeführerin habe bereits vor dem 1. Jänner 1986 Anträge, die nicht in den Kanal eingeleiteten Wassermengen von der Kanalgebühr in Abzug zu bringen, gestellt. Es sei daher unzutreffend, wenn die beiden Bescheide vom 23. November 1989 davon ausgingen, daß die Beschwerdeführerin erst am 4. Oktober 1989 derartige Anträge eingebracht hätte. Die Abgabenbehörde erster Instanz hätte daher die Anträge nicht als verspätet zurückweisen dürfen, sondern die nicht in den Kanal eingeleiteten Mengen aus der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Abwassergebühr ausscheiden müssen.
In ihrem nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung erstatteten Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin noch vor, sie habe vor Ende 1987 mehrfach auch auf nicht bestimmte Jahre bezogene Herabsetzungsanträge gestellt, soweit ersichtlich zuletzt mit dem (oben zitierten) Schreiben vom 25. Jänner 1985. Dieser Antrag beziehe sich auf alle Zeiträume nach dem 1. Februar 1985, somit insbesondere auch auf die Jahre 1986 und 1987. Am 4. Oktober 1989 seien lediglich die Unterlagen für die Jahre 1986 und 1987 - über unrichtige Rechtsauskunft der Behörde erster Instanz unter gleichzeitiger Formulierung entsprechender (neuer) Herabsetzungsanträge - vorgelegt worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien - soweit für vorliegendes Verfahren noch von Bedeutung - den Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz vom 23. November betreffend den Abgabenzeitraum 1986 dahin, daß im Zusammenhang mit der Abgabenfestsetzung nach den Worten "die bisher" die Wortfolge "für den Zeitraum 1. Jänner 1986 bis 31. Jänner 1986" einzufügen sei. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Antragstellung nach § 13 Abs. 1 Wr KKG hätte für das Jahr 1986 bis 31. Dezember 1987 und für das Jahr 1987 bis 31. Dezember 1988 erfolgen müssen. Die Anträge vom 4. Oktober 1989 seien somit verspätet eingebracht worden. Es liege auf der Hand, daß vor Entstehen der Gebührenschuld bzw. der Feststellung des Umfanges der Nichteinleitung ein tauglicher Antrag nach § 13 Abs. 1 Wr KKG nicht erfolgen könne, weil nach dem Wortlaut des Gesetzes dieser Antrag auf Herabsetzung einer BESTIMMTEN Abwassermenge gerichtet werden müsse. Mit der Eingabe vom 25. Jänner 1985 habe die Beschwerdeführerin den Befreiungstatbestand nach § 12 Abs. 3 Wr KKG geltend gemacht. Dieser sei jedoch deshalb nicht erfüllt, weil sich in der Betriebsanlage ein Brunnen mit Subzähler befinde, welcher primär zur Deckung des Kühlwasserbedarfes diene. Nach erfolgter Kühlung würden die Kühlwässer in einen Sammelschacht geleitet. Aus dem genannten Sammelschacht würden die Wässer entweder zur Versickerung gebracht oder Verbrauchern (Waschmaschine) zugeführt. Die für die Verbraucher (Waschmaschine) notwendigen Wässer würden mittels Subzähler erfaßt und nach erfolgter Verwendung in den Kanal eingeleitet. Die für die Versickerung bestimmten Wässer würden in ein Mischgefäß und von dort in zwei Sickergruben geleitet. Dieser Umstand werde von der Beschwerdeführerin in ihren Berufungsausführungen selbst eingeräumt. Die ziffernmäßige Richtigkeit der festgestellten Abwassermengen und der darauf beruhenden Berechnung der Abwassergebühren betreffend die Eigenwasserversorgung sei von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden.
Gegen diesen Bescheid (im oben wiedergegebenen Umfang) richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach ihrem Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht mit Abwassergebühren für jene Abwassermengen, die in den Kalenderjahren 1986 und 1987 tatsächlich nicht in den öffentlichen Kanal eingeleitet wurden, belastet zu werden, verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid diesbezüglich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des Kanalräumungs- und Kanalgebührengesetzes 1978, LGBl. für Wien Nr. 2 idF. der mit 1. Jänner 1986 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 8/1986 (Wr KKG), lauten:
"Abschnitt II
ABWASSERGEBÜHR
Gebührenpflicht und Ausmaß der Gebühr
§ 11. (1) Der Gebührenpflicht unterliegt die unmittelbare oder mittelbare Einleitung von Abwässern von innerhalb der Stadt Wien gelegenem Grundbesitz (§ 1 Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149) in einen öffentlichen Kanal (Straßenkanal).
(2) Die Abwassergebühr ist nach der Menge des abgegebenen Abwassers zu bemessen und mit einem Betrag je Kubikmeter festzusetzen.
Ermittlung der Abwassermenge
§ 12. (1) In den öffentlichen Kanal abgegeben gelten
1. die von der öffentlichen Wasserversorgung bezogene, nach § 11 des Wasserversorgungsgesetzes 1960, LGBl. für Wien Nr. 10, ermittelte Wassermenge und
2. bei Eigenwasserversorgung die im Wasserrechtsbescheid festgestellte Wassermenge, deren Benutzung eingeräumt wurde (§ 111 Wasserrechtsgesetz 1959).
...
(3) Besteht eine Wasserversorgung nach Abs. 1 oder Abs. 2, sind die aus einer zusätzlichen Eigenwasserversorgungsanlage bezogenen Wassermengen bei der Ermittlung der Abwassermenge nicht zu berücksichtigen, wenn diese nachweislich zur Gänze nicht in den öffentlichen Kanal eingeleitet werden.
(4) Der Gebührenschuldner kann bei Eigenwasserversorgung die Anbringung eines Wasserzählers zur Messung der entnommenen Wassermenge beantragen. Die vom Wasserzähler angezeigte Wassermenge gilt in diesen Fällen als in den öffentlichen Kanal abgegeben ...
Herabsetzung der Abwassergebühr
§ 13. (1) Für nach § 12 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, wenn die im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleiteten Abwassermengen 5 vH der für diesen Zeitraum festgestellten Abwassermengen, mindestens jedoch 100 Kubikmeter, übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen.
...
Vorschreibung und Fälligkeit der Gebühren
§ 16. ...
(3) Bescheidmäßig zuerkannte Herabsetzungen gemäß § 13 dieses Gesetzes sind bei der Festsetzung der Teilzahlungen zu berücksichtigen. Wird ein Antrag gemäß § 13 vor Festsetzung der Abwassergebühr eingebracht, so ist die Abwassergebühr zunächst unter Berücksichtigung bescheidmäßig zuerkannter Herabsetzungen vorläufig und nach Entscheidung über den Antrag endgültig festzusetzen ..."
In der Stammfassung des Wr KKG hatte § 13 Abs. 1 wie folgt gelautet:
"§ 13. Für nach § 12 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 4 festgestellte Abwassermengen, die nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, ist über Antrag die Abwassergebühr herabzusetzen, soweit sie
1. im Kalenderjahr oder in einem kürzeren Zeitraum, in dem Teile der festgestellten Abwassermengen nicht in den öffentlichen Kanal gelangen, 200 m3 und
2. 10 v.H. der für den Zeitraum nach Z. 1 festgestellten Abwassermengen
übersteigen und die Nichteinleitung durch prüfungsfähige Unterlagen nachgewiesen wird. Der Antrag ist bei sonstigem Anspruchsverlust für in einem Kalenderjahr nicht eingeleitete Wassermengen bis zum Ende des folgenden Kalenderjahres einzubringen."
Zu Recht bekämpft die Beschwerdeführerin die Auffassung der belangten Behörde, es liege auf der Hand, daß vor Entstehen der Gebührenschuld bzw. der Feststellung des Umfanges der Nichteinleitung ein tauglicher Antrag nach § 13 Abs. 1 Wr KKG nicht erfolgen könne, weil nach dem Wortlaut des Gesetzes dieser Antrag auf Herabsetzung einer BESTIMMTEN Abwassermenge gerichtet werden müsse. Zwar läßt sich aus der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Bestimmung des § 13 Abs. 2 leg. cit. für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle völlig andersartig gelagert sind. Auch vermag die amtswegige Ermittlungspflicht der §§ 89 ff WAO für den Standpunkt der Beschwerdeführerin - entgegen deren Auffassung - nichts beizutragen, weil das Gesetz jedenfalls einen ANTRAG auf Herabsetzung der Abwassergebühr fordert.
Es ist auch richtig, daß, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 90/17/0443, dargetan hat, die Herabsetzung der Gebühr für nicht in den öffentlichen Kanal gelangende Wassermengen die vorangehende Feststellung der tatsächlich entnommenen Wassermengen logisch voraussetzt. Nicht jedoch ist damit gesagt, daß ein darauf abzielender Antrag nicht schon vor Feststellung des Umfanges der Nichteinleitung gestellt werden dürfe, zumal dem Gesetz weder in der Stammnoch in der novellierten Fassung eine solche Einschränkung zu entnehmen ist. Eine Antragstellung vor FESTSETZUNG der Abwassergebühr sieht das Gesetz in seinem § 16 Abs. 3 nunmehr sogar ausdrücklich vor.
Es bestand daher unter dem Blickwinkel einer vermeintlich verfrühten Antragstellung kein Hindernis dagegen, dem oben wiedergegebenen Antrag vom 25. Jänner 1985 grundsätzlich auch für die folgenden Jahre Wirksamkeit zuzuerkennen.
Die belangte Behörde ist auch nicht im Recht, wenn sie die Eingabe vom 25. Jänner 1985 deshalb nicht berücksichtigen will, weil die Beschwerdeführerin damit lediglich den Befreiungstatbestand nach § 12 Abs. 3 Wr KKG geltend gemacht habe. Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin demgegenüber darauf, daß in einem Antrag nach Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle ein solcher nach Abs. 4 als Minus jedenfalls enthalten ist, der erstgenannte gegenüber dem zweitgenannten Antrag also kein Aliud darstellt.
Wenn die belangte Behörde schließlich in ihrer Gegenschrift erstmals die Behauptung aufstellt, die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag vom 25. Jänner 1985 am 15. März 1985 zurückgezogen, ist sie auf die Bestimmungen des § 41 Abs. 1 VwGG zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund DES VON DER BELANGTEN BEHÖRDE ANGENOMMENEN SACHVERHALTES ... zu überprüfen hat. Hat die Behörde einen bestimmten Sachverhalt ihrer Entscheidung nicht zugrundegelegt, dann sind darauf sich beziehende Ausführungen in der Gegenschrift im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen, dies zumal dann, wenn dem Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Gelegenheit geboten worden war, hiezu Stellung zu nehmen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 533 und 561, wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Es kommt aber noch hinzu, daß nach den von der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, insbesondere auch im Vorlageantrag, aufgestellten Behauptungen sie schon VOR dem Schreiben vom 25. Jänner 1985 mehrfach Herabsetzungsanträge gestellt habe, die im Sinne obiger Ausführungen möglicherweise gleichfalls hätten berücksichtigt werden müssen.
In diesem Zusammenhang fällt auch auf, daß die Abgabenbehörde erster Instanz offenbar selbst vom Vorliegen geeigneter Herabsetzungsanträge ausgegangen ist, wenn sie im Sinne des § 16 Abs. 3 Wr KKG die Abwassergebühr zunächst vorläufig festsetzte. Die von der Beschwerdeführerin weiters behauptete Erklärung der Abgabenbehörde erster Instanz vom März 1987, wonach eine unaufgeforderte Einreichung von prüfungsfähigen Unterlagen bis zur entsprechenden Abforderung durch die Abgabenbehörde nicht erforderlich sei, würde freilich - anders als die Beschwerdeführerin meint - wiederum GEGEN ihren Standpunkt sprechen; eine Vorlage der genannten Unterlagen war in der Tat so lange entbehrlich, als KEIN Antrag vorlag. Alle diese Umstände hätten von der belangten Behörde, wäre sie von einer zutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen, geprüft werden müssen.
Soweit die Beschwerdeführerin allerdings die behauptete Erklärung vom März 1987 sowie die Zugrundelegung von "REDUZIERTEN" Abwassermengen in den vorläufigen Abwassergebühren-Vorschreibungen für die Kalenderjahre 1986 und 1987 unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu relevieren scheint, ist ihr die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesem Fragenkomplex entgegenzuhalten. Danach hat der genannte Grundsatz dort seine Grenze, wo die gesetzlichen oder auf der Stufe des Gesetzes stehenden sonstigen Vorschriften ein besonderes Verhalten, sei es der Behörde, sei es der Partei, fordern. Der sich aus Art. 18 Abs. 1 B-VG ergebende Legalitätsgrundsatz ist sohin stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von "Treu und Glauben" (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 5. November 1981, Zlen. 16/2814/80, 16/2909/80, vom 16. September 1982, Zl. 82/16/0022, vom 15. Dezember 1988, Zlen. 88/17/0142,0143, vom 12. Oktober 1989,
Zlen. 88/16/0189,0190, vom selben Tage, Zlen. 88/16/0207,0208, und vom 14. Februar 1991, Zl. 89/16/0218, sowie die dort jeweils angeführte weitere Rechtsprechung). Aber selbst dort, wo vom Verwaltungsgerichtshof die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch im Abgabenrecht bejaht wurde, hat der Gerichtshof betont, daß mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung geschützt wird. So kann etwa die Rechtswidrigkeit der Geltendmachung eines dem Gesetz entsprechenden Abgabenanspruches nicht mit bloßen Auskünften oder Ratschlägen eines Organwalters dargetan werden (Erkenntnisse vom 21. Februar 1979, Zl. 1752/77, vom 22. Oktober 1981, Zl. 81/16/0179 und 0180, und vom 21. Oktober 1982, Zl. 82/16/0032).
Da jedoch die belangte Behörde die Rechtslage im oben aufgezeigten Sinn verkannte und die im Sinne obiger Ausführungen erforderlichen Feststellungen nicht traf, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen mußte. Hiebei konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG aus den dort genannten Gründen von der verlangten Verhandlung abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel) Parteiengehör AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992170058.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008