TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/28 92/10/0068

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Veröffentlicht am 28.06.1993
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Index

L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
L55056 Nationalpark Biosphärenpark Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7 Abs1;
NatSchG Stmk 1976 §6;
NatSchG Stmk 1976 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des C in Z, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Februar 1992, Zl. 6-55/1 Ze 1/6-1992, betreffend Übertretung des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe, wie anläßlich einer Überprüfung der Wasserkraftanlage der C-Gutsverwaltung in Z, am G-Bach durch Ing. F, Fachstelle Naturschutz, am 9. Februar 1989 festgestellt worden sei, dem Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Dezember 1985, Zl. 6-375/III Ze 16/4-1985 nicht entsprochen, da er nicht dafür gesorgt habe, daß die im Projekt vorgeschriebene Restwassermenge von 625 l/sec für die Ausleitungsstrecke am G-Bach und von 20 l/sec am P-Bach eingehalten worden sei, da am 9. Februar 1989 ca. 100 l/sec Wasser abgegeben worden seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 33 Abs. 1 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 (in der Folge: Stmk NSchG 1976) verletzt. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 75.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Wochen) verhängt. In der Begründung wird ausgeführt, mit Bescheid vom 18. Dezember 1985 sei die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wasserkraftanlage am G-Bach unter mehreren Auflagen erteilt worden. Im bewilligten Projekt sei eine Restwassermenge von 625 l/sec für die Ausleitungsstrecke am G-Bach ganzjährig vorgesehen, für den P-Bach 20 l/sec. Rechtlich bedeute dies, daß das Projekt unter den vorstehenden Restwassermengen bewilligt worden sei. Diese seien gemäß dem Bewilligungsbescheid abzugeben. Wenn die Wasserführung des Baches weniger Wasser aufweise, als an Restwasser vorgesehen sei, so sei gemäß der rechtlichen Verpflichtung des Bescheides das gesamte Wasserdargebot abzugeben und dürfe kein Wasser für den Betrieb der Wasserkraftanlage entnommen werden.

Am 29. Dezember 1988 sei die Kraftwerksanlage C am G-Bach von der Landesnaturschutzbehörde wie auch von einem Amtssachverständigen der Fachstelle Naturschutz überprüft worden. Dabei hätten nachstehende Feststellungen getroffen werden können.

1. Die Kraftwerksanlage sei zur Gänze fertiggestellt und in Betrieb gewesen.

2. Durch die Fischleiter seien ca. 20 bis 40 l/sec Wasser abgeflossen. Die Leiter sei zum Teil sehr stark vereist gewesen.

3. Unmittelbar unterhalb der Wehr wie auch in der Ausleitungsstrecke bis zum Krafthaus habe um ca. 10 Uhr des 29. Dezember 1988 beobachtet werden können, daß beinahe überhaupt kein Restwasser abfließe. Augenscheinlich seien ca. 30 bis 40 l/sec über die Sohl-Schwelle geflossen. Von diesem Zustand sei ein Foto gemacht worden.

4. Beim Krafthaus habe wahrgenommen werden können, daß dieses selbst in Betrieb gewesen sei (Summen des Generators, Turbinengeräusche). Aus dem Ausleitungskanal sei eine beträchtliche Menge Wasser geflossen. Auch von diesem Zustand seien Fotos gemacht worden.

5. Um ca. 10.45 Uhr des 29. Dezember 1988 sei nochmals eine Überprüfung erfolgt. Es habe wahrgenommen werden können, daß über die Sohlschwelle ca. 100 l Wasser pro Sekunde abliefen (Beweis: Fotos). Die Wassertiefe an der Sohlschwelle sei gemessen worden. Sie habe einen Stand von ca. 4 bis 5 cm gezeigt.

Eine neuerliche Überprüfung durch einen Amtssachverständigen der Fachstelle Naturschutz am 9. Februar 1989 um 16.50 Uhr habe Nachstehendes erbracht:

1. Die Fischaufstiegshilfe sei funktionslos gewesen, da der Einlauf und das übrige Gerinnebett komplett vereist gewesen seien.

2. Die Sohlschwelle sei überströmt gewesen, ca. 2 cm hoch, Restwassermenge ca. 100 l/sec.

3. Das Kraftwerk sei in Betrieb gewesen.

In weiterer Folge seien weitere Überprüfungen vorgenommen worden; sie hätten jedoch keine Änderungen gegenüber der ersten Erhebung erbracht. Diese Wahrnehmungen seien mittels Fotografien belegt.

Die vorstehenden Feststellungen bedeuteten, daß der Beschwerdeführer zwar über einen längeren Zeitraum ein Restwasser abgegeben, jedoch die bescheidgemäße Verpflichtung zur projektgemäßen Betreibung der Anlage nicht eingehalten habe. Diesbezüglich sei die Menge des beobachteten Restwassers bedeutungslos, weil, wenn schon der G-Bach selbst nicht jene Wassermenge führe, die als Restwassermenge vorgesehen sei, das gesamte vorhandene Wasser in die Ausleitungsstrecke abzugeben sei. Dieser Verpflichtung sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, weswegen der strafbare Tatbestand (der im übrigen ein Dauerdelikt darstelle) eindeutig erwiesen sei.

Die Übertretung am 29. Dezember 1988 sei verjährt (§ 31 Abs. 3 VStG), weswegen diesbezüglich die Einstellung zu verfügen und das Strafausmaß um diesen Teil zu reduzieren gewesen sei.

Eine erneute Überprüfung zu Beginn 1992 habe gezeigt, daß zwar etwas mehr Restwasser (ca. 150 l/sec) abgegeben und das Kraftwerk auch bei Niedrigwasser betrieben werde, jedoch obige Verpflichtung immer noch nicht eingehalten werde.

Der Beschwerdeführer hätte zudem seit 1989 Gelegenheit gehabt, einen entsprechend begründeten Restwassermengen-Änderungsantrag bei der Landesnaturschutzbehörde einzubringen, um die Restwassermengen den wahrscheinlich im Winter nicht gegebenen Abflußverhältnissen anzupassen. Da ein solcher nicht eingebracht worden sei, habe das bewilligte Projekt samt den darin vorgesehenen Restwassermengen nach wie vor Gültigkeit.

Zur Strafe sei auszuführen, daß diese gerechtfertigt erscheine, weil der strafbare Tatbestand über einen längeren Zeitraum hinweg vorgelegen sei.

Abschließend dürfe empfohlen werden, umgehend einen begründeten Antrag auf Abänderung der Restwassermengen sowohl bei der Landesnaturschutzbehörde als auch bei der Wasserrechtsbehörde einzubringen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung und gesetzmäßiges Verfahren verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid stütze sich auf einen Bescheid, in welchem die sogenannte Restwassermenge nicht vorgeschrieben und insbesondere nicht vermerkt sei, daß bei Unterschreitung des Wasserangebotes der Werksbetrieb einzustellen sei.

Nach § 33 Abs. 1 Stmk NSchG 1976 begeht, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung, wer durch Handlungen oder Unterlassungen in den nach diesem Gesetz erlassenen Verordnungen und Verfügungen enthaltenen Geboten oder Verboten zuwiderhandelt.

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Dezember 1985 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 2 lit. b, Abs. 3 lit. b und § 6 Abs. 7 Stmk NSchG die Ausnahmebewilligung für die Errichtung einer Wasserkraftanlage am G-Bach nach Maßgabe der mit dem Sichtvermerk versehenen Planunterlagen und der Vorschreibung einer Reihe von Nebenbestimmungen erteilt. Punkt 1) dieser Nebenbestimmungen schreibt vor, das Bauvorhaben sei entsprechend den eingereichten Projektunterlagen auszuführen. Das genehmigte Projekt sieht vor, daß am G-Bach das ganze Jahr über eine gleichmäßige Pflichtwassermenge (Restwassermenge) in der Größenordnung von 625 l/sec und am Pichlbach von 20 l/sec abgegeben wird. Da sich die naturschutzrechtliche Genehmigung ausdrücklich auf das eingereichte Projekt bezieht, enthält der Bewilligungsbescheid das Gebot, beim Betrieb der Wasserkraftanlage die angeführten Restwassermengen abzugeben, soweit dies möglich ist.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, jener Beamte des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, welcher über die Berufung entschieden habe, habe der in erster Instanz einschreitenden Bezirkshauptmannschaft Judenburg Weisungen über ihr Vorgehen im Verwaltungsstrafverfahren erteilt. Damit werde aber das Wesen eines Rechtsmittels ad absurdum geführt. Wer in erster Instanz voll verantwortlich tätig werde, sei in der zweiten Instanz von der Entscheidung in derselben Sache ausgeschlossen. Die angefochtene Entscheidung sei aus diesem Grund nichtig.

Nach § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG - diese Bestimmung gilt gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren - haben sich Verwaltungsorgane im Berufungsverfahren der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides in unterer Instanz mitgewirkt haben.

Der Befangenheitsgrund der Mitwirkung an einem Bescheid in der Unterinstanz für ein Organ der Berufungsinstanz gilt dann nicht, wenn das Organ nur durch Handhabung des Weisungsrechtes auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung Einfluß genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1951, Slg. N.F. 2199/A.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, die Anlage sei an den Überprüfungstagen effektiv nicht in Betrieb gewesen, sondern das gesamte Wasserangebot sei, soweit technisch möglich, umgeleitet gewesen. Eine totale Umleitung sei nicht möglich; dies müsse aus den Plänen auch den Behördenvertretern ersichtlich gewesen sein. Zwischen den Turbinenblättern ergäbe sich immer ein gewisses Leakage, also eine Leckwirkung, insbesondere wenn sich irgendwelche Hölzer und dgl. verklemmten. Jeder Transformator weise ein deutliches und bei den im Beschwerdefall verwendeten starken Transformatoren auch starkes Dauergeräusch auf. Das Geräusch der Turbine sei hingegen nur bei ganz hohen Drehzahlen, also bei hohem Wasserstand von außen überhaupt zu hören. Die verwendete Turbine sei mit einer Automatik ausgestattet. Sie schalte sich aus, wenn die Wassermenge von 600 l/sec unterschritten werde. Wenngleich die im Akt erliegenden Fotos aus dem Jahr 1988 einen verjährten Fall beträfen, sei aus ihnen doch zu entnehmen, daß aus der Rohrleitung eine ganz bescheidene Wassermenge austrete, nämlich eine durch die technische Beschränkung der Dichtungsmöglichkeit bei einer Turbine bewirkte, die um 170 l/sec ausmachen könne. Wäre die Turbine an den Überprüfungstagen in Betrieb gewesen, hätte sich ein ganz anderes Bild geboten; es hätten sich dann nicht etwa kleine Wellen gebildet, sondern es wäre unterhalb des Abflußrohres ein reißender Strom hervorgerufen worden.

Der Beschwerdeführer hat sich bereits im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens damit gerechtfertigt, es sei - aus den auch in der Beschwerde wiedergegebenen Gründen - technisch nicht möglich, die gesamte Wassermenge in die Ausleitungsstrecke abzugeben, wenn der Bach eine geringere Wasserführung als 625 l/sec aufweise. Die belangte Behörde hat es unterlassen, sich mit diesem - nicht von vornherein als unzutreffend bzw. unbeachtlich erkennbaren - Vorbringen auseinanderzusetzen, wozu es wohl eines Sachverständigen bedurft hätte. Sie hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Zu Recht bemängelt der Beschwerdeführer auch, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides behauptet, eine Überprüfung durch einen Amtssachverständigen der Fachstelle Naturschutz am 9. Februar 1989 um 16.50 Uhr habe ergeben, daß das Kraftwerk in Betrieb gewesen sei, während ein solches Erhebungsergebnis in bezug auf die Überprüfung am 9. Februar 1989 in den dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht aufscheint.

Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

An Beilagen war lediglich eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vorzulegen. Die übrigen Beilagen waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, weshalb für sie auch kein Stempelgebührenersatz zuerkannt werden kann.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100068.X00

Im RIS seit

24.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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