TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/29 93/05/0044

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Veröffentlicht am 29.06.1993
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z3;
BauRallg;
GewO 1973 §77 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1) der ES und 2) des FS in G, beide vertreten durch Dr. T, RA in W, gegen den Bescheid der NÖ LReg vom 14.1.1993, Zl. R/1-V-88204/06, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) Fa. X in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, 2) Stadtgemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 12. März 1992 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung "zur Errichtung einer Einfriedungs- und Schallschutzmauer" auf dem Grundstück Nr. 185/1, EZ 1240, erteilt. Die u.a. von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen wurden, "soweit diese Einwendungen gegen dieses Bauprojekt subjektiv-öffentliche Nachbarrechte betreffen, als unbegründet abgewiesen, alle übrigen als unzulässig zurückgewiesen".

Die dagegen u.a. von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 1. Juli 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Die gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 14. Jänner 1993 gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 als unbegründet abgewiesen.

Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß einem Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1976 nur ein beschränktes Mitspracherecht zustehe. Die Prüfungsbefugnis einer Berufungsbehörde und damit auch der Aufsichtsbehörde sei im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf die Anrainer gemäß § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung 1976 zutreffe, auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht bestehe. Im vorliegenden Fall sei unbestritten, daß die Grundstücke der erstmitbeteiligten Partei und der Beschwerdeführer durch die Bergwerkstraße getrennt seien. Subjektiv-öffentliche Anrainerrechte würden aber im Hinblick auf die Bestimmungen des § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 ein gewisses räumliches Naheverhältnis zur geplanten Baulichkeit voraussetzen. Gerade dieses Naheverhältnis liege nicht vor ("Die geringste Entfernung vom Grundstück" der Beschwerdeführer "zur geplanten Mauer beträgt ca. 50 m."), weshalb die behauptete Verletzung subjektiv-öffentlicher Anrainerrechte nicht vorliege. Auf Grund dieser Rechtslage sei auf die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht einzugehen, weil Nachbarn allfällige Verfahrensmängel nur insoweit geltend machen könnten, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigt würden. Die Aufsichtsbehörde sei daher der Ansicht, daß durch den bekämpften Berufungsbescheid subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt worden seien, weshalb ihre Vorstellung als unbegründet abgewiesen werden müsse.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die erstmitbeteiligte Partei erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer werden zufolge Abs. 9 dieser Gesetzesstelle durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere Bestimmungen über

1. den Brandschutz; 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können; 3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Der Begriff "Anrainer" ist angesichts der Bestimmungen der §§ 92 Abs. 1 Z. 2 (Bewilligungspflicht im Falle der möglichen Verletzung von Nachbarrechten) und 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. so zu verstehen, daß als Anrainer im Sinne des § 118 Abs. 8 leg. cit. nicht nur die unmittelbaren Anrainer (mit denen eine gemeinsame Grenze besteht), sondern die Nachbarn schlechthin Parteistellung genießen. Nachbarschaft in diesem Sinne geht jedenfalls so weit, als die schädlichen Einflüsse, die von dem betreffenden Bauvorhaben ausgehen, wirken können. Auch "räumliche Nähe" (§ 118 Abs. 9 leg. cit.) erweist sich als flexibler Begriff, der nach der offenkundigen Zielsetzung des Gesetzes so weit reicht, wie jene schädliche Auswirkung, zu deren Abwehr eine konkrete Bestimmung in der NÖ Bauordnung enthalten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1978, Slg. N. F. Nr. 9485/A). Wenngleich daher - wie im Beschwerdefall - auch jenseits einer öffentlichen Verkehrsfläche befindliche Anrainer dem Baubewilligungsverfahren beizuziehen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1984, Zl. 83/05/0215, BauSlg. Nr. 201), so ergibt sich daraus noch nicht zwangsläufig die Schlußfolgerung, daß die betreffenden Grundeigentümer durch das den Gegenstand des Bauansuchens bildende Bauvorhaben im Sinne des § 118 Abs. 8 leg. cit. in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Ungeachtet der in einer Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde vorgebrachten Behauptung der Beschwerdeführer, die Entfernung zwischen der geplanten Schallschutzmauer und der Liegenschaftsgrenze der Beschwerdeführer betrage entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht 50 m, "sondern nur ca. 40 m", kann der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, daß hinsichtlich der Beschwerdeführer kein räumliches Naheverhältnis vorliege und sie daher nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Anrainerrechten verletzt werden, zumal nicht zu erkennen ist und in der Beschwerde auch nicht behauptet wird, daß durch die in Rede stehende Mauer, welche nicht nur in erheblicher Entfernung vom Grundstück der Beschwerdeführer errichtet werden, sondern darüberhinaus auch im rechten Winkel dazu stehen soll, subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer im Sinne des § 118 Abs. 9 Z. 1 bis 4 leg. cit. berührt werden. Daß die Beschwerdeführer "diese Mauer genau in ihrem Blick haben, wann immer sie sich im Wohnzimmer bzw. auf der Terrasse aufhalten", vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Den Beschwerdeführern stand daher hinsichtlich der in der Beschwerde vor allem aufgeworfenen Frage der Widmungsmäßigkeit der Mauer sowie des Widerspruches derselben zur bestehenden Bebauung im Sinne des § 120 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. im Baubewilligungsverfahren kein Mitspracherecht zu, weshalb der belangten Behörde kein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Verfahrensmangel angelastet werden kann, wenn sie diese Fragen in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erörtert hat. Ungeachtet dessen soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß bereits im erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1986, Zl. 86/05/0028 (= BauSlg. Nr. 827), hingewiesen worden ist, demzufolge eine Grundstückseinfriedung nicht widmungswidrig sein kann, weil sie an sich keiner bestimmten Widmung entspricht. Auch wenn den Beschwerdeführern, wie sie meinen, "im gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren ein subjektiv-öffentliches Recht auf Beachtung des Standortverbotes gemäß § 77 GewO zukommt", so bedeutet dies nicht, daß sie in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Baubewilligungsverfahren auch dann ein Mitspracherecht hinsichtlich der Frage der Widmungsmäßigkeit des Bauvorhabens besitzen, wenn sie durch dieses im Sinne des § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Der Vorstellung der Beschwerdeführer ist daher mit Recht keine Folge gegeben worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Das Mehrbegehren der Erstmitbeteiligten war abzuweisen, weil an Stempelgebühr für die in zweifacher Ausfertigung vorzulegende Gegenschrift lediglich S 240,-- zuzuerkennen waren.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050044.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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