TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/29 93/11/0047

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Veröffentlicht am 29.06.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs1 lita;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs2;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
KFG 1967 §74 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in S, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. Jänner 1993, Zl. VerkR-390.554/9-1992/Si, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von 24 Monaten vom 20. Juli 1991 an, somit bis 20. Juli 1993, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der bekämpften Entziehungsmaßnahme liegt folgender

Sachverhalt zugrunde: Auf Grund eines Vorfalles vom 19. Juli 1991 wurden in Ansehung des Beschwerdeführers von der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen wegen des Verdachtes der Begehung eines Alkoholdeliktes ein Verwaltungsstrafverfahren und ein Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung (Mandatsbescheid vom 26. Juli 1991) eingeleitet. Am 3. April 1992 beging der Beschwerdeführer ein Alkoholdelikt gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960. Das Verwaltungsstrafverfahren wegen des Vorfalles vom 19. Juli 1991 wurde mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27. Juli 1992 eingestellt. Der Beschwerdeführer weist zwei einschlägige rechtskräftige Vorstrafen aus dem Jahre 1989 auf. Es wurde ihm ferner im Zusammenhang mit einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. b KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Dauer von 18 Monaten bis 20. Mai 1991 entzogen.

Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf das Alkoholdelikt des Beschwerdeführers vom 3. April 1992 als bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. e KFG 1967. Sie zog ferner im Rahmen ihrer Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 die beiden Alkoholdelikte aus dem Jahr 1989 und das Sittlichkeitsdelikt heran. Von der Begehung eines Alkoholdeliktes am 19. Juli 1991 ist die belangte Behörde nicht ausgegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken dagegen, daß gegen den Beschwerdeführer aus Anlaß seines dritten Alkoholdeliktes im Zeitraum von ungefähr drei Jahren eine Maßnahme nach Art und Ausmaß der bekämpften gesetzt wurde. Der Beschwerdeführer ist in Ansehung von Alkoholdelikten ein Wiederholungstäter. Die daraus zu schließende Sinnesart im Sinne des § 66 Abs. 1 lit. a KFG 1967 läßt es geboten erscheinen, den Beschwerdeführer für längere Zeit als 18 Monate vom Lenken eines Kraftfahrzeuges auszuschließen, um während dieser Zeit eine Änderung seiner Sinnesart zu bewirken und unter Beweis stellen zu lassen. Bei einer derart langen Zeit kommt nach § 74 Abs. 1 KFG 1967 eine vorübergehende Entziehung nicht in Betracht.

Das Beschwerdevorbringen vermag daran nichts zu ändern. Die belangte Behörde hat bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend auf den Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens verwiesen, nach dem u. a. die Behörde alle relevanten Sachverhaltselemente, die auch während des Entziehungsverfahrens bis zur Erlassung des Berufungsbescheides verwirklicht werden, zu berücksichtigen hat. Setzt die betreffende Person somit während eines anhängigen Entziehungsverfahrens eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 KFG 1967, dann kann das Entziehungsverfahren auch darauf gegründet fortgesetzt werden, wenn sich herausstellt, daß in dem Umstand, der Anlaß zur Einleitung des Entziehungsverfahrens gegeben hat, keine bestimmte Tatsache zu erblicken sei. Dies gilt auch dann, wenn ein Entziehungsverfahren noch anhängig ist, obwohl eine Frist zur Entscheidung durch die Behörde im Sinne des § 75 Abs. 5 KFG 1967 bereits abgelaufen ist.

Das Beschwerdevorbringen geht auch insofern ins Leere, als es auf die Gründe für eine Verweigerung des Alkotests im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidend ankommt sowie als das Sittlichkeitsdelikt im vorliegenden Entziehungsverfahren nicht als bestimmte Tatsache herangezogen wurde. Im Rahmen der Wertung der im Alkoholdelikt vom 3. April 1992 zu erblickenden bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 durch die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 konnte freilich auf diese strafbare Handlung und die deswegen erfolgte vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung bis 20. Mai 1991 zurückgegriffen werden. Desgleichen durfte berücksichtigt werden, daß der Beschwerdeführer das Alkoholdelikt vom 3. April 1992 zu einem Zeitpunkt begangen hat, in dem ihm die Lenkerberechtigung rechtswirksam entzogen und ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des vermuteten Alkoholdeliktes vom 19. Juli 1991 anhängig war.

Allerdings ist der angefochtene Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit behaftet, als mit ihm die Entziehung der Lenkerberechtigung mit Wirkung vom 20. Juli 1991 an bestätigt wird. Wenn die belangte Behörde auf Grund des Berufungsbescheides des unabhängigen Verwaltungssenates im Verwaltungsstrafverfahren zur Auffassung gelangte, daß der Beschwerdeführer am 19. Juli 1991 kein Alkoholdelikt begangen hat, so durfte sie auch nicht davon ausgehen, daß er von diesem Zeitpunkt an verkehrsunzuverlässig sei. Sie hätte eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers erst von der Begehung des Alkoholdeliktes vom 3. April 1992 an annehmen dürfen und von diesem Zeitpunkt ausgehend ihre Prognose im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 - wann der Beschwerdeführer seine Verkehrszuverlässigkeit frühestens wieder erlangen werde - anstellen dürfen. Dadurch, daß sie aber ohne das Vorliegen einer entsprechenden bestimmten Tatsache in Übereinstimmung mit der Erstbehörde den Beschwerdeführer auch in der Zeit vom 19. Juli 1991 bis zum 3. April 1992 als verkehrsunzuverlässig qualifizierte und die von der Erstbehörde auch für diesen Zeitraum verfügte Entziehung der Lenkerberechtigung nicht aufhob, hat sie das Gesetz unrichtig angewendet. Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110047.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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