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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ASGG §65;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. März 1992, Zl. VII/2-5089/2-1992, betreffend Kinderzuschuß, (mitbeteiligte Partei: AX, in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 25. Februar 1991 beantragte der mitbeteiligte AX die Weitergewährung des Kinderzuschusses für seinen am 28. März 1965 geborenen Sohn K. Mit Bescheid der beschwerdeführenden Partei vom 26. März 1991 wurde dem Mitbeteiligten der Kinderzuschuß für die Dauer der Ausbildung des Kindes, die dessen Arbeitskraft überwiegend beanspruche, längstens bis Juli 1991 bewilligt.
Mit Eingabe vom 4. Juli 1991 (eingelangt bei der beschwerdeführenden Partei am 8. Juli 1991) beantragte der Mitbeteiligte neuerlich die Weitergewährung des Kinderzuschusses und brachte dazu vor, ihm sei mit Bescheid vom 26. März 1991 zu seiner Pension ein Kinderzuschuß bis Ende des Monats (Juli 1991) gewährt worden. Der am 28. März 1965 geborene Sohn K studiere jedoch nach Ableistung seines Präsenzdienstes in der Zeit vom 1. Juli 1986 bis 28. Februar 1987 an der Universität für Bodenkultur in Wien; das voraussichtliche Studienende werde Juni 1993 sein.
Mit Bescheid der Beschwerdeführerin vom 23. Juli 1991 wurde der Antrag des Mitbeteiligten vom 8. Juli 1991 auf Weitergewährung des Kinderzuschusses für den Sohn K, geboren 28. März 1965, gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. In der Bescheidbegründung wurde darauf verwiesen, daß über den Antrag des Mitbeteiligten vom 27. Februar 1991 auf Weitergewährung des Kinderzuschusses bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 26. März 1991 entschieden worden sei und seit dieser Entscheidung sich weder Änderungen in der Sachlage noch in der Rechtslage ergeben hätten.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Einspruch.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) dem Einspruch des Mitbeteiligten Folge und sprach in Abänderung des Spruches des angefochtenen Bescheides aus, daß AX für seinen am 28. März 1965 geborenen Sohn K der Kinderzuschuß bis längstens Juni 1993 weitergewährt werde. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides treffe die von der Beschwerdeführerin herangezogene Bescheidbegründung nicht zu, da mit deren Bescheid vom 26. März 1991 nur ausgesprochen worden sei, daß dem Mitbeteiligten für seinen Sohn ein Kinderzuschuß bis längstens Juli 1991 gebühre, im Antrag vom 4. Juli 1991 der Mitbeteiligte jedoch ersucht habe, ihm den Kinderzuschuß über den Juli hinaus weiter zu gewähren, da sich sein Sohn nach wie vor in Ausbildung befinde, die seine Arbeitskraft überwiegend beanspruche und anzunehmen sei, daß dieser im Juni 1993 das Studium der Bodenkultur abschließen werde. Daraus erhelle, daß im Gegenstand ein Antrag vorliege, mit welchem nicht etwas begehrt werde, was schon gewährt worden sei. Es obwalte kein Zweifel, daß die Voraussetzungen für die Weitergewährung der begehrten Leistung des Kinderzuschusses über die Vollendung des 26. Lebensjahres des KX, beginnend ab August 1991, vorlägen, sodaß dem Antrag des Mitbeteiligten vollinhaltlich folgend spruchgemäß zu erkennen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach dem oben wiedergegebenen bisherigen Verfahrensgang erweist sich die Zurückweisung des vom Mitbeteiligten im JULI 1991 gestellten Antrages auf Weitergewährung des Kinderzuschusses als unzutreffend, da - im Hinblick auf die Zeitbezogenheit der geltend gemachten Ansprüche - "res judicata" für die Zeit ab 1. Juli 1991 tatsächlich nicht vorlag. Zu beantworten bleibt lediglich die Frage, inwieweit die belangte Behörde berechtigt gewesen ist, in der Sache selbst, d.h. meritorisch zu entscheiden.
Gemäß dem im Verfahren über die nach § 412 ASVG erhobenen Einsprüche vom Landeshauptmann aufgrund Art. II Abs. 2 lit. A Z. 1 EGVG anzuwendenden § 66 Abs. 4 AVG hat die Einspruchsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist dabei berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60 AVG) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Die Wendung "in der Sache" in § 66 Abs. 4 1. Satz AVG hat die Bedeutung einer Einschränkung der der Berufungs(Einspruchs)behörde nach dem 2. Satz des § 66 Abs. 4 leg. cit. eingeräumten weiten Entscheidungsbefugnis. "Sache" in diesem zuletzt genannten Sinn ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Infolge Zurückweisung eines Antrages - wie im Beschwerdefall - ist "Sache" der Berufungsentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG daher nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Die Berufungsbehörde kann und darf demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgte; es ist ihr aber verwehrt, über den Anspruch selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 7. Mai 1986, Zl. 85/11/0287, und vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0052). Hinzu kommt im vorliegenden Fall, daß die Entscheidung in der Sache selbst eine Leistungssache im Sinne des § 354 ASVG ist; der Rechtsweg gegen - die Sachentscheidung geht daher - anders als im Falle der Zurückweisung (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1985, Zl. 85/08/0181) - an die Sozialgerichte.
Dadurch, daß die belangte Behörde diese Rechtslage durch eine meritorische Entscheidung über den vom Mitbeteiligten geltend gemachten Anspruch auf Weitergewährung des Kinderzuschusses verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid aber mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und verletzte dadurch die beschwerdeführende Partei (die mit dem Inhalt dieser meritorischen Entscheidung nicht einverstanden ist) in ihrem Recht darauf, daß sie als ERSTINSTANZliche Behörde in Bindung an die - richtigerweise - auszusprechende ersatzlose Behebung nunmehr meritorisch über diesen Antrag entscheide. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung) Inhalt der Berufungsentscheidung Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Gerichtliche oder schiedsgerichtliche EntscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992080074.X00Im RIS seit
20.11.2000