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68/01 Behinderteneinstellung;Norm
BBG 1990 §40 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der H in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 6. Dezember 1991, Zl. SV-2068/3-1991, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses nach den §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 6. April 1978 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1978 dem Kreis der begünstigten Invaliden im Sinne der §§ 2 und 14 des Invalideneinstellungsgesetzes 1969, BGBl. Nr. 22/1970 (IEG), in der damals geltenden Fassung angehöre. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde aufgrund der festgestellten Gesundheitsschädigungen mit 50 % eingeschätzt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 12. August 1981 wurde auf Antrag der Beschwerdeführerin das Ausmaß ihrer Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 14 Abs. 2 IEG ab 1. Mai 1981 mit 70 % festgesetzt. Auch dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 20. April 1990 wurde gemäß den §§ 2 und 14 Abs. 2 des obgenannten (seit der Novelle BGBl. Nr. 721/1988 Behinderteneinstellungsgesetz - BEinstG bezeichneten) Gesetzes in der damals geltenden Fassung festgestellt, daß die Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1990 nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Der ihr nach dem BEinstG ausgestellte Ausweis werde gemäß § 14a Abs. 1 dieses Gesetzes eingezogen und sei binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides dem Landesinvalidenamt für Oberösterreich zurückzustellen. Begründet wurde der Bescheid damit, daß die Beschwerdeführerin seit 1. Jänner 1990 eine Pension von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten beziehe und nicht in Beschäftigung stehe und deshalb nicht mehr dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehöre. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Juni 1990 bestätigt.
Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin den ihr nach § 14a Abs. 1 BEinstG ausgestellten Ausweis zurück, beantragte aber gleichzeitig mit Schreiben vom 21. Juli 1990 die Ausstellung eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz - BBG, BGBl. Nr. 283/1990, mit der Begründung, daß der Grad ihrer Behinderung nach dem rechtskräftigen Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 12. August 1981 70 % betrage. Im Laufe des Verfahrens berief sie sich überdies auf eine Bescheinigung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft vom 3. Jänner 1991, wonach für das Finanzamt bestätigt wurde, daß die Beschwerdeführerin zu 70 % erwerbsgemindert sei.
Mit Bescheid vom 8. August 1991 wies das Landesinvalidenamt für Oberösterreich den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Juli 1990 ab. Begründet wurde diese Entscheidung nach Zitierung des § 40 BBG damit, daß die Beschwerdeführerin eine Alterspension beziehe und die Bestätigung des Amtsarztes keinen Bescheid darstelle.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin neuerlich auf den rechtskräftigen Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 12. August 1981.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und Zitierung der §§ 40 Abs. 1 und 41 Abs. 1 BBG ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin keinen der nach diesen gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Nachweise habe erbringen können. Bei ihrem Hinweis auf die Bescheide des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 6. April 1978 bzw. 12. August 1981 übersehe sie, daß diese Bescheide durch den Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 20. April 1990 derogiert worden seien, weil mit diesem Bescheid festgestellt worden sei, daß die Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1990 nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Aus welchen Gründen diese Feststellung getroffen worden sei, sei unerheblich. Hätte der Gesetzgeber auch Alterspensionisten in den durch das BBG geschützten Personenkreis einbeziehen wollen, so hätte er im § 4 Abs. 1 Z. 2 BBG auch diese (normalen) Alterspensionisten erwähnt. Es seien in dieser Bestimmung aber ausdrücklich nur solche Menschen erwähnt, die nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen bezögen. Zu diesem Personenkreis gehöre die Beschwerdeführerin aber als Bezieherin einer (normalen) Alterspension nicht. Sie beziehe auch keinen Hilflosenzuschuß, sodaß sie auch nicht dem im § 40 Abs. 1 Z. 3 BBG genannten Personenkreis zugehörig sei. Letztendlich stelle auch die von ihr ins Treffen geführte amtsärztliche Bestätigung über ihre Behinderung keinen der in § 41 Abs. BBG geforderten Nachweise dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei kein Bescheid des Inhalts erlassen worden, daß die Behinderung (Minderung der Erwerbsfähigkeit) nicht mehr 70 % betrage. Der Bescheid vom 12. August 1981, mit dem der Grad der Behinderung mit 70 % festgesetzt worden sei, sei daher nach wie vor in Rechtskraft. Somit sei der Nachweis gemäß § 41 Abs. 1 BBG erbracht. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Bescheid vom 20. April 1990 in der Lage sei, einerseits den Bescheid bezüglich der Zugehörigkeit zum Kreis begünstigter Behinderter und andererseits auch noch den Bescheid hinsichtlich einer Feststellung über den Grad der Behinderung aufheben zu können, entbehre jeglicher rechtlicher Grundlage.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 40 Abs. 1 und 41
Abs. 1 BBG lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen,
1. deren Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil mit mindestens 50 % festgestellt ist oder
2. die nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. die nach bundesgesetzlichen Vorschriften einen Hilflosenzuschuß, eine Hilflosenzulage, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder ... ist auf Antrag vom zuständigen Landsinvalidenamt (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, sofern sie in Österreich ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort haben.
...
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985."
...
Als Rehabilitationsträger im Sinne des § 3 BBG zählen auch jene Behörden, die gesetzlich berufen sind, Leistungen der Rehabilitation in den Bereichen der Behinderteneinstellung zu erbringen (§ 3 Abs. 1 Z. 8 BBG).
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nur mehr strittig, ob der Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 12. August 1981 als "der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3)" im Sinne des § 41 Abs. 1 BBG anzusehen ist, mit dem - ungeachtet des rechtskräftigen Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Juni 1990 weiterhin wirksam - im Sinne des § 40 Abs. 1 Z. 1 BBG die "Minderung der Erwerbsfähigkeit nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid ... mit mindestens 50 % festgestellt ist", und dem daher noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Tatbestandswirkung für die Ausstellung eines Behindertenpasses für die Beschwerdeführerin zugekommen ist.
Die belangte Behörde hat diese Frage mit der Begründung verneint, daß dem eben genannten Bescheid vom 12. August 1981 durch den (mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 11. Juni 1990 bestätigten) Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 20. April 1990 derogiert worden sei.
Dem hält die Beschwerdeführerin mit Recht entgegen, daß in diesen Bescheiden (unter Bedachtnahme auf die zur Auslegung der Sprüche jeweils heranzuziehenden Begründung) ein Ausspruch, es betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (seit der Novelle des IEG, BGBl. Nr. 721/1988, "Grad der Behinderung") der Beschwerdeführerin nicht mehr 70 %, nicht enthalten ist. Denn diese Bescheide wurden nicht etwa damit begründet, daß der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin nicht einmal mehr 50 % erreiche und sie deshalb gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG nicht mehr dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre (vgl. dazu das Erkenntnis vom 4. November 1992, Zl. 92/09/0213); maßgeblich war vielmehr, daß die Beschwerdeführerin ab 1. Jänner 1990 eine Pension aus dem Versicherungsfall des Alters beziehe, nicht mehr in Beschäftigung stehe und deshalb - ungeachtet des Fortbestandes eines Grades der Behinderung von 70 % - gemäß § 2 Abs. 2 lit. c BEinstG ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als begünstigte Behinderte gelte. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde wurde daher dem rechtskräftigen Bescheid vom 12. August 1981 nicht durch die späteren Bescheide des Landesinvalidenamtes bzw. des Landeshauptmannes von Oberösterreich derogiert und war daher auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der "Grad der Behinderung" bzw. die "Minderung der Erwerbsfähigkeit" der Beschwerdeführerin "nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid mit mindestens 50 % festgestellt".
Diese vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung wird durch die Überlegung erhärtet, daß dadurch ein unter Gleichheitsgesichtspunkten verfassungsrechtlich bedenkliches Ergebnis vermieden wird. Die Ansicht der belangten Behörde hätte nämlich zur Konsequenz, daß einem nach den Bestimmungen des BEinstG behinderten Menschen trotz Fortbestandes eines (an sich begünstigungsbegründenden) Grades der Behinderung von mindestens 50 % nur wegen seines Ausscheidens aus dem Kreis der begünstigten Behinderten nach den §§ 2 Abs. 2 lit. c und 14 Abs. 2 BEinstG auf Grund des Bezuges einer Pension aus dem Versicherungsfall des Alters (ohne Weiterbeschäftigung und Erhalt einer Leistung im Sinne des § 40 Abs. 1 Z. 3 BBG) die Ausstellung eines Behindertenpasses nach § 40 BBG und die damit verbundenen Begünstigungen zu versagen wären bzw. im Falle des Bezuges einer solchen Pension erst ab einem nach Ausstellung des Passes liegenden Zeitpunkt der Paß nach § 43 Abs. 1 letzter Satz BBG einzuziehen wäre, obwohl nicht erkennbar ist, daß dadurch allein der festgestellte Grad seiner Behinderung sowie sein durch den Behindertenpaß dokumentiertes Begünstigungsbedürfnis weggefallen wäre.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992080035.X00Im RIS seit
02.03.2001