TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/30 93/02/0038

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Veröffentlicht am 30.06.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §67 Abs2 Z2;
AVG §67a Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, DDr. Jakusch und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des T in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 13. Jänner 1993, Zl. Senat-B-93-001, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG schildert der Beschwerdeführer ein gegen ihn gerichtetes Vorgehen der Besatzung eines Gendarmeriefahrzeuges und nennt auch den Namen eines der einschreitenden Gendarmeriebeamten mit dem Hinweis, er habe diesen Namen aus der "vorliegenden Aktenkopie, welche im parallel laufenden Führerscheinentzugsverfahren vom 29. Dezember 1992 dem ausgewiesenen Vertreter ausgehändigt wurde", entnommen. Er stellte schließlich den Antrag, "es wolle im Sinne des § 67c Abs. 2 Z. 5 und Abs. 3 AVG das Vordringen des Gendarmeriebeamten auf das Privatgrundstück, die Behinderung des Beschwerdeführers auf diesem seinem Grundstück sein Fahrzeug bestimmungsgemäß zu verwenden und den ihm zur ausschließlichen Nutzung zustehenden Parkplatz einzuparken, auf seinem Grundstück sich frei und ungehindert zu bewegen, insbesondere aber seine Wohnung aufzusuchen, die ausgesprochene Verhaftung und anschließende zwangsweise Verwahrung in einer Gefängniszelle für rechtswidrig erklärt werden".

Mit Bescheid vom 13. Jänner 1993 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich diese Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig mit der Begründung zurück, der Beschwerdeführer habe es entgegen der Bestimmung des § 67c Abs. 2 leg. cit. unterlassen, die Behörde zu bezeichnen, welcher der angefochtene Verwaltungsakt zuzurechnen sei. Bei dieser Unterlassung handle es sich um einen inhaltlichen Mangel der Beschwerde, der einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG nicht zugänglich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Beschwerde die Rechtsansicht der belangten Behörde, bei dem in Rede stehenden Mangel handle es sich um einen keiner Verbesserung zugänglichen Inhaltsmangel.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.

Gemäß § 67c Abs. 2 Z. 2 AVG hat die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber zu enthalten, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat und welcher Behörde er zuzurechnen ist (belangte Behörde).

Der Begriff des Formgebrechens im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG ist, da den Verwaltungsverfahrensgesetzen jeglicher Formalismus fremd ist, weit auszulegen (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Anm. 10 zu § 13 AVG, Seite 163). Dies gilt uneingeschränkt auch für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten, vor denen, so wie vor den sonstigen Verwaltungsbehörden, kein Anwaltszwang besteht. Auch der Gesetzgeber der AVG-Novelle vom 6. Juni 1990, BGBl. Nr. 357, mit welcher die in Rede stehende Bestimmung in das AVG eingefügt wurde, geht offenbar von einem solchen weiten Verständnis des Begriffes eines Formgebrechens aus. So wird im Bericht des Verfassungsausschusses (vgl. 1350 Blg. NR, XVII. GP, S. 1) ausgeführt, die Novelle zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht regle insbesondere die Kompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate, die FORMERFORDERNISSE für die Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt .... Ferner wird in den Erläuterungen zur entsprechenden Regierungsvorlage dargelegt, daß, "da eine "Maßnahmenbeschwerde" bislang im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz nicht geregelt war, auch die näheren FORMERFORDERNISSE für die Beschwerde zu regeln sind (§ 67c Abs. 2)".

Im übrigen hat der Gesetzgeber den verhältnismäßig geringen formalen Stellenwert der Bezeichnung der belangten Behörde in einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auch dadurch zum Ausdruck gebracht, daß deren Bezeichnung auch gänzlich unterbleiben kann ("... soweit dies zumutbar ist ...").

Dadurch, daß die belangte Behörde davon ausging, das Fehlen der Bezeichnung der belangten Behörde in der an sie gerichteten Beschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG bilde einen Inhaltsmangel, der einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG nicht zugänglich sei, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020038.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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