TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/5 91/10/0130

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Veröffentlicht am 05.07.1993
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Index

L40013 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung Polizeistrafen Niederösterreich
24/01 Strafgesetzbuch
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §46
PolStG NÖ 1975 §3 litc
StGB §114 Abs2
StGB §120 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der E in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 5. April 1991, Zl. I/2-St-9115 betreffend Ehrenkränkung (Mitbeteiligte Partei: G in O), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte mit Schreiben vom 30. Oktober 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden gegen die mitbeteiligte Partei eine Privatanklage nach § 3 lit. c des NÖ. Polizeistrafgesetzes ein. In ihrer Ehre gekränkt erachtete sich die Beschwerdeführerin dadurch, daß der Mitbeteiligte - ein Polizeibeamter - im Zuge der Aufnahme einer von der Beschwerdeführerin erstatteten Anzeige die Worte „Das ist ein Scheißdreck“, welche die Beschwerdeführerin auf die von ihr vorgebrachte Anzeige bezog, von sich gegeben habe. Die Bezirkshauptmannschaft Baden forderte den Mitbeteiligten zur Rechtfertigung auf. Dieser erklärte schriftlich, er habe die Beschwerdeführerin weder in ihrer Ehre gekränkt noch die erwähnten Worte verwendet.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 1990 stellte die Bezirkshauptmannschaft Baden das Strafverfahren wegen Ehrenkränkung mit der Begründung ein, die inkriminierte Äußerung stelle selbst dann keine Ehrenkränkung dar, wenn sie tatsächlich in der von der Beschwerdeführerin behaupteten Fassung gefallen sein sollte, da sie sich nicht auf die Person der Beschwerdeführerin, sondern auf die Amtshandlung bezogen habe.

Die Beschwerdeführerin berief, wobei sie sich einerseits gegen die von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz vorgenommene rechtliche Beurteilung wandte und bot außerdem als Beweis dafür, daß die Äußerung in der von ihr behaupteten Form gefallen sei, ein Tonband an, welches sie von dem Vorfall am Stadtpolizeiamt Baden aufgenommen habe.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Sie führte in der Begründung aus, daß - entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz - die Worte „....das ist ein Scheißdreck“ dann eine Ehrenkränkung sein könnten, wenn sie sich auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin bei der Polizei bezögen. Die belangte Behörde sei aber aus einem anderen Grund zu dem Ergebnis gekommen, daß das Verfahren einzustellen sei. Aufgrund der Vorwürfe der Beschwerdeführerin sei der Mitbeteiligte einvernommen worden. Seine Aussage widerspreche der Darstellung der Beschwerdeführerin; weitere Beweise gäbe es nicht. Insbesondere sei die Heranziehung eines offenbar einverständnislos angefertigen Tonbandmitschnittes der gegenständlichen Vorgänge als Beweismittel unzulässig, weil das Zugänglichmachen einer auf diese Art zustandegekommenen Äußerung an jemanden, für den sie nicht bestimmt sei, gegen § 120 Abs. 2 StGB verstoße. Eine von der Beschwerdeführerin namhaft gemachte Zeugin kenne lediglich Zusammenhänge und Ursachen, die aber mit dem inkriminierten Verhalten des Mitbeteiligten nicht unmittelbar in Verbindung zu bringen seien. Es könne bezüglich des hier allein entscheidungswesentlichen tatsächlichen Verlaufes des Vorfalles aus der bloßen Kenntnis (peripherer) Zusammenhänge und Ursachen nichts gewonnen werden, weswegen die Einvernahme dieser Zeugin entbehrlich gewesen sei.

Der Privatkläger könne zwar im Verfahren wegen Ehrenkränkung als Zeuge vernommen werden; die Äußerungen eines Privatanklägers unter allen Umständen als höher zu bewertenden Beweis anzusehen als die Verantwortung des Beschuldigten sei schon im Hinblick auf die Möglichkeit, einen anderen wegen einer Beleidigung unter vier Augen bestrafen zu lassen, ohne daß dieser sich wehren könnte, verfehlt. Im vorliegenden Fall seien keine Gründe bekannt, die die Glaubwürdigkeit eines der Streitteile einschränken würden. Die behauptete Tat habe daher nicht mit der für einen Schuldspruch unverzichtbaren Sicherheit erwiesen werden können, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde unterliege einem Rechtsirrtum, weil ein Mißbrauch von Tonaufnahmegeräten im Sinne des § 120 StGB nicht vorliege. Aufgrund des allgemeinen Rechtssatzes vom überwiegenden Interesse sei es herrschende Auffassung, daß eine nach § 120 StGB tatbildliche Handlung straflos bleibe, wenn sie zur Wahrung eines berechtigten Interesses vorgenommen werde und dieses Interesse jenes an der Geheimhaltung überwiege, was im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein könne, weil die der Beschwerdeführerin gegenüber abgegebene Äußerung diese in ihrer Ehre kränke.

§ 120 Abs. 2 StGB bedrohe nur den mit Strafe, der ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonbandaufnahme einer nichtöffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt sei, zugänglich mache oder eine solche Aufnahme veröffentliche. Selbst wenn man also der Ansicht der belangten Behörde folge, hätte diese den Mitbeteiligten auffordern müssen, sich darüber zu erklären, ob er damit einverstanden sei, daß allenfalls in seiner Anwesenheit die Tonbandaufnahme abgehört werde.

Dem im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden AVG sei nicht zu entnehmen, daß eine Tonbandaufnahme nicht als Beweismittel geeignet sei. Selbst wenn durch die Veröffentlichung einer Tonbandaufnahme der Tatbestand des § 120 StGB hergestellt würde und dem nicht ein überwiegendes Interesse an der Veröffentlichung zugrunde läge, handle es sich dabei doch lediglich um ein Privatanklagedelikt im Bereich des gerichtlichen Strafrechtes, welches auch gerichtlich zu verfolgen sei. Daß eine solche Tonbandaufnahme, selbst wenn sie widerrechtlich veröffentlicht würde, unter ein Beweismittelverbot falle, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Vor allem sei aber zu beachten, daß die von der Beschwerdeführerin als Beweismittel beantragte Tonbandaufnahme zur Widerlegung der Verantwortung des Mitbeteiligten im Verwaltungsstrafverfahren dienen sollte und dazu auch geeignet gewesen wäre. Mit dieser Tonbandaufnahme hätte die Aussage der Beschwerdeführerin in ihrer Position als Privatanklägerin untermauert werden sollen. Es gehe daher gar nicht darum, daß eine ohne Einverständnis des Sprechenden aufgenommene Äußerung einem Dritten, für den sie nicht bestimmt gewesen sei, im konkreten Fall also der Verwaltungsbehörde, zugänglich gemacht werde, sondern diese Tonbandaufnahme unterstütze lediglich das Vorbringen der Beschwerdeführerin und solle die Verantwortung des Mitbeteiligten erschüttern. Unter diesem Gesichtspunkt gebe es keinen Grund, eine Tonbandaufnahme als unzulässiges Beweismittel zu qualifizieren.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 120 Abs. 2 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht.

Die inkriminierte Äußerung soll nach den Angaben der Beschwerdeführerin in den Räumlichkeiten der Kriminalabteilung der Stadtpolizei Baden gemacht worden sein, wo der Mitbeteiligte, abgesehen von der Beschwerdeführerin, allein anwesend war. Bei seinen gegenüber der Beschwerdeführerin oder in deren Anwesenheit gemachten und von der Beschwerdeführerin auf Tonband aufgenommenen Äußerungen handelt es sich damit unbestritten um nicht öffentliche Äußerungen.

§ 120 Abs. 2 StGB läßt eine Auslegung dahingehend, daß die Verwendung von Tonaufnahmen einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen ohne Einverständnis des Sprechenden zu Beweiszwecken vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden nicht den Tatbestand dieser Norm erfüllt, nicht zu. Straflosigkeit könnte daher nur bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen in Betracht kommen. Ein Rechtfertigungsgrund ist anzunehmen, wenn das Interesse an der Beweisführung das Interesse am Schutz von privaten Äußerungen überwiegt und der Täter durch besondere Umstände genötigt ist, Tonaufnahmen ohne Einwilligung des Sprechenden in einem gerichtlichen (oder verwaltungsbehördlichen) Verfahren zu verwenden. Als Anlaß könnte etwa eine Ausnahmesituation gleich jener des § 114 Abs. 2 StGB in Betracht kommen, in der es um die Durchsetzung von in concreto für den Täter besonders ins Gewicht fallenden Ansprüchen geht und anders die Beweisführung nicht möglich ist (vgl. Leukauf - Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl., Rz 17 zu § 120 StGB). Diese Voraussetzungen sind aber nicht gegeben, wenn es lediglich um die Durchsetzung eines Strafanspruches eines Privaten wegen einer Ehrenkränkung geht, zumal an Rechtfertigungsgründe im Rahmen des § 120 StGB strenge Anforderungen zu stellen sind und Beweisnotstände in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren in der Regel - d.h. ohne Vorliegen gravierender Umstände - nach § 120 relevante Verhaltensweisen nicht rechtfertigen (vgl. Zipf, in: Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Rz 11 zu § 120 und die dort zitierte Judikatur).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsstrafverfahren nicht vorgebracht, daß der Mitbeteiligte ausdrücklich oder auch nur konkludent sein Einverständnis zur Verwertung der Tonbandaufnahme im Verwaltungsstrafverfahren erteilt hätte. Es ist auch sonst kein Anhaltspunkt für eine solche Annahme zutage getreten. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, entsprechende Ermittlungen vorzunehmen.

Nach § 46 AVG - diese Bestimmung findet gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung - kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel darf aber nicht so verstanden werden, daß durch ihn jegliche Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote außer Kraft gesetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. November 1979, Slg. N.F. 9975/A).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Wahrheit dann unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwendung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1984, Slg. N.F. 11540/A u.a.).

Die Verwertung der von der Beschwerdeführerin der belangten Behörde als Beweismittel angebotenen Tonbandaufnahme würde dem Zweck des § 120 Abs. 2 StGB zuwiderlaufen, zu verhindern, daß Äußerungen einer Person jemandem zur Kenntnis kommen, für den sie nicht bestimmt sind. Dagegen kann auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, allfällig ehrenkränkende Äußerungen seien nicht schutzwürdig. Die Grenze dafür, wo der Schutzbereich des § 120 Abs. 2 StGB nicht mehr greift, ist dort zu suchen, wo für ein unter den Tatbestand des § 120 Abs. 2 StGB fallendes Verhalten Rechtfertigungsgründe vorliegen, die aber, wie gezeigt, im Beschwerdefall nicht vorliegen.

Für das Verwertungsverbot des von der Beschwerdeführerin angebotenen Beweismittels spricht schließlich auch, daß jener Organwalter der belangten Behörde, der dieses Angebot annähme, zur Ausführung der strafbaren Handlung nach § 120 Abs. 2 StGB beitrüge.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht das Verbot, das als Beweismittel angebotene Tonband zu verwerten, angenommen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Wien, 5. Juli 1993

Schlagworte

Beweismittel Skizzen Audio-Visuelle Medien Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Grundsatz der Unbeschränktheit rechtswidrig gewonnener Beweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991100130.X00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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