TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0147

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Veröffentlicht am 08.07.1993
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Index

60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §13;
AZG §14 Abs1;
AZG §5 Abs1;
AZG §9;
KollV Mineralölhandel;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Jänner 1993, Zl. MA 63-S 21/92/Str., betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung des § 9 Arbeitszeitgesetz bestraft, weil er als Bevollmächtigter der als Arbeitgeberin fungierenden A-AG zu verantworten habe, daß im Betrieb dieser Gesellschaft in W, F-Straße 7, die Tagesarbeitszeit bei einem namentlich angeführten Arbeitnehmer (Lenker) am 15. März 1990 mehr als 10 Stunden betragen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Arbeitszeit ist gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 Arbeitszeitgesetz die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.

§ 9 leg. cit. sieht vor, daß die Arbeitszeit - abgesehen u. a. von der Bestimmung des § 5 - 10 Stunden täglich nicht überschreiten darf.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. kann, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt, durch Kollektivvertrag zugelassen werden, daß die nach § 3 zulässige Wochenarbeitszeit um höchstens 20 Stunden verlängert wird. Die Tagesarbeitszeit darf in solchen Fällen zwölf, für Arbeitnehmerinnen 10 Stunden nicht überschreiten.

§ 13 leg. cit. normiert, daß für Lenker und Beifahrer von Kraftfahrzeugen die Bestimmungen der Abschnitte 2 und 3 - somit auch die vorzitierten Bestimmungen - mit den in den §§ 14 und 16 enthaltenen Abänderungen gelten.

In § 14 Abs. 1 leg. cit. heißt es, daß die Arbeitszeit für Lenker und Beifahrer von Kraftfahrzeugen unbeschadet des § 2 die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und Zeiten der Arbeitsbereitschaft umfaßt.

Ansonsten enthalten die Bestimmungen der §§ 14 und 16 leg. cit. - mit Ausnahme des nur für Arbeitnehmerinnen geltenden § 16 Abs. 6 - nur Regelungen hinsichtlich der Lenkzeit (§ 14 Abs. 2 und 3) und der Einsatzzeit (§ 16 Abs. 1 bis 5) sowie der Ruhezeiten (§ 16 Abs. 7).

Demnach kann auch bei Lenkern und Beifahrern von Kraftfahrzeugen unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz durch Kollektivvertrag eine Verlängerung der Tagesarbeitszeit auf mindestens zwölf Stunden zugelassen werden.

Nach Abschnitt III Rz 11 des im Verwaltungsstrafakt erliegenden Kollektivvertrages, abgeschlossen zwischen dem Bundesgremium des Mineralölhandels und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Chemiearbeiter, für die Arbeiter - u.a. - der A-AG, kann, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt, die tägliche Normalarbeitszeit bei Arbeitern bis zu 12 Stunden ausgedehnt werden.

Wenn die belangte Behörde - offensichtlich in Billigung der im erstinstanzlichen Straferkenntnis ausgesprochenen Rechtsansicht, "daß durch § 16 AZG und den genannten Kollektivvertrag keine Verlängerung der ARBEITSZEIT erfolgte", - davon ausging, daß die höchstzulässige Tagesarbeitszeit für den im Beschwerdefall betroffenen Lenker 10 Stunden betragen habe, so verkannte sie insofern die Rechtslage, als die Tagesarbeitszeit bei Arbeitern auf Grund des § 5 Abs. 1 zweiter Satz Arbeitszeitgesetz in Verbindung mit Abschnitt III Rz 11 des oben angeführten Kollektivvertrages bis zu 12 Stunden betragen darf, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Ob die letztgenannte Voraussetzung im Beschwerdefall erfüllt ist, hat die belangte Behörde aber - ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsansicht - nicht geprüft. Bejahendenfalls käme nicht der Tatbestand einer Übertretung des § 9 Arbeitszeitgesetz, sondern der einer Übertretung des § 5 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. zur Anwendung.

Schon aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei Stempelgebührenersatz nur im erforderlichen Ausmaß zuzuerkennen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180147.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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