TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 92/01/0765

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Veröffentlicht am 08.07.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1992, Zl. 4.328.643/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ", reiste am 8. November 1991 legal in das Bundesgebiet ein und beantragte (bereits damals anwaltlich vertreten) am 20. November 1991 zugleich mit ihrem Bruder und ihrer Mutter Asyl. In ihrem Asylansuchen gab sie im wesentlichen an, daß ihre Mutter Serbin und ihr Vater Sudanese sei. Ihr Bruder sei während der Ableistung des Militärdienstes wegen seiner Abstammung ständigen Repressalien ausgesetzt gewesen und auch sie selbst hätte wegen ihrer afrikanischen Abstammung zu leiden gehabt. Am 6. Oktober 1991 hätte sie einen Anruf vom lokalen Armeebüro bekommen und wahrheitswidrig angegeben, daß ihr Bruder ortsabwesend sei. Dabei sei ihr ausgerichtet worden, daß sich ihr Bruder bei den Militärbehörden melden solle. Da er mit der sofortigen Einberufung zum Militärdienst gerechnet habe, sei er sofort "untergetaucht". Darauf habe sie mit ihrer Mutter das Land verlassen. Der Bruder der Beschwerdeführerin wäre im Zuge der ohne Beachtung der internationalen Kriegsregeln und ohne Achtung der Menschenrechte geführten kriegerischen Auseinandersetzungen gezwungen gewesen, völkerrechts- bzw. menschenrechtswidrig zu töten. Die afrikanische Abstammung ihres Bruder sei deutlich zu erkennen und daher müßte er auch beim Militär nachteilige Behandlung von seinen Vorgesetzten erwarten. Im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland hätten sie und ihre Mutter ob der wahrheitswidrigen Aussagen vor den Militärbehörden eine strenge Strafe zu erwarten. Auch ihr Bruder müßte mit strenger Bestrafung rechnen. Es gäbe für die ganze Familie keine Möglichkeit, in die Heimat zurückzukehren.

Ergänzend zu den Ausführungen im Asylantrag, gab die Beschwerdeführerin, niederschriftlich befragt am 9. Jänner 1992, noch weiters an, daß sie bei Rückkehr in ihr Heimatland in Haft genommen würde, da sie die Militärbehörden belogen hätte. Sie sei auch um das Leben ihres Bruders besorgt.

Mit Bescheid vom 19. Februar 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht erfülle. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, daß der erstinstanzliche Bescheid nur aus einem Formular bestehe, in dem ihre persönlichen Daten eingesetzt und auf ihr umfangreiches Vorbringen im Asylantrag nicht eingegangen worden sei. Dem erstinstanzlichen Bescheid hafte daher sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an. Ergänzend zur Wiederholung des Vorbringens im Asylantrag führte sie aus, daß die aufgenommenen Beweise entsprechend zu würdigen gewesen wären; dies hätte im Bescheid konkreten Niederschlag finden müssen. Durch ihre halbafrikanische Abstammung sei sie schon in Friedenszeiten "ernsthaften Benachteiligungen und Anfeindungen" ausgesetzt gewesen. Auf Grund der Vorbereitung der Desertion ihres Bruders könne der Beschwerdeführerin nun eine Rückkehr in ihr Heimatland unmöglich zugemutet werden.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich der Beschwerdeführerin kein Asyl gewähre. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes, über die der Verwaltungsgerichtshof unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Z. 6 VwGG erwogen hat:

Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde - die im Beschwerdefall das Asylgesetz 1991 anzuwenden hatte, da das Verfahren bei ihr am 1. Juli 1992 anhängig war (§ 25 Abs. 2 leg. cit.) - § 20 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung das Ermittlungsverfahren erster Instanz zugrundezulegen hatte. Wenn die belangte Behörde aufgrund dieser Angaben zur Auffassung gelangt ist, die Beschwerdeführerin habe nicht hinreichend dargetan, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründe verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befinde und sie nicht als Flüchtling im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen sei, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Die allgemeinen Darstellungen, aufgrund ihrer Rasse benachteiligt worden zu sein, hätte die belangte Behörde nur dann als gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgungshandlungen werten können, wenn sie ihre Lebensgrundlage massiv bedroht oder sonst aus objektiver Sicht betrachtet einen weiteren Verbleib in ihrem Heimatland als unerträglich erscheinen lassen hätten. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin die Beeinträchtigungen, denen sie auf Grund ihrer Abstammung ausgesetzt gewesen sei, weder in ihrem Asylantrag noch in ihrer Berufung näher dargelegt. Die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vorgebrachte Befürchtung, das Leben der Beschwerdeführerin sei, weil sie deutlich als Halbafrikanerin erkennbar sei, unter den derzeit in ihrem Heimatland herrschenden Verhältnissen besonders bedroht, beruht lediglich auf Vermutungen und erscheint nicht objektiv begründet (vgl. das den Bruder der Beschwerdeführerin betreffende Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 92/01/0767). Soweit die Beschwerdeführerin befürchtet, wegen ihrer wahrheitswidrigen Angaben vor den Militärbehörden und im Hinblick auf die Wehrdienstverweigerung ihres Bruders verfolgt zu werden, hat ihr die belangte Behörde zu Recht entgegengehalten, daß eine wegen Verweigerung der Militärdienstleistung drohende Bestrafung nicht den Tatbestand der Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0068). Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren kann kein Anhaltspunkt entnommen werden, der dahin deuten würde, daß die Unrichtigkeit ihrer Angaben über den Aufenthaltsort ihres Bruders den Behörden ihres Heimatlandes in der Zwischenzeit bekannt geworden wäre oder aufgrund welcher Umstände damit zu rechnen sei, daß sie ihnen noch bekannt werden würden (vgl. Erkenntnis vom 1. Juli 1992, 92/01/0066).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihrer Abstammung wegen Schwierigkeiten gehabt zu haben, hat die belangte Behörde zu Recht als nicht hinreichend konkretisiert gewertet, weshalb der insoweit erhobenen Verfahrensrüge keine Berechtigung zukommt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010765.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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