TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0129

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Veröffentlicht am 08.07.1993
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1 Z1;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der M in Ä, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 29. Jänner 1993, Zl. Fr 2608/92, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Jänner 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine ägyptische Staatsangehörige, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe am 24. Juli 1992 bei der österreichischen Botschaft in Kairo einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes eingebracht, in dem als Zweck der Reise ein Besuch bei ihrem in Österreich lebenden Bruder für die Dauer eines Monates angegeben worden sei. Ihr Bruder habe auch eine Verpflichtungserklärung für ihren Aufenthalt und den ihrer Kinder abgegeben. Nach ihren Angaben im Verwaltungsverfahren habe sie bereits im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes die Absicht gehabt, einen österreichischen Staatsangehörigen zu heiraten und ständig in Österreich zu bleiben. Da sie angenommen habe, für ihren ständigen Aufenthalt in Österreich keinen Sichtvermerk zu bekommen, habe sie bewußt falsche Angaben gemacht.

Das Verhalten der Beschwerdeführerin erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG und rechtfertige die Annahme, daß ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung gefährde. Die Beschwerdeführerin habe die für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden bestehenden Vorschriften gröblich mißachtet. Weder im Sichtvermerksantrag noch im erteilten Sichtvermerk seien die Kinder der Beschwerdeführerin angeführt, die mit ihr eingereist seien. Sie habe somit vorsätzlich die rechtswidrige Einreise ihrer beiden Kinder bewirkt, was nunmehr unter den Tatbestand der Schlepperei nach § 80 FrG zu subsumieren wäre. Die Beschwerdeführerin habe sich seit 20. September 1992 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten. Erst am 9. Oktober 1992 habe sie um die Erteilung eines Sichtvermerkes angesucht und gleichzeitig bekanntgegeben, daß sie einen österreichischen Staatsbürger ehelichen wolle. Der Verstoß gegen die damals geltenden paßrechtlichen Bestimmungen sei nicht als unbedeutend zu werten. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zulässig. Die Dauer des Aufenthaltes, auf die bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG Bedacht zu nehmen sei, sei nicht als erheblich anzusehen, zumal der Aufenthalt im überwiegenden Ausmaß rechtswidrig gewesen sei. Im Zeitpunkt der Eheschließung sei der Beschwerdeführerin und ihrem nunmehrigen Ehemann bewußt gewesen, daß die Beschwerdeführerin nicht in Österreich bleiben könne. Deshalb sei den aus der Eheschließung abgeleiteten Interessen kein entscheidendes Gewicht beizumessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 sowie der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG lauten:

"§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 und 3 zu verschaffen;

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20.(1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1.

die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen."

2.

Im Hinblick auf den von der belangten Behörde

festgestellten Sachverhalt, gegen dessen Richtigkeit in der Beschwerde nichts vorgebracht wird, stößt es auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG als verwirklicht angesehen und darauf die Annahme gegründet hat, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die öffentliche Ordnung gefährde. Mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen war das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (hier zum Schutz der öffentlichen Ordnung) dringend geboten und das Aufenthaltsverbot daher im Grunde des § 19 FrG zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0104).

              3.              Die Beschwerdeführerin wendet sich ausschließlich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung, nämlich daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin sind die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur dann bedeutend, wenn der Anlaßfall zum Gegenstand der Berichterstattung in den Medien geworden ist. Die negativen Beispielsfolgen sind auch dann zu befürchten, wenn über den Fall nicht in den Massenmedien berichtet wurde, zumal in vielen Fällen die betreffenden Fremden zu ihren Landsleuten im In- und Ausland regelmäßige Kontakte pflegen. Im übrigen gründen sich die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht allein auf die negativen Beispielsfolgen. Es besteht vielmehr - auch ohne Rücksicht auf die Beispielsfolgen - ein wichtiges öffentliches Interesse daran, daß die für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geltenden Vorschriften eingehalten und nicht - wie im Beschwerdefall - durch Täuschung einer österreichischen Behörde bewußt umgangen werden.

Die belangte Behörde hat mit Recht betont, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich nur kurze Zeit gedauert hat und zudem zum überwiegenden Teil rechtswidrig gewesen ist. Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist zwar schon lange in Österreich und hier offensichtlich integriert, doch sind die nachteiligen Folgen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation deshalb nicht von entscheidender Bedeutung, weil die Ehe bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nur kurze Zeit gedauert hat und zudem während des unerlaubten Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich geschlossen wurde. Die Beschwerdeführerin durfte auf Grund der Eheschließung allein nicht von vornherein damit rechnen, daß sie nach der Eheschließung dauernd in Österreich bleiben könne. Aus der Tatsache, daß die beiden Kinder der Beschwerdeführerin während ihres kurzen Aufenthaltes in Österreich die Schule besucht haben, kann nicht auf ein besonderes Ausmaß ihrer Integration geschlossen werden. Der Absicht der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder, dauernd in Österreich zu bleiben, kommt im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zu.

Diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß die von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 vorgenommene Interessenabwägung nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet ist.

              4.              Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180129.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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