TE Vfgh Beschluss 1991/2/25 B1391/90, B1416/90, G344/90

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Veröffentlicht am 25.02.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art145
MRK Art13
VfGG §15 Abs2
VfGG §19 Abs3 Z2 lita
ZPO §534 Abs1
ZPO §536

Leitsatz

Zurückweisung einer Eingabe wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes, wegen Versäumung einer gesetzlichen Frist und mangels Legitimation

Spruch

Die Eingabe wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Bundesminister für Inneres verhängte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. April 1989, Zl. 354.074/43-II/14/89, über den Einschreiter nach §3 Abs1 und Abs2 des Fremdenpolizeigesetzes (FrPG) ein Aufenthaltsverbot.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 13. Juni 1989, B459/89, die Behandlung der gegen diesen Berufungsbescheid gerichteten Beschwerde ab.

Der Einschreiter erhob gegen den Bescheid eine Parallelbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0170-97, die Beschwerde abwies.

2. Die vorliegende Eingabe enthält mehrere Anträge, nämlich

a) auf Wiederaufnahme des verfassungsgerichtlichen Verfahrens B459/89 (§34 VerfGG),

b) auf Aufhebung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0170-97, und des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1989, Zl. 354.074/43-II/14/89 (Art144 B-VG),

c) "auf Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich Verfassungs- und Konventionswidrigkeit des §3 Abs1 iVm Abs2 FrPG" (Art140 Abs1 B-VG),

d) "diese Beschwerde auch in bezug auf die gerügten Verletzungen des Völkerrechtes iSv Art145 B-VG zu überprüfen",

e) der gegen das Aufenthaltsverbot gerichteten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und

f) auf "Übernahme der Kosten auf die Staatskasse" (als Beschwerdeaufwand werden 15.000 S verzeichnet).

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Eingabe erwogen:

1.a) Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit (Ablehnungs-)Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1989, B459/89, beendeten Verfahrens war allein schon aus folgendem Grund zurückzuweisen:

Gemäß §536 ZPO, der §35 VerfGG zufolge im verfassungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, hat der Antrag auf Wiederaufnahme die Bezeichnung des gesetzlichen Wiederaufnahmsgrundes zu enthalten. In der vorliegenden Eingabe fehlt eine solche Bezeichnung. In sinngemäßer Anwendung des §15 Abs2 VerfGG ist dieser Mangel einer Mängelbehebung nicht zugänglich (VfGH v. 9.12.1986, B680/86; vgl. auch VfSlg. 11313/1987).

Mit Schreiben vom 13. Feber 1991 beruft sich der Antragsteller zwar auf den Wiederaufnahmsgrund des §530 Abs1 Z7 ZPO; er erblickt im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990 (s.o. I.1.) ein neues Beweismittel. Dieser nachträglich vorgebrachte Wiederaufnahmsgrund war aber - weil er nach Ablauf der im §534 Abs1 ZPO vorgesehenen Notfrist von vier Wochen vorgebracht wurde - nicht zu berücksichtigen.

Bei diesem Ergebnis war nicht darauf einzugehen, ob der (nachträglich behauptete) Wiederaufnahmsgrund tatsächlich ein solcher iS des §530 Abs1 Z7 ZPO wäre.

b) Sollte der Einschreiter mit seiner Eingabe den erwähnten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1989 bekämpfen, so wäre eine solche Beschwerde unzulässig und zurückzuweisen, weil gegen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes, so auch gegen seine Beschlüsse, kein Rechtsmittel zulässig ist. Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes sind vielmehr endgültig (vgl. zB VfSlg. 11 173/1986).

2.a) Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, Akte der Gerichtsbarkeit (so etwa Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes) aufgrund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (vgl. zB VfGH v. 26.2.1990, B21/90).

Die gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990 gerichtete Beschwerde war daher gemäß §19 Abs3 Z 2 lita VerfGG wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

b) Die gegen den (dem Beschwerdeführer am 7. April 1989 zugestellten) Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1989 gerichtete Beschwerde war allein schon wegen Versäumung der im §82 Abs1 VerfGG vorgesehenen sechswöchigen Beschwerdefrist zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 litb VerfGG).

c) An diesen, in den vorstehenden lit. a und b festgehaltenen Ergebnissen ändert Art13 MRK nichts. Durch diese - wenngleich auf Verfassungsstufe stehende - Vorschrift wurden die Zuständigkeiten des Verfassungsgerichtshofes nicht erweitert.

3. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 8890/1980, 9285/1981) führt das Prinzip der Subsidiarität des sogenannten Individualantrages dazu, daß ein solcher - außer bei Vorliegen besonderer, außergewöhnlicher Umstände - u.a. dann nicht zulässig ist, wenn ein verfassungsgerichtliches oder verwaltungsgerichtliches Verfahren anhängig war, in dem Gelegenheit bestand, die Prüfung der als verfassungswidrig erachteten Gesetzesbestimmungen anzuregen.

Bei den Bestimmungen des FrPG (§3 Abs1 und 2), deren Aufhebung mit dem auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehrt wird, handelt es sich nun um jene Normen, auf die der wiederholt zitierte Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1989 gegründet war. Dieser Bescheid wurde vom Einschreiter seinerzeit sowohl beim Verfassungsgerichtshof als auch beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft (s.o. I.1.). Daß damals weder vom Verfassungsgerichtshof ein amtswegiges Prüfungsverfahren eingeleitet noch vom Verwaltungsgerichtshof ein Prüfungsantrag gestellt wurde, ändert an der Unzulässigkeit des Individualantrages nichts (vgl. VfSlg. 9926/1984 und dort zitierte weitere Vorjudikatur).

Dieser Antrag war mithin (weil außergewöhnliche Umstände iS der zitierten Judikatur nicht gegeben sind) mangels Legitimation des Einschreiters zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG).

4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH v. 12.10.1988, B792-796/88, B798/88; 29.11.1988, B1458-1460/88) sind auf Art145 B-VG gestützte Anträge (derzeit) nicht zulässig.

Der auf Art145 B-VG gegründete Antrag des Einschreiters war sohin zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lita VerfGG).

5. Da die auf das Aufenthaltsverbot bezughabende Beschwerde zurückgewiesen wird (s.o. II.2.), war auf den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht mehr einzugehen.

6. Im Hinblick darauf, daß der Einschreiter in keinem Punkt obsiegt hat, kommt ein Zuspruch von Kosten an ihn nicht in Betracht.

III. Diese Zurückweisungsbeschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita, b und e VerfGG sowie gemäß §538 Abs1 ZPO iVm §34 und §35 Abs1 VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiederaufnahme, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B1391.1990

Dokumentnummer

JFT_10089775_90B01391_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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