TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0283

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Veröffentlicht am 08.07.1993
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
MRK Art8;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/18/0284

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des I in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen 1) den Bescheid der SDion für das Bundesland OÖ vom 6.5.1993, Zl. St 62/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (hg. Zl. 93/18/0283) und 2) den Bescheid derselben Behörde vom 6.5.1993, Zl. St 62a/93, betreffend Feststellung gemäß § 54 Fremdengesetz (hg. Zl. 93/18/0284), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

A.

1. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Land Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 6. Mai 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 sowie §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis 23. März 1998 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Hilfe eines Schleppers aus Slowenien kommend in einem LKW mit zwölf weiteren Landsleuten am 11. April 1992 illegal (ohne im Besitz eines Reisepasses und eines österreichischen Sichtvermerkes zu sein) in Österreich eingereist sei. Der Reisepaß des Beschwerdeführers sei ihm ca. zwei Monate nach seiner Einreise, versehen mit einem schweizerischen Sichtvermerk, der sich nachträglich als gefälscht herausgestellt habe, per Post aus der Türkei nachgeschickt worden. Der vom Beschwerdeführer am 16. April 1992 gestellte Asylantrag sei mit am 1. Juli 1992 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 1992 abgewiesen worden. Schon die im Asylantrag angegebene Anschrift in F sei unrichtig gewesen. Nach seiner Ankunft habe er kurzfristig in E gewohnt, ohne sich angemeldet zu haben. In der Folge habe sich der Beschwerdeführer an einer näher bezeichneten Anschrift in E angemeldet, obwohl er dort nie gewohnt habe. Auf der Grundlage dieser falschen Anmeldung habe ihm die BH E am 11. November 1992 einen bis 15. Jänner 1993 befristeten Sichtvermerk erteilt. Da der Beschwerdeführer auch nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages keinen Sichtvermerk gehabt habe, sei er wegen Übertretung der §§ 2 und 14b Abs. 1 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes rechtskräftig bestraft worden (Straferkenntnis der BH E vom 10. November 1992). Der Beschwerdeführer sei seinen eigenen Angaben zufolge ledig und habe sechs Geschwister, von denen fünf in der Türkei lebten; lediglich ein Bruder lebe in Österreich.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, daß die unrichtige meldepolizeiliche Anmeldung - wenngleich nicht dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG subsumierbar - durchaus von Relevanz sei, auch wenn es zutreffen sollte, daß der Beschwerdeführer in seiner Erwartung, an der angegebenen Anschrift eine Unterkunft zu erhalten, getäuscht worden sein sollte, da die Meldepflicht erst nach tatsächlich erfolgter Unterkunftnahme Platz greife. Noch schwerer aber wiege, daß der Beschwerdeführer illegal, und noch dazu mit Hilfe eines Schleppers nach Österreich gelangt sei, im Besitz eines gefälschten Schweizer Visums gewesen sei und sich überdies nach wie vor unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte, wenn man von der kurzen Zeitspanne, die der ihm von der BH E erteilte Sichtvermerk umfasse, absehe. Diese Umstände ließen die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung gefährde. Mit einer Ausweisung könne nicht das Auslangen gefunden werden.

2. Gleichfalls mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 6. Mai 1993 stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 FrG fest, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht; seine Abschiebung in die Türkei sei zulässig.

Der Beschwerdeführer habe im Zuge des Aufenthaltsverbotsverfahrens am 18. März 1993 den Antrag gestellt festzustellen, daß stichhaltige Gründe dafür vorlägen, daß ihm in der Türkei eine Gefahr für sein Leben, seine Sicherheit und seine Freiheit drohe. Der den Asylantrag des Beschwerdeführers abweisende Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 1992 sei mit 1. Juli 1992 in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund dessen könne davon ausgegangen werden, daß in der Türkei das Leben oder die Freiheit des Beschwerdeführers aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten nicht bedroht sei. Der Druck, der einerseits von der PKK, anderseits von staatlichen Sicherheitsorganen auf die Bevölkerung ausgeübt werde und dem der Beschwerdeführer entkommen wolle, stelle keinen stichhaltigen Grund für die Annahme einer politischen Verfolgung des Beschwerdeführers dar. Für die Behauptung des Beschwerdeführers, er würde Gefahr laufen, in der Türkei einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt zu sein, böten die Vewaltungsakten keinen Anhaltspunkt. Die von Rebellengruppen ausgehenden Gefahren könnten nicht als solche i.S. des § 37 Abs. 1 FrG angesehen werden (hinter dem Begriff der Strafe stehe das Strafmonopol des Staates); zudem gebe es in der Türkei weite Landesteile, die nicht im Einflußbereich der Aufständischen lägen.

3. Gegen die unter 1. und 2. genannten Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und begehrt wird, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

B.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur hg. Zl. 93/18/0283 (Aufenthaltsverbot)

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1 Z. 1, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

2.

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 (Z. 1) FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0213).

              3.              Im vorliegenden Fall konnte die belangte Behörde - unbestrittenermaßen - davon ausgehen, daß sich der Beschwerdeführer, ohne im Besitz des erforderlichen Reisepasses wie auch des erforderlichen österreichischen Sichtvermerkes zu sein, mit Hilfe eines (türkischen) Schleppers den Eintritt in das Bundesgebiet verschafft habe. Des weiteren ließ die Beschwerde die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer habe in seinem Asylantrag unrichtige Angaben über seinen Aufenthaltsort und er habe nach seiner Einreise in Österreich kurzfristig in E gewohnt, ohne sich dort anzumelden, unbestritten. Schließlich wird das Vorliegen eines mit 1. Juli 1992 in Rechtskraft erwachsenen, den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 16. April 1992 abweisenden Bescheides in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Ebensowenig bestehen Zweifel daran, daß sich der Beschwerdeführer ungeachtet dessen weiterhin (auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides) ohne österreichischen Sichtvermerk (sieht man von dem ihm mit Gültigkeitsdauer vom 11. November 1992 bis 15. Jänner 1993 erteilten ab) im Bundesgebiet aufhielt.

Diese zahlreichen und keineswegs durch geringes Gewicht gekennzeichneten von der österreichischen Rechtsordnung verpönten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers, vor allem sein trotz des den Asylantrag rechtskräftig abweisenden Bescheides vom 11. Juni 1992 langer weiterer unrechtmäßiger Aufenthalt in Österreich (dessentwegen er im übrigen auch rechtskräftig bestraft wurde), der ein hartnäckiges Verharren im Unrecht erkennen läßt, konstituieren ein Gesamt(fehl)verhalten, das die belangte Behörde zu Recht dem § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG unterstellte. Was im besonderen die Inanspruchnahme eines Schleppers durch einen Fremden für die Bewerkstelligung seiner rechtswidrigen Einreise und die Zulässigkeit der Mitberücksichtigung dieses - wenngleich nicht strafbaren - Verhaltens anlangt, wird auf das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 93/18/0213 verwiesen. Zu der unter dem Gesichtspunkt des Gesamt(fehl)verhaltens gegebenen Relevanz unrichtiger Angaben eines Fremden über seine persönlichen Verhältnisse im Rahmen des Asylverfahren vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1992, Zl. 92/18/0242.

              4.              Im Hinblick auf die - in der Beschwerde unbekämpft gebliebenen - Feststellungen der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer ledig sei und von seinen sechs Geschwistern fünf in der Türkei lebten und nur ein Bruder sich in Österreich aufhalte, liegt ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG nicht vor. Daran vermag auch der in der Beschwerde hervorgehobene Umstand eines aufrechten Arbeitsverhältnisses aufgrund einer dem Beschwerdeführer erteilten Arbeitsbewilligung nichts zu ändern, da es sich hiebei um eine - wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - vom Beschwerdeführer entgegen den den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften geschaffene, und solcherart nicht zu berücksichtigende Tatsache handelt. Mangels eines im bezeichneten Sinn relevanten Eingriffes war nicht mehr zu prüfen, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist; aus demselben Grund erübrigte sich auch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG (s. dazu die grundlegende hg. Entscheidung vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0112).

II. Zur hg. Zl. 93/18/0284 (Feststellung gemäß § 54 FrG)

              1.              Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Zufolge § 37 Abs. 1 FrG - der Abs. 2 dieses Paragraphen ist im Beschwerdefall sachverhaltsbezogen ohne Belang - ist (u.a.) die Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

              2.              Die belangte Behörde hat dazu im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nie behauptet habe, in der Türkei einer unmenschlichen Strafe oder gar der Todesstrafe ausgesetzt zu sein; auch für die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung hätten sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Der Beschwerde gelingt es nicht, diese maßgebenden Feststellungen als unzutreffend erscheinen zu lassen: Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer deren Richtigkeit gar nicht bestreitet, verabsäumt er es selbst in der Beschwerde - dies ungeachtet der Frage, ob und inwieweit darin eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Grunde des § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung zu erblicken gewesen wäre -, konkret darzulegen, weshalb er annehmen zu müssen glaubt, daß ihm in der Türkei die (oder jedenfalls eine der) im § 37 Abs. 1 FrG angeführten Maßnahmen drohen würden. Was von "Rebellengruppen" ausgehende Gefahren für ihn anlangt, so pflichtet der Gerichtshof der Auffassung der belangten Behörde, daß solche nicht der genannten Norm subsumierbar seien, bei. Die im § 37 Abs. 1 leg. cit. bezeichnete Gefahr (unmenschlicher Behandlung, unmenschlicher Strafe, Todesstrafe), vor welcher der Fremde geschützt werden soll, ist nur dann eine i.S. dieser Bestimmung, wenn sie von dem betreffenden Staat ausgeht oder von ihm gebilligt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1993, Zl. 93/18/0083).

              3.              Unter Zugrundelegung des von der belangten Behörde festgestellten maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) ist die bekämpfte negative Feststellung mit der Folge der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei nicht als rechtswidrig zu erkennen.

III. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung weder in Ansehung des bekämpften Aufenthaltsverbotsbescheides noch in Ansehung des angefochtenen Feststellungsbescheides vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (somit auch ohne Mängelbehebungsauftrag hinsichtlich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres) als unbegründet abzuweisen.

IV. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180283.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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