TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0025

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.1993
beobachten
merken

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ArbIG 1974 §6 Abs1;
ArbIG 1974 §6 Abs2;
AZG §11 Abs1;
AZG §2 Abs1 Z1;
AZG §20 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D in A, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 4. November 1991, Zl. 3/07-7234/2-1991, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg (der belangten Behörde) vom 4. November 1991 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer bestimmt bezeichneten Gesellschaft mbH mehrerer Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) schuldig erkannt und hiefür jeweils mit Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 1. Dezember 1992, B 1022/92-3). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde meint, eine Anzeige seitens des Arbeitsinspektorates gemäß § 6 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 (wie im vorliegenden Fall) sei nur dann zulässig, wenn einer konkreten Aufforderung dieser Behörde nicht entsprochen werde. Eine derartige Aufforderung sei nicht vorgelegen. Die belangte Behörde hätte daher mangels Vorliegens einer beachtlichen Anzeige das Verfahren einstellen müssen.

1.2. Dieser Ansicht ist der zu keinen Zweifeln Anlaß bietende Wortlaut des § 6 Abs. 2 leg. cit. entgegenzuhalten, demzufolge das Arbeitsinspektorat Anzeige an die Verwaltungsstrafbehörde auch ohne vorangehende Aufforderung an den Arbeitgeber, den rechtmäßigen Zustand herzustellen (§ 6 Abs. 1 leg. cit.), zu erstatten befugt ist (arg.: "..., falls die Anzeige nicht bereits anläßlich der Feststellung der Übertretung erstattet wurde").

2.1. Einen Verfahrensmangel erblickt die Beschwerde darin, daß sich die belangte Behörde mit dem Berufungsvorbringen "praktisch nicht auseinandergesetzt (hat)". Sie habe insbesondere nicht überprüft, ob tatsächlich die Gesamtarbeitszeiten in dem in der Anzeige genannten Ausmaß vorlägen, ob tatsächlich längere Ruhezeiten eingehalten worden seien, und ob entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verfahren die Arbeitszeitüberschreitungen für die Aufrechterhaltung eines wirtschaftlich geführten Betriebes unumgänglich gewesen und daher durch § 20 AZG gedeckt gewesen seien. Hinsichtlich der Ruhepausen habe die belangte Behörde übersehen, daß "wesentlich längere Pausen und auch mehrmals weit über 1/2 Stunde hinausgehend getätigt wurden"; entsprechende Ermittlungen, insbesondere die Aufnahme der angebotenen Beweise (Einvernahme der betreffenden Arbeitnehmer als Zeugen), seien unterblieben.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die belangte Behörde hat sich hinsichtlich der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen betreffend Überschreitung der höchstzulässigen täglichen Arbeitszeit betreffend Überschreitung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit;

betreffend Nichtgewährung der vorgesehenen Mindest-Ruhezeit;

betreffend Nichtgewährung der vorgesehenen Mindest-Ruhepausen auf die jeweils unter Heranziehung der Stempelkarten detailliert erstellten Angaben in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 19. September 1990 gestützt. Diesen konkreten und durch im Betrieb des Beschwerdeführers geführte Arbeitszeitaufzeichnungen untermauerten Anzeige-Angaben ist der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nicht entgegengetreten (vgl. die niederschriftliche Beschuldigten-Rechtfertigung vom 16. November 1990 und die Stellungnahme vom 2. Mai 1991). Angesichts dieses Versäumnisses einer - und zwar ebenso konkreten, auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogenen - Gegendarstellung seitens des Beschwerdeführers bestand für die belangte Behörde kein Anlaß, der Feststellung des jeweils maßgeblichen Sachverhalts nicht die Angaben des anzeigenden Arbeitsinspektorates zugrunde zu legen. Von daher gesehen war die belangte Behörde auch nicht gehalten, die vom Beschwerdeführer benannten Arbeitnehmer als Zeugen zu vernehmen, zumal es dieser unterlassen hat anzuführen, was konkret durch die Zeugeneinvernahmen hätte unter Beweis gestellt werden sollen.

Bezüglich der nach Meinung des Beschwerdeführers von der belangten Behörde zu Unrecht nicht berücksichtigten Ruhepausen wurde im Strafverfahren vorgebracht, daß die Ruhepausen "von unseren Arbeitnehmern grundsätzlich im Betrieb konsumiert (werden), ohne daß diese gesondert vermerkt werden", weiters, daß die Ruhepausen "von den Arbeitnehmern individuell gestaltet und von diesen in einem Ausmaß konsumiert (werden), daß die im AZG festgesetzten Höchstgrenzen der Arbeitszeit auch tatsächlich nicht überschritten werden", und schließlich, daß "zwischen dem jeweiligen Arbeitsbeginn und dem Arbeitsende Ruhepausen in angemessenem Ausmaß konsumiert werden ..."

(Stellungnahme vom 2. Mai 1991). Dieses Vorbringen zugrunde gelegt durfte die belangte Behörde in rechtlich unbedenklicher Weise davon ausgehen, daß es sich bei diesen "Ruhepausen" um als der Anzahl und der Dauer nach nicht genau fixierte Arbeitsunterbrechungen gehandelt habe, die solcherart nicht als Ruhepausen i.S. des § 11 Abs. 1 und damit auch des § 2 Abs. 1 Z. 1 AZG, vielmehr als Arbeitszeit zu qualifizieren seien (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1992, Zl. 92/18/0156). Die zu diesem Punkt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch dem unrichtiger rechtlicher Beurteilung behauptete Rechtswidrigkeit liegt demnach nicht vor.

3. Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde geltend macht, die höchstzulässige Dauer der täglichen Arbeitszeit hätte im Grunde des § 8 Abs. 1 und 2 AZG überschritten werden dürfen, weil Arbeiten zu verrichten gewesen seien, die zur Aufrechterhaltung des vollen Betriebes arbeitstechnisch erforderlich gewesen seien, so ist dem Gerichtshof eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verwehrt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

4.1. Bereits im Strafverfahren hat der Beschwerdeführer behauptet, es seien im Beschwerdefall die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 20 Abs. 1 lit. b AZG gegeben. Darauf habe die belangte Behörde zu Unrecht nicht Bedacht genommen.

4.2. Der Beschwerdeführer hat dazu in seiner Stellungnahme vom 2. Mai 1991 und in der Berufung vorgebracht, daß die "festgestellten Arbeitszeitüberschreitungen zum Großteil aus den für die Aufrechterhaltung eines wirtschaftlich geführten Betriebes unumgänglichen Tätigkeiten (resultieren)". Der Betrieb des Unternehmens bringe es mit sich, daß die An- und Ablieferungen, die von anderen Unternehmen ausgeführt würden, oftmals nicht zu den angekündigten Zeitpunkten erfolgten, sodaß manchmal das Eintreffen von LKW-Zügen abgewartet werden müsse, um sodann die Verladetätigkeit ohne wesentliche Verzögerung durchführen zu können. Da der exakte Zeitpunkt des Eintreffens der LKW-Züge im Voraus nicht bekanntgegeben werden könne, müsse eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern zu diesem Zeitpunkt abgerufen werden, womit diese auch einverstanden seien.

Abgesehen davon, daß das Einverständnis der betreffenden Arbeitnehmer kein Kriterium darstellt, aufgrund dessen das Vorliegen des Tatbestandes des § 20 Abs. 1 lit. b AZG zu bejahen wäre, ist es dem Beschwerdeführer auch mit den übrigen, eben wiedergegebenen Ausführungen nicht gelungen darzulegen, daß es sich bei den außerhalb der höchstzulässigen täglichen Arbeitszeit und Wochenarbeitszeit verrichteten Arbeiten jeweils um vorübergehende und unaufschiebbare Arbeiten gehandelt habe, die zur Verhütung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Schadens erforderlich gewesen seien. Den Angaben des Beschwerdeführers fehlt es an der gebotenen Konkretisierung, aufgrund deren erst der belangten Behörde eine Beurteilung dahin möglich gewesen wäre, ob die jeweils inkriminierten Mehrarbeiten für den Beschwerdeführer die einzige Möglichkeit zur Abwendung des drohenden wirtschaftlichen Schadens dargestellt haben. Der Beschwerdeführer hätte sich insoweit nicht darauf beschränken dürfen, auf "oftmals" nicht zu den angekündigten Zeitpunkten erfolgende An- und Ablieferungen anderer Unternehmen hinzuweisen; es hätte vielmehr konkreter Darlegungen bedurft, wann und in welchem zeitlichen Ausmaß derartige durch Dritte verursachte Verzögerungen eingetreten waren, die die besagte Mehrarbeit notwendig gemacht haben. Dazu kommt, daß dem einschlägigen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht entnommen werden kann, daß die geschilderten, angeblich die inkriminierte Mehrarbeit bedingenden Lieferverzögerungen außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes lägen; die Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers legt vielmehr nahe, daß es sich bei den ins Treffen geführten, behauptetermaßen die Mehrarbeit bedingenden Ereignissen um regelmäßig wiederkehrende Umstände handelt; solche Ereignisse aber vermögen eine Heranziehung des Ausnahmetatbestandes des § 20 Abs. 1 lit. b AZG nicht zu rechtfertigen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0136).

5.1. Hinsichtlich der Strafbemessung rügt der Beschwerdeführer, "daß die kumulative Strafverhängung für mehrere, jedoch eine Tateinheit bildende Tatelemente ein und desselben Arbeitnehmers rechtlich unzulässig ist". Darüber hinaus vertritt die Beschwerde die Ansicht, daß im Hinblick auf die Unbescholtenheit, das Fehlen von Erschwerungsgründen sowie das Fehlen von Ermittlungen zu den Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnissen "diese Strafbemessung nicht erfolgen hätte dürfen".

5.2. Auch diesen Einwänden kann nicht beigepflichtet werden. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers war es rechtlich zutreffend, daß die belangte Behörde (in Bestätigung des Straferkenntnisses) die dem Beschwerdeführer angelasteten Gesetzesverstöße - Überschreitung der höchstzulässigen täglichen Arbeitszeit; Überschreitung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit; Nichtgewährung der Mindest-Ruhezeit; Nichtgewährung der Mindest-Ruhepausen -, da jeweils unterschiedliche gesetzliche Tatbestände verwirklichend, mit gesonderten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) kumulativ geahndet hat (§ 22 Abs. 1 VStG). Gleichfalls mit dem Gesetz in Einklang steht die Verhängung je einer Strafe für eine Übertretung in bezug auf je einen Arbeitnehmer.

Die belangte Behörde hat die von der Erstbehörde als maßgebend erachteten Strafzumessungskriterien der "bisherigen Unbescholtenheit" sowie die "entsprechenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse" erkennbar übernommen. Der Vorwurf, bezüglich des letztgenannten Kriteriums (§ 19 Abs. 2 VStG) keine Ermittlungen durchgeführt zu haben, geht insofern fehl, als sich die Behörde in dieser Hinsicht auf die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme am 16. November 1990 zu stützen vermochte. Danach verwies der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Einkommens auf den Steuerbescheid, hinsichtlich des Vermögens auf "Häuser und Grundbesitz" und hinsichtlich der Familienverhältnisse auf die Sorgepflicht für die Ehegattin. Diese Angaben stellen eine ausreichende Grundlage dar, um die im unteren Bereich des Strafrahmens des § 28 Abs. 1 AZG angesiedelten Geldstrafen von je S 2.000,-- als ohne Verstoß gegen das Gesetz bemessen ansehen zu können; dies auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die belangte Behörde erkennbar keinen Erschwerungsgrund angenommen hat.

6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180025.X00

Im RIS seit

23.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten