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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §85 Abs2 / "Vollzug" / Bewilligung. VersagungSpruch
Dem in der Beschwerdesache 1. der B T T, vertreten durch K K, ..., 2. der B T N S-T, vertreten durch H B, ..., und 3. der B T N-S H, vertreten durch H W, ..., alle vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. C B, Mag. M B, Dr. C K und Dr. H V, ..., gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Jänner 2007, Z ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 und 4 VfGG k e i n e F o l g e gegeben.
Begründung
Begründung:
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung wurde der im verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligten Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) die naturschutzbehördliche Bewilligung für das Vorhaben "S 33 Kremser Schnellstraße - Donaubrücke Traismauer" im Straßenverlauf der S 33 Kremser Schnellstraße und der S 5 Stockerauer Schnellstraße entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 33 Kremser Schnellstraße, Abschnitt Donaubrücke Traismauer, und S 5 Stockerauer Schnellstraße, Knoten Jettsdorf, im Bereich der Gemeinden Traismauer, Krems, Gedersdorf, Grafenegg und Grafenwörth, BGBl. II 390/2006, unter Auflagen erteilt.
2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde beantragen drei Bürgerinitiativen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und führen dazu aus, zwingende öffentliche Interessen stünden einer Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Durch die Umsetzung des Vorhabens würde es jedoch in mehreren Bereichen zu einer massiven Beeinträchtigung des FFH-Gebiets infolge endgültiger Zerstörung von Lebensräumen kommen. Die irreversible Vernichtung von Fauna, Flora und Habitat würden aufgrund der durchzuführenden Rodungsarbeiten zu einem großen Teil bereits mit Baubeginn eintreten. Die Rodung stehe unmittelbar bevor bzw. sei bereits begonnen worden (nach Kenntnisstand der beschwerdeführenden Bürgerinitiativen seien bereits mehrere Hektar geschützte Waldfläche abgeholzt). Im Anschluss daran heben die antragstellenden Bürgerinitiativen die ihrer Auffassung nach wesentlichen, bereits in der "NVP-Zusammenfassung" von Raffetseder/Stroß festgestellten Beeinträchtigungen hervor:
"(Seite 6)
'... hinsichtlich des Lebensraumtyp Eichen-Ulmen-Eschen-Au in Bezug auf das Ziel der Erhaltung von großflächig zusammenhängenden Auwaldbeständen (Vorkommensausmaß) als Raum bestimmende Lebensraumtypen der Tullnerfelder Donauauen keine Verträglichkeit des Vorhabens mit den für das Gebiet festgelegten Erhaltungszielen ...'
(Seite 8)
'Als höchstrangige Vogelarten der Vogelschutz-Richtlinie (Anhang I), werden Schwarzmilan (Milvus migrans), Rotmilan (Milvus milvus), Seeadler (Haliaaetus albicilla), und Rohrweihe (Circus aeruginosus) genannt. Die Beeinträchtigungen durch Störung und Schallemission auf diese Greifvogelarten, die besonders große Aktionsräume und Revierflächen benötigen, sind besonders erheblich.'
(Seite 20)
'Aufgrund der Zerschneidung von Amphibienlebensräumen, aufgrund des hohen Störungspotenzials und der enorm hohen Schallemission während der Bau- und Betriebsphase, bei welcher der Lebensraum hochrangiger und höchstrangiger Schutzobjekte unter den Vogelarten erheblich beeinträchtigt wird, führt die Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung - bei Berücksichtigung von 'Schadensbegrenzungsmaßnahmen', nicht aber von Ausgleichsmaßnahmen im engeren Sinne, zu einer negativen Beurteilung der Natura 2000-Verträglichkeit des Vorhabens.'
(Seite 44)
'Der Flächenverlust insgesamt an FFH-Lebensräumen beträgt rund 12 ha, weitere rund 2,4 ha sind gefährdet. Die in der UVE angegebenen Flächenangaben für die Beeinträchtigung der einzelnen Lebensraumtypen wurden in der Flächenbilanz der FFHLebensraumtypen vom 22. Juli 2004 wie folgt korrigiert:
* Fluthahnenfuß-Gesellschaft (3260): 5.388 m² * Zweizahnfluren schlammiger Ufer (3270): 2.978 m² * Natürliche Stillgewässer mit
Wasserschweber-Gesellschaften (3150): 971 m²
* Trespen - Schwingel - Kalktrockenrasen [Anm.:
Prioritäre Arten] (6210): 12.088 m²
* Magere Flachland-Mähwiesen (6510): 15.067 m² * Erlen-, Eschen- und Weidenauen [Anm.: Prioritäre
Arten] (91E0*): 4.829 m²
* Eichen-, Ulmen-, Eschenauen (91F0): 101.915 m²'
(Seite 74)
'Bedeutende günstige Auswirkungen für die Umwelt durch das Projekt sind aus naturschutzfachlicher Sicht nicht erkennbar. Im Gegenteil handelt es sich um ein Projekt am Rande der Umweltunverträglichkeit und führt zu schweren Beeinträchtigungen der vorhandenen Lebensräume und Arten.'"
Dem durch die allfällige Konsumation des Bescheides bewirkten Schaden für die Umwelt vermöge nach Auffassung der antragstellenden Bürgerinitiativen die ASFINAG lediglich ein - politisches und auch finanzielles - Interesse an einer möglichst raschen Schaffung der verfahrensgegenständlichen Verkehrsverbindung entgegenzuhalten.
3. a) Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, zum Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, aber keine Stellungnahme abgegeben.
b) Die beteiligte Genehmigungsinhaberin, die ASFINAG, hat sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen.
Sie ist primär der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid gegenüber den beschwerdeführenden Bürgerinitiativen nicht vollzugsfähig sei, weil durch die Vollstreckung des Bescheides keine Verletzung konkreter Rechte der beschwerdeführenden Bürgerinitiativen erfolgen könne. Abgesehen davon könnte ein Eingriff - wenn überhaupt - allenfalls lediglich in der Zusammenschau sämtlicher Bewilligungen gegeben sein; da die wasserrechtliche Genehmigung aber noch nicht erteilt sei, scheide auch aus diesem Grund eine Umsetzung in die Wirklichkeit begrifflich aus.
Was die berührten Interessen anbelange, würde nach Auffassung der ASFINAG durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Errichtung des gegenständlichen Straßenstückes auf unabsehbare Zeit verzögert. Hinzu komme, dass der Donaubrücke nicht nur höchstrangige nationale Bedeutung, sondern auch EU-weite Relevanz als wichtige Verkehrsverbindung zukomme. Dass dieser Errichtung ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne des §85 Abs2 VfGG zukomme, beweise allein schon der Umstand, dass diese Straße im Verzeichnis 2 im Anhang zum Bundesstraßengesetz angeführt und der Trassenverlauf mit Verordnung BGBl. II 390/2006 festgelegt worden sei. Damit sei das öffentliche Interesse an der Realisierung des Straßenzuges hinlänglich dokumentiert.
Weiters weist die ASFINAG darauf hin, dass ein Teil der Bauleistungen bereits ausgeschrieben worden sei und weitere Ausschreibungen in Vorbereitung seien. Verzögerungen, die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unzweifelhaft eintreten würden, bedeuteten daher für die ASFINAG und somit für den "Steuerzahler" einen erheblichen finanziellen Schaden. Der erhebliche finanzielle Schaden einer späteren Realisierung der Donaubrücke Traismauer liege weiters darin, dass
"die Mauteinnahmen aus dem verfahrensgegenständlichen Vorhaben erst sehr viel später lukriert werden könnten (da ohne Realisierung der Donaubrücke der Verkehr auf Landesstraßen 'B' ausweicht). Das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses bei finanziellen Schäden hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach anerkannt. ...
Man könnte argumentieren, dass kein Entfall an Mauteinnahmen stattfinde ..., da ja gerade durch die gewünschten Verlagerungseffekte dann eine Mautreduktion auf der bisherigen Strecke der S 33 resultiere; würde man dies argumentieren, würde man aber 'nahtlos' ein weiteres zwingendes öffentliches Interesse gegen die Zuerkennung aufschiebender Wirkung untermauern: Denn gerade diese Verkehrsverlagerungseffekte bewirken, dass pro Jahr bei einer Betrachtung des Raumes Krems mit einem eingesparten Treibstoffvolumen in der Größenordnung von zumindest 3,5 Millionen Liter zu rechnen ist; bei einer Netzbetrachtung des gesamten Untersuchungsgebietes (einschließlich Verkehrsverlagerungen von unter anderem der B 19 im Abschnitt Tulln - Neulengbach) erhöht sich dieser Wert auf rund 30 Millionen Liter. Dieser Beitrag zur Gesundheit - vor allem zur Reduktion einer Feinstaubbelastung unter anderem der Kremser Bevölkerung - ist jedenfalls als zwingendes öffentliches Interesse gegen die Zuerkennung aufschiebender Wirkung anzusehen."
Darüber hinaus läge ein zwingendes öffentliches Interesse im Ziel der Verkehrssicherheit. Die Unfälle mit Personenschäden gingen gegenüber dem Planfall 0 2020 um 56 pro Jahr zurück (- 32 Prozentpunkte).
Was den angeblichen unverhältnismäßigen Nachteil der antragstellenden Bürgerinitiativen anbelange, läge ein solcher schon deshalb nicht vor, weil die allenfalls gegebenen Nachteile nicht die Bürgerinitiativen selbst träfen. Die Bürgerinitiativen seien aber nicht nur nicht in relevanten Rechten verletzt, schon gar nicht werde ihnen ein unmittelbarer Nachteil finanzieller, wirtschaftlicher, physischer oder sonst relevanter Art zugefügt; hinzu komme, dass die antragstellenden Bürgerinitiativen ihrer Darlegungs- und Konkretisierungspflicht in keiner Weise nachgekommen seien; das Vorbringen erwecke zudem den Eindruck, dass die Zitate aus der "NVP-Zusammenfassung" ein Ergebnis des Verfahrens, das dem bekämpften Bescheid zugrunde liegt, sei. Das Gegenteil sei aber der Fall, da die Behörde "die Ergebnisse der UVP aufgegriffen [habe], indem sie ein vom Projektwerber optimiert vorgelegtes Projekt genehmigt hat". In diesem Projekt seien gerade jene Erwägungen, die die antragstellenden Bürgerinitiativen unrichtig und irreführend behaupten, Rechnung getragen worden.
4. Nach §85 Abs2 VfGG hat der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Entgegen der Auffassung der ASFINAG ist von der "Vollzugstauglichkeit" des angefochtenen Bescheides auszugehen, da mit diesem eine Berechtigung verliehen wird und Bürgerinitiativen auf Grund des UVP-G 2000 berechtigt sind, "die Einhaltung von Umweltschutzvorschriften als subjektive Rechte ... wahrzunehmen" (§24h Abs5 UVP-G 2000 idF vor BGBl. I 153/2004, vgl. auch §19 Abs4 leg.cit.).
Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen. Den antragstellenden Bürgerinitiativen ist es jedenfalls nicht gelungen, im Rahmen der ihnen obliegenden Darlegungs- und Konkretisierungspflicht darzutun, dass mit der Ausübung der Berechtigung durch die ASFINAG für die Bürgerinitiativen ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden ist. Wenn die Antragsteller unter Berufung auf die "NVP-Zusammenfassung" Beeinträchtigungen der von ihnen als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltgüter behaupten, übersehen sie, dass diese, in der NVP dargelegten Beeinträchtigungen bereits Gegenstand des behördlichen Verfahrens einschließlich der dort vorgesehenen Interessenabwägung waren und der angefochtenen Entscheidung sind. In der im Hauptverfahren angefochtenen behördlichen Projektbewilligung finden sich daher die betreffenden Beeinträchtigungen - teilweise durch Nebenbestimmungen - gehörig berücksichtigt.
Die Antragsteller haben nicht hinreichend dargetan, geschweige denn begründet, warum die ursprünglich unter Berufung auf die NVP geltend gemachten Beeinträchtigungen das von der mitbeteiligten Partei eingereichte Projekt auch in seiner jetzt genehmigten Gestalt betreffen. Mangels derartiger Darlegungen bilden die im Verfahren bereits abgehandelten Einwendungen der Antragsteller keine zulängliche Grundlage für die dem Verfassungsgerichtshof gemäß §85 VfGG obliegende Interessenabwägung.
Der Antrag war daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Wirkung aufschiebendeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B149.2007Dokumentnummer
JFT_09929777_07B00149_00