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10/07 Verfassungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 28. Juli 1992, Zl. VwSen - 400100/5/Kl/Rd, betreffend Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 22. Juli 1992 verhängte die Bundespolizeidirektion Wels gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft. Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag in Schubhaft genommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 5a Fremdenpolizeigesetz in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab. Nach der Begründung bestehe gegen den Beschwerdeführer ein mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 18. Juni 1990 erlassenes rechtskräftiges Aufenthaltsverbot. Dem Beschwerdeführer sei - zuletzt - mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Juni 1992 ein Vollstreckungsaufschub bis zum rechtskräftigen Abschluß des über Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Mai 1992 eingeleiteten Asylverfahrens, längstens jedoch bis zum 16. November 1992, gewährt worden. Der genannte Asylantrag sei - im Instanzenzug - mit dem dem Beschwerdeführer am 30. Juni 1992 zugestellten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juni 1992 "formell rechtskräftig abgelehnt" worden. Damit komme dem Beschwerdeführer "die nach dem Asylgesetz vorläufig gewährte Aufenthaltsberechtigung" sowie auch der Vollstreckungsaufschub hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zu. Es sei daher das Aufenthaltsverbot ab dem 30. Juni 1992 "voll rechtswirksam". Der Beschwerdeführer sei jedoch seiner Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nicht nachgekommen. Er habe sich weiterhin in Linz aufgehalten, dort bis zum 21. Juli 1992 einen Wohnsitz unterhalten und sei einer Beschäftigung in Wels nachgegangen. Eine behördliche Beschäftigungsbewilligung sei lediglich bis zum 30. Juni 1992 vorgelegen. Aus den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde geht weiters hervor, daß der Beschwerdeführer gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juni 1992 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhob und daß dieser Beschwerde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juli 1992 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Dieser Beschluß war dem Beschwerdeführer vor Erlassung des (hier) angefochtenen Bescheides zugestellt worden. Ferner heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides:
"Aus dem geschilderten Verhalten in Zusammenhalt mit der bisherigen Lebensführung des Beschwerdeführers ist aber erkennbar, daß er nicht gewillt ist, Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung anzuerkennen und sich danach zu verhalten. Dies zeigt sich in der Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung, dem Aufenthalt ohne der diesbezüglich erforderlichen Berechtigung und schließlich auch in der Begründung seines Wohnsitzes, da er laut amtlichen Meldezettel in der angegebenen Adresse keinen ordentlichen Wohnsitz begründete bzw. zum Zeitpunkt der Inhaftierung keinen Wohnsitz angeben konnte.
Es konnte daher die belangte Behörde zu Recht annehmen, daß sich der Beschwerdeführer nicht der österreichischen Rechtsordnung unterwerfen will, daher in seinem rechtswidrigen strafbaren Verhalten verharrt bzw. dieses Verhalten fortsetzen wird. Es ist daher, da er nicht gewillt ist, das Bundesgebiet von Österreich freiwillig zu verlassen, ein zwangsweises Abschieben und die diesbezügliche Sicherung des Verfahrens erforderlich. Eine Sicherung der Abschiebung ist insbesondere erforderlich, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten ist, daß sich der Beschwerdeführer einer zwangsweisen Abschiebung durch die Fremdenpolizeibehörde zu entziehen sucht. Wenn auch in der Beschwerde eingewendet wird, daß sich der Beschwerdeführer in Wels polizeilich anmelden wollte und dort seinen Wohnsitz begründen wollte, so ist dem entgegenzuhalten, daß er den übrigen Anordnungen, insbesondere dem vollstreckbaren Aufenthaltsverbot keine Folge leistete. Aus Gründen des Sicherungsbedürfnisses war daher die Verhängung als auch die weitere Anhaltung in Schubhaft seit dem 22.7.1992 rechtmäßig.
Nicht zutreffend ist die Auslegung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Bescheides über den Vollstreckungsaufschub, da dieser jedenfalls mit rechtskräftigem Abschluß des Asylverfahrens endet, sollte dieser aber später als am 16.11.1992 sein, so endet der Aufschub am 16.11.1992. Verkannt wird auch die Situation, daß trotz des Vollstreckungsaufschubes der Aufenthalt nicht rechtmäßig ist bzw. dem Beschwerdeführer trotz des Vollstreckungsaufschubes die mit dem Aufenthaltsverbot entzogene Aufenthaltsberechtigung nicht zukommt.
Gleiches gilt auch für die Mitteilung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 24.7.1992. Wird damit auch die Wirksamkeit und Vollstreckung des angefochtenen Bescheides aufgeschoben, so tritt aber der angefochtene Bescheid an sich nicht bereits außer Kraft, sondern es ist bis zu einer anders lautenden Entscheidung des Gerichtshofes öffentlichen Rechts das Asylverfahren negativ abgeschlossen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verkennt nämlich die Rechtslage insoweit, als ein formell rechtskräftiger Bescheid (ein ordentliches Rechtsmittel ist nicht mehr zulässig) zwar in der Regel auch vollstreckbar ist, daß aber bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde die Vollstreckbarkeit ausgesetzt wird. Ist daher auch mit der Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes, also mit der Abschiebung selbst zuzuwarten, so hindert dies nicht ein Verfahren bzw. Maßnahmen zur Sicherung dieser Abschiebung. Es hindert daher auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwar die Abschiebung selbst, aber nicht die Verhängung der Schubhaft. Diese ist im Gegenteil sogar geboten, um eine allfällige Abschiebung dann zum raschest möglichen Zeitpunkt zu gewährleisten."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 30. November 1992, B 741/92 und Folgezahl, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit dem weiteren Beschluß vom 12. März 1993 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz kann ein Fremder von der Behörde zur Vorbereitung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung vorläufig in Verwahrung genommen werden (Schubhaft), wenn dies im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder aus dem Grunde notwendig erscheint, um ein unmittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern.
Wer in Schubhaft genommen oder angehalten wird, hat gemäß § 5a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit der Festnahme oder Anhaltung anzurufen.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 1992, G 346/91 und Folgezahlen) hat der unabhängige Verwaltungssenat über die Frage der Rechtmäßigkeit der Anhaltung im Zeitpunkt seiner Entscheidung, gegebenenfalls im Zeitpunkt unmittelbar vor der Freilassung des Fremden, zu befinden.
In dem somit auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides (dem 30. Juli 1992 als dem Tag der Zustellung) war der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juni 1992 bereits - mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juli 1992 - gemäß § 85 Abs. 2 VfGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof hat zur Folge, daß der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid vorläufig keine Rechtswirkungen zu äußern vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zlen. 93/18/0084, 0085). Dies bedeutet, daß der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Juni 1992 - ungeachtet des Eintrittes seiner formellen Rechtskraft - aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der gegen ihn erhobenen Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht imstande war, den Abschluß des Asylverfahrens zu bewirken. Daraus ergibt sich aber, daß dem Beschwerdeführer zum angeführten Zeitpunkt der mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Juni 1992 bewilligte Aufschub der Vollstreckbarkeit des Aufenthaltsverbotes zugute kam.
Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde, wenn sie ausgehend davon, daß dem Beschwerdeführer der Vollstreckungsaufschub hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zugekommen sei, die Rechtmäßigkeit der Schubhaft bejahte.
Der Umstand, daß sich ein Fremder, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde und dem ein Aufschub der Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes bewilligt wurde, während der Dauer des Vollstreckungsaufschubes im Bundesgebiet aufhält, vermag FÜR SICH ALLEIN nicht das in § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz für die Schubhaft erforderliche Interesse zu begründen, impliziert doch die Annahme der in § 6 Abs. 2 zweiter Satz Fremdenpolizeigesetz als Voraussetzung zur Gewährung des Vollstreckungsaufschubes geforderten triftigen Gründe das Nichtbestehen eines solchen Interesses.
Daß der Beschwerdeführer vor der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof das - damals - vollstreckbare Aufenthaltsverbot nicht befolgt hat, rechtfertigt jedenfalls im maßgebenden Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er "laut amtlichem Meldezettel in der angegebenen Adresse keinen ordentlichen Wohnsitz begründete bzw. zum Zeitpunkt der Inhaftierung keinen Wohnsitz angeben konnte", noch nicht die Annahme, daß er sich einer zwangsweisen Abschiebung durch die Fremdenpolizeibehörde zu entziehen suchte, zumal der im Akt erliegende Meldezettel in der Rubrik "verzogen nach" die Angabe "W, S-Str. 21" aufweist. Daß der Beschwerdeführer dort tatsächlich nicht Unterkunft nehmen wollte, hat die Behörde nicht angenommen. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer auch nach den Feststellungen der belangten Behörde in Wels einer Beschäftigung nachgegangen ist. Worauf die Feststellung, daß für den Beschwerdeführer eine behördliche Beschäftigungsbewilligung lediglich bis zum 30. Juni 1992 vorliege, gestützt wird, ist der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang sei auf den im Verwaltungsakt in Ablichtung erliegenden Bescheid des Arbeitsamtes Wels verwiesen, mit welchem für den Beschwerdeführer für die berufliche Tätigkeit als Verpacker für die Zeit vom 22. Juni 1992 bis 31. Dezember 1992 die Beschäftigungsbewilligung "für den örtlichen Geltungsbereich Arbeitsamt Wels" erteilt wurde.
Daß die Schubhaft notwendig erscheint, um ein umittelbar zu befürchtendes strafbares Verhalten des Fremden zu verhindern, geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit der gebotenen Klarheit hervor. Mit den allenfalls in diese Richtung deutenden Wendungen, in denen von einem Verharren in einem rechtswidrigen strafbaren Verhalten bzw. von der Fortsetzung dieses Verhaltens die Rede ist, wird den Begründungserfordernissen nach § 60 AVG nicht entsprochen.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begriff der aufschiebenden WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180115.X00Im RIS seit
20.11.2000