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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der B in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. April 1993, Zl. Fr 729/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 7. April 1993 wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
In der Begründung ihrer Entscheidung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin am 2. November 1992 mit einem Bus, ohne im Besitz des erforderlichen österreichischen Sichtvermerkes zu sein, in das Bundesgebiet eingereist sei. Der von der Beschwerdeführerin am 6. November 1992 gestellte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. November 1992 abgewiesen worden; über die dagegen erhobene Berufung sei noch nicht entschieden worden. Der Beschwerdeführerin stehe keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zu, weil sie nicht direkt aus dem Staat komme, in dem sie behaupte, Verfolgung befürchten zu müssen. Sie sei auf dem Landweg nach Österreich eingereist und habe nicht behauptet, in einem an Österreich angrenzenden Staat verfolgt zu werden. Die Beachtung der Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher Vorschriften bzw. der Vorschriften über die rechtmäßige Einreise und den rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden sei ein solches Gewicht beizumessen, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gegeben sei. Die Ausweisung der Beschwerdeführerin sei somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluß vom 21. Juni 1993, B 1016/93). Vor diesem Gerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.
Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
2.1. Die Beschwerdeführerin hält ihre Ausweisung für inhaltlich rechtswidrig, weil ihr eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen sei. Dies im Hinblick darauf, daß sie direkt aus der Türkei nach Österreich eingereist sei, insbesondere in den Ländern auf dem Weg von der Türkei nach Österreich weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, einen Asylantrag zu stellen. Die diesbezüglichen Sachverhaltsermittlungen der belangten Behörde reichten nicht aus, da aufgrund der von ihr getroffenen Feststellungen nicht überprüft werden könne, wie sich die Durchreise der Beschwerdeführerin von der Türkei nach Österreich "tatsächlich abgespielt hat".
2.2. Vorweg ist festzuhalten, daß weder mit diesem noch mit einem anderen Beschwerdevorbringen die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei am 2. November 1992 auf dem Landweg (mit dem Bus) aus der Türkei kommend nach Österreich, und zwar ohne den erforderlichen österreichischen Sichtvermerk, eingereist, bestritten wird. Von daher gesehen ist mit der belangten Behörde in rechtlicher Hinsicht davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin seit diesem Zeitpunkt im Grunde des § 15 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich war aber auch kein rechtmäßiger im Grunde des § 15 Abs. 1 Z. 3 leg. cit., da ihr keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 zukam. Zur Widerlegung der in der Beschwerde vertretenen gegenteiligen Auffassung wird auf die dazu ergangene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (außer dem von der belangten Behörde zutreffend angeführten Erkenntnis vom 25. November 1991, Zl. 91/19/0187, vgl. etwa die Erkenntnisse vom 3. Dezember 1992, Zl. 92/18/0452, vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/18/0511, und vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0213) verwiesen (§ 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG).
2.3. Was die gebotene Bedachtnahme auf § 19 FrG anlangt, so bewirkt die Tatsache des Aufenthaltes der Eltern sowie eines Bruders und einer Schwester der Beschwerdeführerin in Österreich infolge der Kürze des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin keinen relevanten Eingriff durch die Ausweisung in ihr Privat- oder Familienleben. Denn einerseits behauptet die Beschwerdeführerin nicht, zu den Genannten intensive Beziehungen zu haben, anderseits verhindert die Ausweisung nicht jene Kontakte der Beschwerdeführerin zu diesen Personen, wie sie vor ihrem erst kurz bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich (Einreise am 2. November 1992) möglich waren.
Angesichts des Fehlens eines relevanten Eingriffes in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG war eine Prüfung der Frage entbehrlich, ob die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0189).
3. Den Verfahrensrügen, daß der Beschwerdeführerin kein Parteiengehör gewährt worden sei und sie daher keine Möglichkeit gehabt habe, ihre Reiseroute und "Modalitäten" der Reise darzulegen, sowie daß der "Asylakt" nicht beigeschafft worden sei, ist im Hinblick auf die Ausführungen oben 2.2. der Boden entzogen.
4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (daher auch ohne Mängelbebebungsauftrag hinsichtlich einer weiteren Beschwerdeausfertigung für den Bundesminister für Inneres) als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180309.X00Im RIS seit
20.11.2000