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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §15 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Ö, derzeit in Schubhaft, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. Mai 1993, Zl. St 180-2/92, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 6. Mai 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde folgendes aus:
Der Beschwerdeführer sei Ende Juli 1992 mit einem bis 30. Oktober 1992 gültigen Sichtvermerk der Bundesrepublik Deutschland sichtvermerksfrei in Österreich eingereist (§ 2 Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 95a/1990). Am 30. September 1992 habe er die österreichische Staatsangehörige Jutta W. geheiratet. Diese habe wiederholt (vor verschiedenen Behörden) ausgesagt, die Ehe gegen Bezahlung geschlossen zu haben, damit der Beschwerdeführer in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung erhalte und hier arbeiten könne. Nach der standesamtlichen Trauung sei jeder seine Wege gegangen; die Ehe sei nicht vollzogen worden (Niederschrift vom 21. Oktober 1992 vor der BH Gmunden). Sie hätten nie eine aufrechte Ehegemeinschaft gehabt und es habe auch nie die Absicht bestanden, eine solche irgendwann zu begründen (Niederschrift vom 27. Oktober 1992 vor der BH Kirchdorf a.d. Krems). Sie habe für die Eheschließung S 40.000,-- erhalten; sie habe nie die Absicht gehabt, mit dem Beschwerdeführer eine Lebensgemeinschaft einzugehen oder einen gemeinsamen Wohnsitz zu begründen (Niederschrift vom 19. Jänner 1993 vor der belangten Behörde). Die Gattin des Beschwerdeführers habe auch ausgesagt, sie sei wegen ihrer Absicht, sich scheiden zu lassen, sogar von anderen Personen bedroht worden. Der Beschwerdeführer stehe derzeit in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis, halte sich aber seit Ende Oktober 1992 unberechtigt im Bundesgebiet auf.
Aufgrund der Angaben der Gattin des Beschwerdeführers nehme die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer die Ehe nur zu dem Zweck eingegangen sei, um sich die Aufenthaltsberechtigung und in der Folge eine Beschäftigungsbewilligung zu verschaffen. Daß es sich bei einer solchen Vorgangsweise um einen evidenten Rechtsmißbrauch handle, liege auf der Hand, selbst wenn die Ehe formell rechtsgültig sei. Dazu komme, daß sich der Beschwerdeführer nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des deutschen Sichtvermerkes unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte und keine Anstalten getroffen habe, den Aufenthalt zu legalisieren. Dieser Sachverhalt lasse die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß durch den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährdet werde.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Verteidigung der Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) i.S. des § 19 FrG dringend geboten, "um nicht letztlich gesellschaftliche Institutionen wie die Ehe gleichsam zu einer Ware herabsinken zu lassen, deren Wert sich nach Marktmechanismen richtet".
Bei der Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG sei davon auszugehen, daß die Ehe des Beschwerdeführers nicht in der Absicht eines gemeinsamen Zusammenlebens geschlossen worden sei. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers - wobei ohnehin nur der erlaubte zu berücksichtigen sei - sei nicht so lange, daß dies die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nur entfernt aufwiegen könnte. Daß der Beschwerdeführer im Bundesgebiet einer Beschäftigung nachgehe, führe zu keiner anderen Beurteilung, da er sich insoweit nicht an den hiefür gesetzlich vorgezeichneten Weg gehalten habe. Das Aufenthaltsverbot sei somit auch zulässig im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 18 Abs. 1 Z. 1, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:
§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt
1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet.
§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.
§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
2.
die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
2.
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, ein Aufenthaltsverbot ausschließlich auf § 18 Abs. 1 (Z. 1) FrG (gegebenenfalls unter Bedachtnahme auf § 19 und § 20 Abs. 1 leg. cit.) zu stützen, wenn triftige Gründe vorliegen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle aufweisen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 (Z. 1) leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0213).
3.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß keine Gründe vorlägen, welche die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter Berufung auf § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG rechtfertigen würden. Die Wohnsitz- und Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers seien geregelt; er gehe einer geregelten Beschäftigung nach; er habe sich keiner gerichtlich strafbaren Handlungen schuldig gemacht, auch "entsprechende Vorstrafen verwaltungsrechtlicher Art" bestünden nicht; auch sei zu berücksichtigen, daß er mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtswirksam verheiratet sei. Schließlich stehe die Bestimmung des § 20 FrG der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegen.
3.2. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde das nach § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG bedeutsame Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers durch die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin einerseits und den mehrmonatigen unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich anderseits als verwirklicht ansah. Diese rechtliche Beurteilung begegnet unter der Voraussetzung, daß der hiefür maßgebliche Sachverhalt in einem mängelfreien Verfahren ermittelt wurde, keinen Bedenken.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks - wie von der belangten Behörde als erwiesen angenommen - Beschaffung einer Aufenthaltsberechtigung und eines Befreiungsscheines (§ 15 Abs. 1 Z. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) einen evidenten Rechtsmißbrauch dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0167 mwN). Dieser Mißbrauch stellt ein Verhalten dar, das als gravierende Beeinträchtigung des geordneten menschlichen Zusammenlebens und solcherart als Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu werten ist. Dazu kommt, daß der mehrmonatige rechtswidrige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich im gegebenen Zusammenhang keineswegs gering zu veranschlagen ist, wird doch auch durch die darin gelegene Mißachtung von für das Funktionieren eines geordneten Fremdenwesens wesentlichen Rechtsvorschriften die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigt.
Dieses die öffentliche Ordnung gefährdende Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers erfuhr keine Minderung durch die (behaupteten) geregelten "Wohnsitz- und Einkommensverhältnisse" des Beschwerdeführers sowie den Umstand, daß er einer geregelten Beschäftigung nachgeht; Gleiches gilt für das Fehlen gerichtlicher Verurteilungen und verwaltungsbehördlicher Bestrafungen. Wenn der Beschwerdeführer schließlich meint, es wäre die mit einer österreichischen Staatsbürgerin bestehende Ehe zu seinen Gunsten zu berücksichtigen gewesen, so läßt er - abgesehen davon, daß die Bedachtnahme auf eine aufrechte Ehe eines Fremden allein bei der Interessenabwägung nach § 19 und nach § 20 Abs. 1 FrG in Betracht kommt - völlig außer acht, daß gerade der ihm zur Last liegende Mißbrauch der Einrichtung der Ehe mitbestimmend dafür war, seinen weiteren Aufenthalt in Österreich als ordnungsgefährdend i.S. des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG zu beurteilen.
4.1. Die Beschwerde hält den entscheidungswesentlichen Sachverhalt deshalb als unzureichend festgestellt, weil die belangte Behörde keine Gegenüberstellung des Beschwerdeführers mit seiner Gattin veranlaßt habe. Wäre eine Gegenüberstellung vorgenommen worden, so hätte er die Richtigkeit seiner Behauptungen - er habe wiederholt in Abrede gestellt, daß es sich um eine "Scheinehe" handle - unter Beweis stellen können.
4.2. Nach dem AVG besteht kein Recht der Partei auf Gegenüberstellung mit einem Zeugen - es sei denn, es wäre dies aus besonderen Gründen, wie etwa bei der Möglichkeit einer Personenverwechslung, notwendig (vgl. dazu die hg.
Rechtsprechung bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 230). Daß im Beschwerdefall besondere, eine Gegenüberstellung gebietende Gründe vorgelegen wären, wird in der Beschwerde nicht einmal behauptet.
Insofern sich dieser Beschwerdeeinwand gegen die behördliche Beweiswürdigung schlechthin richtet, indem der Behörde erkennbar zum Vorwurf gemacht wird, daß sie nicht den eine "Scheinehe" bestreitenden Behauptungen des Beschwerdeführers gefolgt sei, ist zu erwidern, daß sich die belangte Behörde mit ihrer Beurteilung, der Beschwerdeführer sei die Ehe rechtsmißbräuchlich eingegangen, auf konkrete und eindeutige Angaben der Gattin des Beschwerdeführers zu stützen vermochte (vgl. oben I.1.). Der Beschwerdeführer tut nicht dar, weshalb die belangte Behörde diesen vor verschiedenen Behörden gemachten und durchaus nachvollziehbaren Aussagen seiner Gattin nicht hätte Glauben schenken dürfen. Zum einen zieht er die Glaubwürdigkeit seiner Gattin nicht in Zweifel, insbesondere behauptet er nicht einmal die Unrichtigkeit ihrer im angefochtenen Bescheid im einzelnen wiedergegebenen Aussagen; zum anderen läßt er es bei dem Hinweis bewenden, das Vorliegen einer "Scheinehe" wiederholt in Abrede gestellt zu haben. Von daher gesehen vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden (eingeschränkten) Prüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig zu erkennen.
5. Die in der Beschwerde geäußerte Ansicht, § 20 FrG stehe der Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer entgegen, bleibt begründungslos. Im Hinblick auf die in einem mängelfreien Verfahren als erwiesen angenommene rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer ist es diesem verwehrt, sich unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privat- oder Familienlebens i.S. des § 19 FrG auf das Bestehen dieser Ehe zu berufen. Auch das aufrechte Arbeitsverhältnis vermag der Beschwerdeführer nicht zu seinen Gunsten ins Treffen zu führen, da es sich hiebei um eine vom Beschwerdeführer entgegen den den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften geschaffene, und solcherart nicht zu berücksichtigende Tatsache handelt.
Da somit das Vorliegen eines relevanten Eingriffes in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers zu verneinen ist, war nicht mehr zu prüfen, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist, und des weiteren auch eine Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG entbehrlich (vgl. dazu die hg. Entscheidung vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0112, und die seither ständige Rechtsprechung).
6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Schlagworte
Beweismittel Zeugenbeweis Gegenüberstellung Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Gegenüberstellung FragerechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180301.X00Im RIS seit
11.07.2001