TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/29 93/18/0195

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.07.1993
beobachten
merken

Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ARG 1984 §3 Abs2;
StGB §33 Z2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Februar 1993, Zl. MA 63-H 17/92/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer neuerlich - der im ersten Rechtsgang erlassene Bescheid der belangten Behörde vom 2. Jänner 1991 war vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. Oktober 1992, Zl. 92/18/0047, im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben worden - wegen zahlreicher Übertretungen des § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes bestraft.

2. Durch diesen im fortgesetzten Verfahren ergangenen Ersatzbescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf "richtige Bemessung der Strafe" verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und begehrt, aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde erstattete - unter gleichzeitiger Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens - eine Gegenschrift und beantragt die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zufolge der Begründung des bekämpften Bescheides sei das "Ausmaß der mit den Taten verbundenen Schädigung bzw. Gefährdung der Interessen, deren Schutz der § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes dient, nämlich dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch Festsetzung des Beginnes der Wochenendruhe am Samstag um spätestens 15 Uhr zur Erholung und Freizeit am Wochenende, nicht als geringfügig zu bewerten". Bei der Strafbemessung sei "auch zu berücksichtigen das Ausmaß der Beschäftigung nach 15 Uhr, im gegenständlichen Fall eine Stunde und fünfzehn Minuten". Weiters könne "auch nicht außer acht bleiben, daß dem Berufungswerber aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 26. Mai 1989 betreffend Inventurarbeiten am 1. April 1989 bekannt sein mußte, daß die gegenständlichen Inventurarbeiten abermals entgegen den Bestimmungen des Arbeitsruhegesetzes durchgeführt wurden". "Als Milderungsgrund war die Unbescholtenheit zu berücksichtigen, auf weitere Erschwerungsgründe war im Verfahren nicht Bedacht zu nehmen."

2.1. Der in der Beschwerde geäußerten Ansicht, daß der erste Satz der vorstehend wiedergegebenen tragenden Begründung der Strafbemessung "völlig inhaltsleer" sei, kann nicht beigepflichtet werden. Vielmehr kommt in ihm der nachvollziehbare Gedanke zum Ausdruck, daß bei einem Verstoß gegen § 3 Abs. 2 des Arbeitsruhegesetzes, einer Norm, die dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer dient, zufolge des besonders hohen Stellenwertes des geschützten Rechtsgutes der Unrechtsgehalt der Tat (objektives Strafzumessungskriterium gemäß § 19 Abs. 1 VStG) jedenfalls nicht als gering zu veranschlagen sei. Von daher gesehen besteht kein rechtlicher Einwand dagegen, daß die belangte Behörde als weiteres objektives Kriterium der Strafbemessung (arg.: "auch zu berücksichtigen") das konkrete Ausmaß der Beschäftigung der Arbeitnehmer nach 15 Uhr, nämlich eineinviertel Stunden, ins Treffen führte und dieses durchaus nicht zu vernachlässigende Ausmaß der Arbeit nach dem gesetzlich vorgesehenen Beginn der Wochenendruhe als die objektive Gefährdung der besagten geschützten Interessen verstärkend wertete. Ebensowenig zu Bedenken Anlaß gibt schließlich der vom Beschwerdeführer gerügte Umstand, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anders als in ihrem vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid vom 2. Jänner 1991 das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer als vom Schutzzweck des § 3 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes umfaßt erkannte, kann doch ein diesbezügliches "Zukurzgreifen" im genannten aufgehobenen Bescheid (dort war nur die Gesundheit der Arbeitnehmer als geschütztes Rechtsgut bezeichnet worden) nicht zu einer Rechtswidrigkeit der insoweit zutreffenden Beurteilung im hier allein interessierenden bekämpften Ersatzbescheid führen.

2.2. Unbeschadet dessen haftet dem angefochtenen Bescheid inhaltliche Rechtswidrigkeit an. Die belangte Behörde wertete den Umstand, daß ihrer Meinung nach dem Beschwerdeführer aufgrund einer früheren Anzeige des Arbeitsinspektorates habe bekannt sein müssen, daß die gegenständlichen Inventurarbeiten (nach Beginn der Wochenendruhe) abermals unter Verstoß gegen das Arbeitsruhegesetz durchgeführt worden seien, zu Lasten des Beschwerdeführers, und zwar, wenn auch nicht expressis verbis, so doch im Hinblick darauf, daß nach der daran anschließenden

Begründung "auf weitere Erschwerungsgründe ... nicht Bedacht zu

nehmen (war)", klar erkennbar als Erschwerungsgrund. Diese Beurteilung entbehrt schon deshalb der Grundlage, weil die Tatsache einer früher erstatteten gleichgerichteten Anzeige des Arbeitsinspektorates für sich allein nicht den Schluß rechtfertigt, dem Beschwerdeführer habe die Gesetzwidrigkeit der ein Jahr später stattgefundenen (hier inkriminierten) Arbeiten bekannt sein müssen. Aus diesem Grund Vorsatz des Beschwerdeführers in bezug auf eine Tat, zu deren Begehung Fahrlässigkeit ausreicht, anzunehmen und dies als Erschwerungsgrund zu werten, war der belangten Behörde demnach verwehrt. Die Gleichsetzung einer bloßen Anzeige mit einer als erschwerend wirkenden rechtskräftigen Vorstrafe i.S. des § 33 Z. 2 StGB kam ebenfalls nicht in Betracht. Wenn die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift ausführt, sie habe das Wissen des Beschwerdeführers um die Gesetzwidrigkeit seines Verhaltens unter dem Gesichtspunkt des Ausmaßes des Verschuldens (§ 19 Abs. 2 VStG) zu Lasten des Beschwerdeführers berücksichtigt, so würde selbst dann, wenn diese - mit der Bescheidbegründung nicht in Einklang stehende - Argumentation zuträfe, auch insofern das zuvor zur unzulässigen Annahme von Vorsatz des Beschwerdeführers Gesagte gelten.

3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen (II.2.2.) war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände SchuldformErschwerende und mildernde Umstände Vorstrafen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180195.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten