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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgteLeitsatz
Zurückweisung der Beschwerde gegen den Stadtschulrat von Wien wegen "Suspendierung" vom Dienst bzw "Weisung, die Schule sofort zu verlassen" mangels eines tauglichen Beschwerdegegenstands; Zurückweisung der Beschwerde gegen die "Verweigerung der Akteneinsicht" mangels genauer Darlegung des SachverhaltsSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mag. F G trat am 3. September 1990 seinen Dienst als Vertragslehrer an der Bundesfachschule für wirtschaftliche Berufe in 1170 Wien, Kalvarienberggasse 28, an. Am 3. Oktober 1990 sprach die Direktorin der Schule (im Namen des Stadtschulrates für Wien) den Verzicht auf die Dienstleistung aus. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1990, zugestellt am 30. Oktober 1990, kündigte der Stadtschulrat für Wien das Dienstverhältnis gemäß §32 Abs1 und §48 Abs2 Vertragsbedienstetengesetz 1948, BGBl. 86, mit 31. Oktober 1990 zum 30. November 1990.
Am 9. Oktober 1990 brachte Mag. G eine Beschwerde gemäß
Art144 Abs1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof ein, in der er
sich a) gegen die "Suspendierung im Bereich des Stadtschulrats für
Wien . . . am 3. Oktober 1990 - mündlich", b) gegen die
"Verweigerung der Akteneinsicht . . . vom 8. Oktober 1990" und c)
gegen die "Weisung vom 3. Oktober 1990 . . . , die Schule sofort zu
verlassen", wandte. Er beantragte unter anderem die "Aufhebung dieser Bescheide, Weisungen und Akte", die "Feststellung der Rechtsverletzungen", die Bewilligung der Verfahrenshilfe sowie, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
1.2. Mit Beschluß vom 30. Oktober 1990 bewilligte der Verfassungsgerichtshof die Verfahrenshilfe. Mit Schreiben vom 7. November 1990 forderte er den vom Ausschuß der zuständigen Rechtsanwaltskammer zum Vertreter zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt auf, innerhalb von sechs Wochen eine verbesserte Beschwerde einzubringen. Auf die für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof geltenden Formvorschriften wurde dabei hingewiesen.
Nach einer Umbestellung des Verfahrenshelfers brachte der nunmehr bestellte Rechtsanwalt die vom Beschwerdeführer verfaßte Beschwerde, versehen mit Stampiglie und Unterschrift, im übrigen aber unverändert, neuerlich ein und wies in seinem Schriftsatz darauf hin, daß er dies auf ausdrückliche Anordnung des Beschwerdeführers tue.
1.3. Der belangte Stadtschulrat für Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in seiner Gegenschrift die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Beschwerde.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Zu den Beschwerdepunkten a) und c):
2.1.1. Vorausgeschickt wird, daß dieses beim Verfassungsgerichtshof am 1. Jänner 1991 bereits anhängig gewesene Verfahren gemäß Art144 B-VG kraft der Übergangsbestimmung des ArtIX Abs2 (iVm ArtX Abs1 Z1) des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685, nach der "bisherigen" Rechtslage, dh. nach der Rechtslage bis zum 31. Dezember 1990, zu Ende zu führen ist, und zwar gleichgültig, ob die angefochtenen Verwaltungsakte vom Beschwerdeführer als Bescheide oder als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert werden.
2.1.2. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF vor der B-VG-Nov. 1988 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, so auch verwaltungsbehördliche "Befehle", die durch Androhung unmittelbar folgenden physischen Zwangs sanktioniert sind (VfSlg. 7829/1976, 8145/1977, 8146/1977, 9614/1983, 9770/1983, 9922/1984; VfGH 25.9.1990 B945/90 uam.).
Unverzichtbares Inhaltsmerkmal eines verfahrensfreien Verwaltungsaktes in der Erscheinungsform eines - alle Voraussetzungen des Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF vor der B-VG-Nov. 1988 erfüllenden - "Befehls", dh. der "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt", bildet also der Umstand, daß dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird (vgl. VfGH 25.9.1990 B945/90).
Dies trifft hier nach dem Beschwerdevorbringen nicht zu. (Aber auch ein Bescheid liegt nicht vor, sondern nur eine Weisung, die sich einer Anfechtung im Beschwerdeverfahren nach Art144 Abs1 B-VG entzieht (VfSlg. 9866/1983, 11.089/1986). Daß es sich bei dem angefochtenen Vorgang ungeachtet der Wortwahl in der Beschwerdeschrift um keine "Suspendierung" iSd §112 BDG 1979, BGBl. 333, handelt, ergibt sich schon daraus, daß §112 BDG auf den Beschwerdeführer, der als Vertragslehrer in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand, gar nicht angewendet werden konnte.)
2.2. Zum Beschwerdepunkt b):
Soweit die Beschwerde die Verweigerung der Akteneinsicht bekämpft, enthält sie keine genaue Darlegung eines Sachverhaltes. Dieses Erfordernis ist jedoch für Anträge an den Verfassungsgerichtshof gemäß §15 Abs2 und §82 Abs2
VerfGG 1953 zwingend vorgeschrieben. Das Fehlen solcher Ausführungen in einer Beschwerde ist kein nach §18 VerfGG 1953 verbesserungsfähiger Formmangel, sondern ein inhaltlicher Fehler. Ist eine Beschwerde aber mit inhaltlichen Fehlern behaftet, führt dies zu ihrer Zurückweisung (VfSlg. 9798/1983; VfGH 15.6.1987 B363/87; 28.6.1988 B1132/88; 11.6.1990 B1577/89).
Der zur Verfahrenshilfe bestellte Rechtsanwalt brachte, indem er die Beschwerdeschrift trotz Aufforderung, sie zu verbessern, und obwohl er auf die für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof geltenden Formvorschriften ausdrücklich hingewiesen worden war, (im Auftrag des Beschwerdeführers - s. Abschnitt 1.2.) inhaltlich unverändert wieder vorgelegt hat, eine im Sinn dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes mit inhaltlichen Mängeln behaftete (unzulässige) Beschwerde ein (VfGH 11.6.1990 B1577/89).
2.3. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
2.4. Bei diesem Verfahrensergebnis erübrigt es sich, über den Antrag auf aufschiebende Wirkung abzusprechen. Dem Verfassungsgerichtshof war es auch verwehrt, auf die zahlreichen Anregungen zu Normenprüfungsverfahren einzugehen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und c VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
Bescheidbegriff, Weisung, Dienstrecht, Disziplinarrecht Lehrer, Suspendierung, Lehrer, VfGH / FormerfordernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1165.1990Dokumentnummer
JFT_10089774_90B01165_00