TE Vwgh Beschluss 1993/8/11 92/14/0144

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Veröffentlicht am 11.08.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;

Norm

VwGG §61;
ZPO §68;

Betreff

Der Antrag des mitbeteiligten M in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, dem Beschwerdeführer Ing. D in L, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt Dr. L, die mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1992, 92/14/0144-9, bewilligte Verfahrenshilfe zur Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 22. Mai 1992, Zl. 6/129/1-BK-Ma-1992, betreffend Umsatzsteuer und Feststellung von Einkünften

Spruch

gemäß § 188 BAO für das Jahr 1988, zu entziehen,

wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund seiner Angaben im Vermögensbekenntnis vom 17. Oktober 1992 wurde dem Beschwerdeführer mit Beschluß vom 21. Oktober 1992 die Verfahrenshilfe bewilligt. Nach Inhalt des Vermögensbekenntnisses hatte der Beschwerdeführer für eine 55 m2 Wohnung Betriebskosten von S 4.614,-- zu bezahlen; er war arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld von täglich S 461,--, wovon die Hälfte vom Arbeitsamt einbehalten wurde, sodaß er täglich nur über S 230,50 verfügte; der Beschwerdeführer war für die Ehegattin sowie für zwei Töchter (Medizinstudentin, Schülerin) unterhaltspflichtig. Eines der Kinder leidet an einem "Knietumor", dessen Behandlung Kosten verursacht. An Vermögen gab der Beschwerdeführer einen ideellen Drittelanteil an einer Liegenschaft (Mietwohnhaus) an, über die Mieteinnahmen von monatlich S 62.000,-- könne wegen der hohen Verschuldung nicht verfügt werden. Weiters führte er drei Lebensversicherungsverträge mit einer Versicherungssumme von zusammen rund S 400.000,--, eine Rechtsschutzversicherung, die - wie die vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen angestellten Ermittlungen ergaben - keine Deckung für die Beschwerde bot, und einen nicht mehr verkehrstauglichen PKW (Baujahr 1978). Seine Schulden bezeichnete der Beschwerdeführer mit S 356.000,-- gegenüber dem Arbeitsamt und mit S 700.000,-- gegenüber einer Sparkasse, wofür er solidarisch hafte. Die Kosten für ausständige Reparaturen am erwähnten Mietwohnhaus ("Dachsanierung, Fassade, einsturzgefährdete Decke, Heizungssanierung, Fenstererneuerung usw.") bezifferte der Beschwerdeführer im Vermögensbekenntnis mit S 2,000.000,--.

Der oben genannte Mitbeteiligte beantragte (in der Gegenschrift) dem Beschwerdeführer die Verfahrenshilfe zu entziehen, weil dieser seine Einkommenssituation unrichtig bzw. unvollständig dargestellt habe. Die Mieteinnahmen aus dem gemeinsamen Ertragsobjekt hätten 1992 brutto S 929.951,-- betragen, der Anteil des Beschwerdeführers daher S 309.983,67. Der Beschwerdeführer verweigere - wirtschaftlich völlig unbegründet - seinen Miteigentümern und sich monatliche Privatentnahmen von S 5.000,-- und erkläre auf diese nicht angewiesen zu sein. Der Beschwerdeführer habe nicht angegeben, daß er aus dem Titel "Steuerausgleich 1992" S 131.269,-- erhalten habe. Weiters fehlten Angaben über nicht unbeträchtliche Bezüge aus umfangreichen Diensten des Beschwerdeführers für das Österreichische Bundesheer im Rahmen von Milizübungen und über Einkünfte aus einer Tätigkeit für ein näher bezeichnetes österreichisches Unternehmen, für das der Beschwerdeführer von Oktober 1991 bis März 1992 in Rußland tätig gewesen sei.

Der Beschwerdeführer beantragte, die Verfahrenshilfe aufrecht zu erhalten. Seine Verweigerung von Privatentnahmen erfolge nicht deshalb, weil er nicht darauf angewiesen sei, sondern weil "eine Freigabe der Zession" wirtschaftlich nicht tragbar wäre, sei doch die Liegenschaft entsprechend hoch belastet. Die Einnahmen dienten daher zur Erhaltung des Hauses und zur Abdeckung der seinerzeit übernommenen Darlehen. Von der Miteigentümerin und Ehegattin des oben genannten Mitbeteiligten seien zwar 1992 gewisse Beträge unter der Bezeichnung "Steuerausgleichsbetrag" an den Beschwerdeführer geflossen; dies ergebe monatlich S 10.000,--, also einen für die Verfahrenshilfe irrelevanten Betrag. Für die Dauer von Waffenübungen erhalte der Beschwerdeführer nach heeresrechtlichen Vorschriften den Betrag bezahlt, der während dieser Zeit als Arbeitslosengeld ruhe. Die Tätigkeit im Ausland für das österreichische Unternehmen sei im März 1992 beendet worden, sodaß diese Einkünfte im Zeitpunkt des Antrages um Verfahrenshilfe nicht mehr bestanden hätten.

Der Verwaltungsgerichtshof holte Auskünfte des Bundesministeriums für Landesverteidigung und des erwähnten österreichischen Unternehmens über die Ansprüche des Beschwerdeführers sowie die an diesen gleisteten Zahlungen ein und ließ den oben genannten Mitbeteiligten zur Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe vernehmen. Zu den Ermittlungsergebnissen wurde dem Mitbeteiligten und dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt. Der Beschwerdeführer brachte daraufhin noch vor, daß die aus der Auslandstätigkeit für das österreichische Unternehmen von Oktober 1991 bis April 1992 aufgelaufenen Kosten so hoch gewesen seien, daß keine Rücklagen gebildet hätten werden können. Die erzielten Einkünfte seien für den Familienunterhalt aufgegangen. Die Zahlungen des Bundesheeres seien im wesentlichen mit der Arbeitslosenunterstützung ident gewesen. Der Mitbeteiligte verwies in seiner Äußerung auf sein bisheriges Vorbringen und vertrat die Meinung, auf Grund der hervorgekommenen Einkommens- und Vermögenssituation des Beschwerdeführers seien die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht gegeben.

Auf Grund der durchgeführten Ermittlungen steht fest:

Die Mieteinnahmen aus dem Haus von brutto S 931.818,86 im Jahre 1992 wurden zur Abdeckung von Schulden aus der Gebäudeerhaltung gegenüber einer Sparkasse verwendet. Im Juli 1992 betrug dieser Schuldenstand S 524.823,98, am 31. Dezember 1992 S 777.614,66 (Aussage des Mitbeteiligten vor dem Rechtshilfegericht).

Der Beschwerdeführer leistete 1992 zwölf freiwillige Waffenübungen und drei Kaderübungen mit einer Gesamtzahl von 85 Übungstagen. Er erhielt pro Tag Entschädigung in Höhe des Arbeitslosengeldes, Pauschalentschädigung und Taggeld, insgesamt also (bis 30. Juni 1992) netto S 613,10 bzw. (ab 1. Juli 1992) netto S 620,10 (Auskunft OZ 32).

Für das erwähnte österreichische Unternehmen war der Beschwerdeführer vom 1. Oktober 1991 bis 7. April 1992 im Ausland tätig. Von Jänner bis 30. Juli 1993 erhielt der Beschwerdeführer von dem Unternehmen S 191.470,21 ausbezahlt, hievon S 41.322,01 am 10. Juni 1992 (und als letzten Teilbetrag) am 30. Juli 1992 S 11.850,-- (Auskunft OZ 30).

Von der Ehegattin des Mitbeteiligten als Miteigentümerin des Mietwohnhauses erhielt der Beschwerdeführer 1992 insgesamt S 131.269,-- mit unterschiedlicher Verwendungszweckangabe ("Telefonspesenersatz, Einkommensteuerausgleich, Steuerausgleichszahlung, Privatentnahme") überwiesen, hievon in der zweiten Jahreshälfte 1992: Am 6. August 1992 S 30.000,--, am 10. September 1992 S 26.600,--, am 12. Oktober 1992 S 3.360,--, am 9. Dezember 1992 S 4.000,-- und S 14.300,-- (Aussage des Mitbeteiligten vor dem Rechtshilfegericht).

Dieser Sachverhalt war rechtlich wie folgt zu beurteilen:

Gemäß § 68 Abs. 2 ZPO ist die Verfahrenshilfe soweit zu entziehen, als sich herausstellt, daß die seinerzeit angenommenen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen sind. Die Entziehung der Verfahrenshilfe bewirkt die rückwirkende Beseitigung der Begünstigung (ex tunc ab der Bewilligung) und führt zur Nachzahlungspflicht für alle gestundeten Beträge und das Honorar des Verfahrenshilfeanwalts. Entziehungsgrund ist das Fehlen der Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe schon im Zeitpunkt ihrer damals erfolgten Bewilligung (vgl. Fasching, Lehrbuch2, Rz 502).

Da die vom Mitbeteiligten beantragte Entziehung der Verfahrenshilfe ex tunc wirkt, ist der Antrag durch die Beendigung des Rechtsstreites (Erkenntnis vom 20. April 1993) nicht gegenstandslos geworden. Er war daher meritorisch zu erledigen.

Bei der Entscheidung über die Verfahrenshilfe war am 21. Oktober 1992 von den Angaben im Vermögensbekenntnis vom 17. Oktober 1992 auszugehen, da dem Gericht diese Angaben nicht schon zufolge seiner Amtstätigkeit als unrichtig bekannt waren (vgl. Fasching, Lehrbuch2, Rz 497) und zur Veranlassung einer weiteren Ergänzung kein Anlaß bestand.

Die Verfahrenshilfe war auf Grund der Angaben im Vermögensbekenntnis zu bewilligen, weil der Beschwerdeführer danach außer Stande war, ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes für sich und seine Familie die Prozeßkosten zu bestreiten. Im Hinblick auf die Befristung der Beschwerde hätten dem Beschwerdeführer diese Kosten ohne die erwähnte Beeinträchtigung - ungeachtet der Unterbrechung der Beschwerdefrist durch den Verfahrenshilfeantrag - innerhalb angemessener Zeit zur Verfügung stehen müssen. Der Beschwerdeführer verfügte laut dem Vermögensbekenntnis nur über S 230,50 täglich an Arbeitslosengeld (monatlich daher S 6.915,--). Er mußte davon sich und seine Familie (insgesamt vier erwachsene Personen) erhalten. Bargeld aus der Vermietung des im Miteigentum stehenden Gebäudes stand laut dem Inhalt des Vermögensbekenntnisses nicht zur Verfügung. Das Arbeitslosengeld reichte zur Deckung des notwendigen Unterhaltes von vier erwachsenen Personen bei weitem nicht aus. Der Verfahrenshilfewerber muß allerdings notfalls auch die Substanz seines Vermögens angreifen, wenn es sich leicht verwerten läßt und nach den besonderen Verhältnissen die Verwertung des Vermögens oder die Belastung zumutbar ist (vgl. Fasching, Lehrbuch2, Rz 489). Ein solcher Eingriff in die Substanz des Vermögens war im vorliegenden Fall nicht zumutbar. Im Hinblick auf die Höhe der vom Beschwerdeführer angegebenen Schulden und der von ihm angeführten Kosten für notwendige Reparaturen am Mietwohnhaus konnte nicht damit gerechnet werden, daß der Beschwerdeführer innerhalb angemessener Zeit die für die Beschwerdeführung notwendigen Mittel durch Belehnung seiner im Vermögensbekenntnis angeführten Werte werde beschaffen können.

Das über den Entziehungsantrag durchgeführte Verfahren hat keinen Sachverhalt ergeben, nachdem die Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe im Zeitpunkt der Bewilligung gefehlt hätten:

Da die Erlöse aus der Vermietung nicht ausreichten, den mit dem Miethaus verbundenen Schuldenstand zu verringern, ist dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, daß Einnahmen aus der Vermietung zur Bestreitung der Prozeßkosten nicht zur Verfügung standen.

Der Ersatz von Auslagen des Beschwerdeführers durch eine Miteigentümerin stellt kein Einkommen dar, die Ersatzansprüche sind Forderungen und daher Vermögen. Im Zeitpunkt der Bewilligung der Verfahrenshilfe betrugen diese Forderungen noch S 4.000,-- und S 14.300,-- (beide bezahlt am 9. Dezember 1992). Sie hätten im Vermögensbekenntnis unter VI.10. als Forderungen angegeben werden müssen. In Anbetracht der geringen Höhe des Einkommens und der Höhe der Schulden des Beschwerdeführers (gegenüber dem Arbeitsamt S 356.000,--) hätten aber auch diese Vermögensbestandteile nicht ausgereicht, um den Beschwerdeführer in die Lage zu versetzen, die Prozeßkosten ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes für sich und seine Familie zu bestreiten.

Gleiches gilt für die Beträge, die der Beschwerdeführer anläßlich von Waffen- und Kaderübungen über das Arbeitslosengeld hinaus (S 620,10 - S 230,50 = S 389,60) im Monatsdurchschnitt erhielt (S 389,60 x 85/12 = S 2.759,66). Als Einkommen standen dem Beschwerdeführer monatlich daher im Zeitpunkt der Bewilligung der Verfahrenshilfe durchschnittlich S 6.915,-- + S 2.760,-- = S 9.675,-- zur Verfügung. Auch dieser Betrag war für den notwendigen Unterhalt des Beschwerdeführers und seiner Familie so unzureichend, daß der Beschwerdeführer die erwähnten einlangenden Außenstände von S 4.000,-- und S 14.300,-- nicht für Prozeßkosten hätte aufwenden können.

Die letzte Zahlung des österreichischen Unternehmens, für das der Beschwerdeführer im Ausland gearbeitet hatte, ging mit S 11.850,-- Ende Juli 1992 ein. Weder durch das Vorbringen des Mitbeteiligten noch durch die Ergebnisse der vom Verwaltungsgerichtshof angestellten Ermittlungen wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers widerlegt, daß dieser aus den Erlösen der erwähnten Auslandstätigkeit keine Ersparnisse ansammeln konnte, die noch bis zur Bewilligung der Verfahrenshilfe vorhanden gewesen wären und zur Deckung der Prozeßkosten hätten herangezogen werden können.

Der Antrag des Mitbeteiligten auf Entziehung der Verfahrenshilfe war daher abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992140144.X00

Im RIS seit

26.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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