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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Stattgabe eines WiedereinsetzungsantragesSpruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird stattgegeben.
Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Begründung:
I. Mit dem am 8. November 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt der Bf. die WE in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist und erhebt gleichzeitig Beschwerde gegen einen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 13.6.1990. Der bekämpfte Berufungsbescheid bestätigt einen Bescheid der Magistratsabteilung 4, mit dem dem Beschwerdeführer Vergnügungssteuer für die Zeit von September 1987 bis Oktober 1988 in der Höhe von insgesamt 255.591 S sowie 5.112 S Säumniszuschlag vorgeschrieben wurde.
Zur Begründung des (rechtzeitig eingebrachten) Antrages auf Wiedereinsetzung wird vorgebracht, daß die rechtzeitig abgefertigte und richtig adressierte Beschwerde durch ein Versehen der ausgesprochen zuverlässigen Angestellten des Beschwerdevertreters in einem falsch adressierten Kuvert zur Versendung gelangte. Ein derartiger Fehler sei der Kanzleiangestellten das erste Mal unterlaufen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist begründet:
Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10880/1986, 11537/1987). Nach dem vom Verfassungsgerichtshof als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Beschwerdevertreters kann das Verschulden der Kanzleikraft, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO; vgl. auch VfSlg. 10345/1985), nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Die Versäumung der Beschwerdefrist ist offenkundig auf einen Irrtum bei der Adressierung des Kuverts zurückzuführen, denn die von der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien weitergeleitete Beschwerde bezeichnet auf der ersten Seite den Verfassungsgerichtshof als Adressaten. Es kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältig arbeitendem Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann (vgl. z.B. VfSlg. 10771/1986).
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zu bewilligen.
II. Der Verfassungsgerichtshof kann jedoch die Behandlung einer Beschwerde in einer Angelegenheit, die nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgeblichen Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, Unversehrheit des Eigentums und Anwendung einer verfassungswidrigen Norm. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht erforderlich. Die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage ist von der Entscheidung in diesen Punkten nicht zu erwarten.
Soweit die Beschwerde aber verfassungsrechtliche Fragen berührt, läßt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und angesichts des Umstandes, daß VfSlg. 10517/1985 die damals in Prüfung gezogene weitergehende Bestimmung des GebührenG gerade an Regelungen wie der hier angegriffenen gemessen hatte, die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß sie - unter dem Blickwinkel der vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtsverletzungen - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Da die Angelegenheit auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, sieht der Verfassungsgerichtshof von einer Behandlung der Beschwerde ab und tritt sie gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab (§19 Abs3 Z1 VerfGG).
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1243.1990Dokumentnummer
JFT_10089774_90B01243_2_00