Index
23/01 Konkursordnung;Norm
AuslBG §4 Abs1 idF 1975/218;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des Dr. T, Rechtsanwalt in W, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der X Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 2. März 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens beantragte die nunmehrige Gemeinschuldnerin X-GmbH mit Schreiben vom 3. März 1992, eingelangt beim Arbeitsamt Bau-Holz am 17. April 1992, die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den am 2. Oktober 1952 geborenen ausländischen Staatsbürger J für die berufliche Tätigkeit als "Schalungsbauer, Zimmerer" mit einer Entlohnung von S 15.336,45 brutto pro Monat. Die X-GmbH bejahte im Antrag die Frage, ob spezielle Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich seien und beantwortete die dazugehörige Frage "welche" mit den Worten "Praxis, Zeugnis".
Diesen Antrag lehnte das genannte Arbeitsamt mit Bescheid vom 5. Mai 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. Begründend führte die Behörde erster Instanz nach Wiedergabe dieser Gesetzesstelle aus, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, und darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die X-GmbH im wesentlichen vor, sie sei nach wie vor an der Vermittlung geeigneter qualifizierter Kräfte durch das Arbeitsamt interessiert. In diesem Zusammenhang sei anzumerken, daß eine Vermittlung derartiger Kräfte sie nur dann vor größeren finanziellen Einbußen bewahre, wenn diese möglichst rasch erfolge. Der beantragte Ausländer würde sofort zur Verfügung stehen, während eine Vermittlung durch das Arbeitsamt oft Wochen in Anspruch nehme. In dieser Zeit entstehe jedoch bereits ein nicht unerheblicher Dienstentgang, weil der beantragte Dienstnehmer bereits hätte beschäftigt werden können. Unbeschadet dessen bleibe das Interesse an einer Vermittlung geeigneter Ersatzkräfte aufrecht. Es sei absolut falsch, daß Gründe gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG nicht vorlägen, wie dies im erstinstanzlichen Bescheid angeführt werde. Einerseits werde der beantragte Dienstnehmer als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers freigewordenen Arbeitsplatzes benötigt, und andererseits erforderten sowohl öffentliche als auch gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers. Die X-GmbH sei auf zahlreichen Baustellen im gesamten Bundesgebiet mit ihren Arbeitskräften tätig; so würden u. a. Wohnbauten errichtet, die bei der derzeitigen Wohnungsnot von größter Bedeutung sowohl für den Bund als auch für die Länder seien. Es liege sohin gemäß § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG ein öffentliches, aber auch gesamtwirtschaftliches Interesse vor, welches die Beschäftigung der ausländischen Arbeitskraft erfordere.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. März 1993 gab die belangte Behörde ohne weitere Verfahrensschritte der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 3 Z. 4 und Z. 12 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 4 Abs. 3 Z. 4 und Z. 12 AuslBG aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß über den Betrieb des Beschwerdeführers beim Handelsgericht Wien am 24. November 1992 der Konkurs eröffnet worden sei. Auf Grund des nunmehr anhängigen Konkursverfahrens erscheine aber der belangten Behörde nicht mehr die Gewähr gegeben, daß die Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden könnten, im speziellen scheine auf Grund der mangelnden Liquidität keine Gewähr gegeben, daß die laufenden Lohnzahlungen erbracht werden könnten. Im Ermittlungsverfahren sei weiters festgestellt worden, daß gegen den Betrieb der beschwerdeführenden Partei bereits zwei Straferkenntnisse wegen Verstöße gegen das AuslBG ergangen seien. Im einzelnen seien dies das Straferkenntnis vom 11. August 1992 und vom 3. April 1992 wegen illegaler Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften. Auf Grund der Ermittlungsergebnisse sei daher für die belangte Behörde das vom Gesetzgeber geforderte Kriterium der Zuverlässigkeit des Arbeitgebers nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von dem zum Masseverwalter im Konkurs der X-GmbH bestellten Rechtsanwalt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich "in seinem Recht auf eine Beschäftigungsbewilligung für einen ausländischen Dienstnehmer durch unrichtige Rechtsanwendung, insbesondere falsche Auslegung des § 12 (richtig wohl § 4), Abs. 3, Z. 12 AuslBG sowie falsche Auslegung des § 4, Abs. 3, Z. 4 AuslBG sowie falsche bzw. unvollständige Sachverhaltsannahmen und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des vorliegenden Bescheides" verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 3 Z. 4 und Z. 12 AuslBG gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen. Das Arbeitsamt Bau-Holz hat seine Ablehnung noch ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Da von diesem Versagungsgrund im angefochtenen Bescheid nicht mehr die Rede ist, war darauf auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht mehr einzugehen.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
§ 4 Abs. 3 AuslBG zählt weitere Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung auf. So darf gemäß § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG die Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung nicht trotz Ablehnung eines Antrages oder ohne einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eingebracht zu haben, wiederholt Ausländer beschäftigt hat.
Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Im besonderen ist bei der Aufnahme von Beweisen den Parteien nach § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.
Der Versagungsgrund der Z. 12 des § 4 Abs. 3 AuslBG für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber während der letzten zwölf Monate vor der Antragseinbringung - trotz Ablehnung eines Antrages oder ohne einen Antrag auf Beschäftigungsbewilligung eingebracht zu haben - wiederholt Ausländer beschäftigt hat. Der gegenständliche Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den ausländischen Staatsbürger J stammt vom 3. März 1992 (beim Arbeitsamt Bau-Holz am 17. April 1992 eingelangt). Der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt sich nicht entnehmen, auf welchen Tatzeitpunkt(-raum) sich der (dem Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid vorgehaltene) Vorwurf der illegalen Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften bezieht. Die belangte Behörde führt hiezu lediglich aus, daß "gegen den Betrieb" des Beschwerdeführers zwei Straferkenntnisse (und zwar vom 11. August und vom 3. April 1992) wegen Verstößen gegen das AuslBG ergangen seien. Das Fehlen näherer Angaben, wann die X-GmbH ausländische Arbeitskräfte unerlaubt beschäftigt habe, läßt eine Prüfung der Frage, ob die der "X-GmbH" (in den beiden Straferkenntnissen vom 11. August und 3. April 1992) zur Last gelegten Taten (unter Beachtung des Jahreszeitraumes iSd § 4 Abs. 3 Z. 12 AuslBG) im Beschwerdefall überhaupt für die Versagung der Beschäftigungsbewilligung in Betracht kommen, nicht zu.
Die Ablehnung der beantragten Beschäftigungsbewilligung wird im angefochtenen Bescheid auch noch auf § 4 Abs. 3 Z. 4 AuslBG gestützt. Nach dieser Bestimmung darf die Beschäftigungsbewilligung weiters nur erteilt werden, wenn die Gewähr gegeben erscheint, daß der Arbeitgeber die Lohn- und Arbeitsbedingungen einschließlich der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften einhält.
Das zu den Tatbestandsvoraussetzungen gehörende rechtserhebliche Tatbestandsmerkmal des "Gegebenerscheinens" der Gewähr" bedeutet, daß keine Umstände vorliegen dürfen, die für das in Aussicht genommene Beschäftigungsverhältnis die künftige Einhaltung der in Betracht kommenden allgemeinen und besonderen lohn- und arbeitsrechtlichen (die seit der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 auch die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften mitumfassen) Vorschriften, insbesondere die gesetzlichen, satzungsgemäßen und kollektivvertraglichen Bestimmungen sowie jene der Arbeitsverfassung und des Arbeitnehmerschutzes, als zweifelhaft erscheinen lassen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1993, Zl. 93/09/0034, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Feststellung, auf Grund des nunmehr anhängigen Konkursverfahrens erscheine nicht mehr die Gewähr gegeben, daß die Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden könnten, im speziellen scheine auf Grund der mangelnden Liquidität keine Gewähr gegeben, daß die laufenden Lohnzahlungen erbracht werden könnten, vermag die - nach den oben dargelegten rechtlichen Maßstäben gebotene - prognostische Feststellung des "nicht Gegebenerscheinens der Gewähr" allein nicht zu tragen. Der angefochtene Bescheid läßt eine hinreichende Begründung zu diesem von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Versagungsgrund vermissen. Wird während des Konkursverfahrens vom Masseverwalter ein Arbeitsverhältnis (hier: etwa mit einem ausländischen Arbeitnehmer) neu eingegangen, so sind sämtliche daraus entspringende Forderungen des Arbeitnehmers (also auch die Gehaltsforderungen) als Masseforderungen zu qualifizieren (vgl. § 46 Abs. 1 Z. 3b KO). Kennzeichnend für die Masseforderungen ist, daß sie vom Konkurs nicht berührt werden, sondern unabhängig vom Verfahrensverlauf jederzeit - sofern sie feststehen und fällig sind - aus der Masse befriedigt werden müssen (§§ 47 Abs. 1 und 124 Abs. 1 KO; vgl. Schwarz-Loschnigg, Arbeitsrecht, 4. Auflage, S. 286 f). Dies trifft im Beschwerdefall zu, weil das Arbeitsverhältnis mit dem beantragten Ausländer erst nach der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung rechtswirksam begründet werden kann und dieser Zeitpunkt jedenfalls nach dem der Konkurseröffnung liegt.
Voraussetzung für eine rechtmäßige Entscheidung ist, daß der von der Behörde festgestellte Sachverhalt in einem den Anforderungen des AVG entsprechenden Ermittlungsverfahren gewonnen wurde. Wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten hervorgeht, sind die für den Ausgang des Verfahrens entscheidungswesentlichen Sachverhaltsannahmen dem Beschwerdeführer (bzw. der X-GmbH) im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht worden (daher konnte der Beschwerdeführer auch erst in seiner Beschwerde darauf hinweisen, daß eine entsprechende Sicherheit, die von dritter Seite geleistet worden sei, vorliege und so die finanziellen Mittel für die Betriebsfortführung vorhanden seien), wodurch das Recht auf Parteiengehör nicht gewährt und somit ein fundamentaler Grundsatz jedes geordneten Verwaltungsverfahrens verletzt wurde (vgl. das denselben Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, Zl. 93/09/0051).
Da die belangte Behörde solcherart den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, und zwar weil der Sachverhalt in entscheidungswesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, aber auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090119.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
05.05.2009