Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung einerTrassierungsverordnung; keine nachteilige rechtliche Wirkung zumZeitpunkt der Antragstellung mehr; Außerkrafttreten derDurchführungsverordnung im Falle ihres Widerspruches zur geändertengesetzlichen GrundlageSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Marktgemeinde V, die nach ihrem Vorbringen Eigentümerin der Liegenschaften EZ 3000, 678, 61, 2069, 1901 und 53, 1152, 2093, alle KG Vösendorf, ist, beantragt gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung der Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 19. März 1975 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der A21 Wiener Außenring Autobahn im Bereich der Gemeinden Vösendorf, Hennersdorf und Wien, BGBl. 204/1975, soweit sich diese Verordnung auf die genannten Liegenschaften bezieht, in eventu zur Gänze als gesetzwidrig. Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis kommen, daß die angefochtene Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, beantragt die Marktgemeinde Vösendorf gemäß Art139 Abs4 B-VG die Feststellung, daß die angefochtene Verordnung - soweit sie sich auf die im Eigentum der Antragstellerin stehenden Liegenschaften bezieht, in eventu zur Gänze - gesetzwidrig war.
2. Die angefochtene Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 19. März 1975, BGBl. 204/1975, lautet:
"Auf Grund des §4 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, wird verordnet:
Der Straßenverlauf der A21 Wiener Außenring Autobahn wird im Bereich der Gemeinden Vösendorf, Hennersdorf und Wien wie folgt bestimmt:
Die neu herzustellende Straßentrasse beginnt im unmittelbaren Anschluß an den Knoten Vösendorf (Überschneidung mit der A2 Südautobahn) bei Plan-km 0,00 und verläuft in östlicher Richtung zur Anschlußstelle Vösendorf (Anbindung der Landesstraße 2008 Laxenburger Straße). In der Folge berührt die Trasse das Gemeindegebiet von Hennersdorf, erreicht bei Plan-km 3,80 das Gebiet der Stadt Wien und endet im Bereich der Überführung der B16 Ödenburger Straße bei Plan-km 4,45.
Im einzelnen ist der Verlauf der Straßentrasse aus den beim Bundesministerium für Bauten und Technik, beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, beim Magistrat der Stadt Wien und bei den Gemeinden Vösendorf und Hennersdorf aufliegenden Planunterlagen (Maßstab 1 : 5000) zu ersehen.
§15 Bundesstraßengesetz 1971 findet auf den vorangeführten Straßenteil Anwendung. Der in dessen Abs2 angeführte Geländestreifen beträgt 75 m beiderseits der Straßenachse."
3.a. Zur Antragslegitimation bringt die Antragstellerin vor, daß sie als Eigentümerin von Gründstücken, die in dem von der bekämpften Verordnung festgelegten Bundesstraßenbaugebiet (§15 BStG 1971) liegen, im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 9823/1983, VfGH v. 26.9.1989, V10/89, V11/89) zu dem vorliegenden Antrag legitimiert sei.
b. Die angefochtene Verordnung erachtet die Antragstellerin insbesondere wegen der ihr seit dem Inkrafttreten der Bundesstraßengesetz-Novelle 1986, BGBl. 165/1986, fehlenden gesetzlichen Grundlage als gesetzwidrig.
4. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat die die Erlassung der bekämpften Verordnung betreffenden Akten vorgelegt und in einer Äußerung die Abweisung des Antrages, in eventu seine Zurückweisung beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; für solche Anträge gilt Art89 Abs3 B-VG sinngemäß.
Aus dem Wortlaut des Art139 Abs1 B-VG (arg. "verletzt zu sein behauptet", und nicht etwa "verletzt worden zu sein behauptet") ergibt sich, daß die bekämpfte Verordnung zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung (noch) eine behauptete und tatsächlich vorliegende (nachteilige) rechtliche Wirkung für den Antragsteller haben muß, mag auch die Verordnung inzwischen bereits außer Kraft getreten sein (vgl. zB VfSlg. 9096/1981 zu Art140 Abs1 B-VG). Die dem Verfassungsgerichtshof in Art139 Abs4 B-VG eingeräumte Befugnis zu einem Ausspruch, daß eine außer Kraft getretene Verordnung gesetzwidrig war, bringt keineswegs mit sich, daß eine an sich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreifende Verordnung (vgl. für Verordnungen gemäß §4 Abs1 BStG 1971 zB VfSlg. 10581/1985) nach ihrem Außerkrafttreten gleichsam auf unbestimmte Zeit auch weiterhin die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar berührt (vgl. VfSlg. 10819/1986, 11365/1987).
2. Die von der Antragstellerin behaupteten Eingriffe in ihre Rechtssphäre lagen bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vor:
a. Die angefochtene Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 19. März 1975, BGBl. 204/1975, wurde auf Grund des §4 Abs1 Bundesstraßengesetz 1971 (BStG 1971), BGBl. 286/1971, erlassen. Das gemäß §1 Abs1 BStG 1971 einen Bestandteil des BStG 1971 bildende Verzeichnis 1 (Bundesstraßen A- Bundesautobahnen) beschrieb den Verlauf der A21 Wiener Außenring Autobahn mit der Formulierung:
"Steinhäusl (A 1) - Vösendorf (A 2) - Kledering (A 3) - Wien/Kaiserebersdorf (A 4) - Wien/Lobau (A 22) - Aderklaa (A 24) - Eibesbrunn (A 5) - Korneuburg (A 22)."
b. Durch die Bundesstraßengesetznovelle 1983, BGBl. 63/1983, wurde - anläßlich der Neufassung des Verzeichnisses 1 - die Streckenbeschreibung der A21 Wiener Außenring Autobahn wie folgt geändert:
"Steinhäusl (A 1) - Vösendorf (A 2) - Kledering (A 3) - Wien/Kaiserebersdorf (A 4) - Wien Lobau (A 22)."
c. Durch die Bundesstraßengesetznovelle 1986, BGBl. 165/1986, wurde - anläßlich der Neufassung des Verzeichnisses 1 - die Streckenbeschreibung der A21 Wiener Außenring Autobahn neuerlich wie folgt geändert:
"Knoten Steinhäusl (A 1) - Knoten Vösendorf (A 2, B301)."
Das ebenfalls neu gefaßte Verzeichnis 3 (Bundesstraßen B) beschreibt den Verlauf der B301 Wiener Südrand Straße mit folgender Formulierung:
"Vösendorf (A 2, A21) - Schwechat - Wien (Kaiserebersdorf (B 10) - Lobau/Ölhafen - Knoten Kaisermühlen (A 22, A23))."
Die ErlzRV (713 BlgNR 16.GP, S. 15 und 18) führen dazu aus, daß sich einige Strecken der Bundesautobahnen (ausschließlich solche, die noch nicht gebaut sind) als entbehrlich erwiesen hätten und daher aus dem Bundesstraßenverzeichnis eliminiert würden; insbesonders werde die A21 Wiener Außenring Autobahn von Westen her (Knoten Steinhäusl) kommend nun nicht mehr in Wien/Lobau enden, sondern nur mehr bis zur A2 Süd Autobahn geführt. Für die Verkehrsbeziehungen entlang der nunmehr entfallenen A21 zwischen Vösendorf und Wien/Lobau werde eine neue Bundesstraße B301 Wiener Südrand Straße in das Verzeichnis der Bundesstraßen B aufgenommen.
d. Mit ArtII der Bundesstraßengesetznovelle 1990, BGBl. 159/1990, wurde in das Bundesgesetz betreffend die Errichtung einer Autobahnen- und Schnellstraßen Gesellschaft, BGBl. 300/1981 idF BGBl. 591/1982, ein §1 a eingefügt, nach dessen Abs1 litb der Bund die Planung der im BStG 1971, BGBl. 286 idF BGBl. 165/1986, angeführten Strecken der Bundesstraßenverbindung zwischen der A2 und der A4 der Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft zu übertragen hat.
e. Die Bestimmung des Straßenverlaufes von Bundesstraßen durch den zuständigen Bundesminister hat gemäß §4 Abs1 BStG 1971 idjgF "im Rahmen der Verzeichnisse", die nach §1 Abs1 BStG 1971 idjgF "einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes" bilden, zu erfolgen. Auf Grund des §4 Abs1 BStG 1971 idjgF zu erlassende "Trassenverordnungen" sind daher Durchführungsverordnungen iSd Art18 Abs2 B-VG. Sie dürfen weder hinsichtlich der vom Gesetzgeber in Grundzügen vorgegebenen Streckenbeschreibung noch hinsichtlich des vom Gesetzgeber vorgegebenen Straßentyps (§2 BStG 1971) von den - einen Bestandteil des BStG 1971 idjgF bildenden - Verzeichnissen 1 bis 3 abweichen.
Ändert sich die - im Sinne des Art18 Abs2 B-VG erforderliche - gesetzliche Grundlage einer Durchführungsverordnung, so wird diese Durchführungsverordnung im Falle eines Widerspruches zur Neufassung ihrer ursprünglichen gesetzlichen Grundlage nicht gesetzwidrig iSd Art139 B-VG; sie tritt vielmehr gleichzeitig mit ihrer ursprünglichen gesetzlichen Grundlage außer Kraft, sofern die Neufassung des Gesetzes keine Grundlage iSd Art18 Abs2 B-VG bietet (zB VfSlg. 2266/1952, 2326/1952, 11643/1988; VwSlg. 10400/1981).
Um die dargestellte Rechtsfolge auszuschließen, hat der Bundesstraßengesetzgeber anläßlich der Änderung der Verzeichnisse durch die Bundesstraßengesetznovelle 1983, BGBl. 63/1983, in ArtII Z4 ausdrücklich die Weitergeltung bis zum Inkrafttreten der Bundesstraßengesetznovelle 1983 erlassener Verordnungen gemäß §4 Abs1 BStG 1971 idjgF auch dann, wenn sich der Straßentyp (§2 BStG 1971) geändert hat, angeordnet. Ohne auf die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzlichen Regelung, die für den vorliegenden Fall nicht präjudiziell ist, hier einzugehen, ist jedenfalls festzustellen, daß sich eine vergleichbare Bestimmung in der Bundesstraßengesetznovelle 1986, BGBl. 165/1986 (mit der die Streckenbeschreibung der A21 Wiener Außenring Autobahn auf "Knoten Steinhäusl (A 1) - Knoten Vösendorf (A 2, B301)" verkürzt und zur funktionellen Übernahme des Verkehrs im Bereich der entfallenen Abschnitte der A21 die B301 Wiener Südrand Straße neu in das Verzeichnis der Bundesstraßen B aufgenommen wurde) nicht findet. Die Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 19. März 1975, BGBl. 204/1975, die den Straßenverlauf der A21 Wiener Außenring Autobahn beginnend im unmittelbaren Anschluß an den Knoten Vösendorf bis Plan-km 4,45 im Bereich der Überführung der B16 Ödenburger Straße bestimmt, ist daher mit Inkrafttreten der Bundesstraßengesetznovelle 1986 (1. April 1986 gemäß ArtIII Z1 BGBl. 165/1986) außer Kraft getreten.
Die von der Antragstellerin behaupteten Eingriffe in ihre Rechtssphäre lagen somit bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung (die Anträge sind am 15. März 1990 bzw. am 26. September 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt) nicht mehr vor. Der - für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangen sollte, daß die angefochtene Verordnung bereits außer Kraft getreten ist, gestellte - Antrag auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung gemäß Art139 Abs4 B-VG enthält auch keinerlei Hinweis auf eine nach wie vor gegebene unmittelbare Betroffenheit iSd Art139 Abs1 letzter Satz B-VG.
Da es sohin an einer der Voraussetzungen für die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG fehlt, ist der Antrag gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene Verhandlung zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 9868/1983, VfGH 28.6.1990, V109/89).
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenverlaufsfestlegung,Übergangsbestimmung, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung,Herzog-Mantel-TheorieEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:V166.1990Zuletzt aktualisiert am
12.04.2011