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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §106;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde des J in E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 27. August 1992, Zl. 19-DK 47/92, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 31. Oktober 1947 geborene Beschwerdeführer ist Revierinspektor bei der Gendarmerie und war zuletzt dem Gendarmerieposten L zur Dienstleistung zugeteilt.
Mit Bescheid des Landesgendarmeriekommandanten für die Steiermark vom 2. April 1992 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes verschiedener Dienstpflichtverletzungen gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 mit sofortiger Wirkung (vorläufig) vom Dienst suspendiert. Über die (endgültige) Suspendierung wurde in der Folge von der belangten Behörde mit Bescheid vom 23. April 1992 gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 entschieden, die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung blieb ohne Erfolg. Die nach wie vor aufrechte Suspendierung des Beschwerdeführers ist Gegenstand des zur hg. Zl. 93/09/0252 anhängigen Parallelverfahrens.
Der Bescheid des Landesgendarmeriekommandanten vom 2. April 1992 enthielt im Anschluß an die Rechtsmittelbelehrung und an den Hinweis über die Möglichkeit der Anrufung der Höchstgerichte folgenden Absatz:
"Außerhalb des Bescheides:
Das Tragen von Dienstwaffen und der Uniform ist Ihnen untersagt. Den GP L dürfen Sie nur im Falle einer Weisung oder eines triftigen Grundes betreten. Den Dienstausweis, die Visitenkarten sowie die streng verrechenbaren Drucksorten haben Sie beim GAK L zu hinterlegen. Waffen und Rüstungssorten verbleiben auf der Dienststelle."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. August 1992 hat die belangte Behörde
"... aufgrund der von der Dienstbehörde am 7. Juli 1992, GZ 6531/1-2/92, gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 übermittelten Disziplinaranzeige ohne mündliche Verhandlung beschlossen:
Gegen RevInsp J wird gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil der in der Disziplinaranzeige des Bezirksgendarmeriekommandos L vom 25. Juni 1992, GZ 6530/92, angezeigte Sachverhalt den Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung nach § 19 BDG 1979 (richtig wohl: § 91) erkennen läßt.
RevInsp J wird beschuldigt, am 28. April 1992, um
18.45 Uhr, im Bereich des Hauptplatzes in L, vor dem Sparkassengebäude, mit Uniform und Tellerkappe adjustiert, gewesen zu sein und sich dort vom Fotoreporter D, für die Tageszeitung "Täglich Alles" mehrmals fotographieren haben zu lassen, obwohl ihm mit Bescheid über die vorl. Suspendierung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark, GZ 6531/1-2/92, vom 2. April 1992, unter "Hinweis - außerhalb des Bescheides" das Tragen der Uniform untersagt worden ist.
RevInsp J dürfte durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 44/1 BDG 1979 verstoßen haben."
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Inhalt der gegen den Beschwerdeführer erstatteten Anzeige ("Verdacht einer Dienstpflichtverletzung durch Zuwiderhandeln gegen Suspendierungsauflage") und der darin enthaltenen Zeugenaussagen wieder. Abschließend führte die belangte Behörde in der Begründung aus, der Beamte dürfte durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und gemäß § 91 BDG 1979 schuldhaft eine Dienstpflichtverletzung begangen haben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "subjektiven Recht auf gesetzeskonforme Anwendung der Vorschriften des Disziplinarrechtes für Beamte" verletzt und vertritt die Auffassung, daß gegen ihn ein Disziplinarverfahren zu Unrecht eingeleitet worden sei.
Die Beschwerde ist rechtzeitig erhoben worden. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29. Oktober 1992 zugestellt. Am 2. Dezember 1992, also innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist, hat der Beschwerdeführer zur hg. Zl. VH 92/09/0014 um Verfahrenshilfe zum Zwecke der Beschwerdeführung angesucht, die ihm mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1993 bewilligt wurde. Nach mehrfachen (fristgerechten) Umbestellungen wurde die Bestellung des nunmehrigen Beschwerdevertreters Dr. H diesem am 19. April 1993 zugestellt.
Die am 28. Mai 1993 zur Post gegebene Beschwerde ist daher rechtzeitig (vgl. dazu auch das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1991, Zl. 91/18/0010).
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem 9. Abschnitt dieses Gesetzes) zur Verantwortung zu ziehen.
§ 118 Abs. 1 BDG 1979 sieht vor, daß das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen ist, wenn
1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3)
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4)
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.
Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist gemäß dem 2. Satz des § 123 Abs. 2 BDG 1979 kein Rechtsmittel zulässig.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Ermittlungen der Disziplinarbehörde vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens das Ziel, zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind, oder ob allenfalls OFFENKUNDIGE Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Disziplinarkommission muß bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob ein bestimmter Beamter eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebensowenig muß im Einleitungsbeschluß das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird, was insbesondere für die Frage einer allfälligen Verjährung von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, Zl. 93/09/0224, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das ihm im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgeworfene Verhalten (Tragen der Uniform in der Öffentlichkeit am 28. April 1992 zum Zwecke der Herstellung von Fotografien durch einen Zeitungsreporter). Er meint aber, damit keine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, weshalb das Disziplinarverfahren nicht einzuleiten, sondern vielmehr gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 einzustellen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer versucht dies in erster Linie damit zu begründen, daß er mit seinem Verhalten nicht gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen habe, weil ihm eine einschlägige Weisung nie erteilt worden sei. Die schriftlich an den Beschwerdeführer am 2. April 1992 "außerhalb des Bescheides" des Landesgendarmeriekommandanten mitgeteilte Untersagung des Tragens von Waffen und der Uniform stelle nämlich keine Weisung dar.
Dieses Vorbringen vermag nicht zu überzeugen, denn diese Untersagung war eine unmißverständliche, von einem Vorgesetzten des Beschwerdeführers stammende normative Willensäußerung (vgl. zum Weisungsbegriff etwa Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, S. 226 ff; Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, S. 66 ff). Sind dienstliche Weisungen erkennbar erteilt, so sind sie grundsätzlich bindend und können nicht aus eigener Beurteilung als ungerechtfertigt oder unzumutbar zurückgewiesen werden. Ungehorsam drückt sich normalerweise in der gezielten Ablehnung oder in der nachlässigen Außerachtlassung einer Anordnung aus (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 91/09/0002).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher der Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu folgen, die schriftlich an diesen gerichtete Mitteilung, ihm sei das Tragen der Uniform untersagt, stelle mangels Normcharakters keine Weisung dar. Wenn der Beschwerdeführer seine Auffassung unter Hinweis auf die vom Landesgendarmeriekommandanten gewählte Formulierung ("ist" Ihnen untersagt - statt: "wird" Ihnen untersagt) zu untermauern sucht, so wird durch dieses Wortspiel nur die Schwäche seiner Argumentation deutlich, die den Weisungscharakter dieser Mitteilung nicht zu widerlegen vermag.
Der Beschwerdeführer meint ferner, er sei ab Rechtswirksamkeit der vorläufigen Suspendierung nicht mehr "im Dienst" gewesen, sodaß er am 28. April 1992 "schon denkmöglich keine Dienstpflichtverletzungen mehr begehen konnte".
Das Gesetz enthält keine Regelungen über die Wirkungen der Suspendierung; diese können daher nur aus der Wortbedeutung sowie aus dem im Gesetz positivierten Zweck dieser Maßnahme erschlossen werden (Kucsko-Stadlmayer, aaO, S. 495). Alle Pflichten, die sich AUF DIE AMTSTÄTIGKEIT beziehen, sind mit der Suspendierung für den Beamten vorläufig aufgehoben. Aus dem Verbot, Dienstleistungen zu erbringen, folgt für den suspendierten Beamten zwingend auch das Ruhen jener subjektiven öffentlichen Rechte, die ihm nur "im Dienst" zustehen oder ihm die Dienstausübung ermöglichen sollen. So hat der Beamte während der Suspendierung wohl keinen Anspruch auf Beistellung von Dienstkleidung, Dienstabzeichen und sonstigen Sachbehelfen, und er hat grundsätzlich auch nicht das Recht, während dieser Zeit die - ihm früher beigestellte - Dienstkleidung, Dienstabzeichen und Sachbehelfe (z.B. Waffen) zu tragen und zu benützen (so ergänzend Kucsko-Stadlmayer, aaO, S. 502). Geht man davon aus, daß dem Gesetz derartige Wirkungen der Suspendierung sinnvollerweise zu entnehmen sind, dann ist nicht einzusehen, aus welchen Gründen der suspendierte Beamte von der Pflicht befreit sein sollte, einschlägige Weisungen zu beachten und zu befolgen.
Der Beschwerdeführer bestreitet weiters das "disziplinarrechtliche Gewicht" des ihm vorgeworfenen Verhaltens und meint, die belangte Behörde hätte deshalb mit einer Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 vorzugehen gehabt. Die in diesem Einstellungsfall besonderer Art als "gering" anzunehmende Schuld sowie die nur "unbedeutenden Folgen der Tat" und die diesbezüglich anzustellenden spezial- und generalpräventiven Überlegungen setzen voraus, daß in Ansehung einer als erwiesen angenommenen Dienstpflichtverletzung das Maß der disziplinären Schuld gering einzuschätzen ist und eine Disziplinierung auch zur Wahrung des dienstlichen, durch das Disziplinarrecht geschützten Interesses nicht notwendig erscheint. Die damit verbundene Feststellung, daß der Beamte eine Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat, "beschwert" allerdings den Beamten (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0098).
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde nur von einer gegen den Beschwerdeführer erhobenen Beschuldigung und damit vom Verdacht des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung ausgegangen; die für eine Einstellung gemäß § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 erforderliche Feststellung der tatsächlichen Begehung dieser Tat konnte die belangte Behörde auf Grund des dem angefochtenen Bescheid vorangegangenen Verfahrens noch nicht abschließend treffen. Nach der Aktenlage offen ist auch noch, ob die Tat wirklich "keine oder nur unbedeutende Folgen" nach sich gezogen hat, geht doch der Beschwerdeführer selbst vom Vorliegen einer "völlig vergifteten Atmosphäre" aus, "die durch die Medienberichterstattung über die sogenannte "Affäre J" entstanden ist".
Schließlich macht der Beschwerdeführer das Vorliegen von Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, weil der angefochtene Bescheid nicht den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG entsprechend begründet sei. Dem ist zu erwidern, daß sich der Beschwerde nicht entnehmen läßt, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels hätte gelangen sollen; zeigt doch der Beschwerdeführer nicht auf, daß die belangte Behörde von unrichtigen Sachverhaltsannahmen ausgegangen wäre. Im übrigen kann dazu auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, wonach das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten im Einleitungsbeschluß noch nicht abschließend tatsächlich geklärt und rechtlich gewürdigt werden muß.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als frei von der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090253.X00Im RIS seit
20.11.2000