TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/9 93/01/0768

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Veröffentlicht am 09.09.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §16 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
AVG §13a;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnC;
FlKonv Art1 AbschnF;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1993, Zl. 4.312.840/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. Mai 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 6. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und verweigerte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 29. März 1991 angegeben, er habe als Angehöriger der alevitischen Glaubensgemeinschaft nicht leben und arbeiten können, wie er gewollt habe. In seinem Heimatland würden die Aleviten "nicht als Menschen angesehen" und aus der Gesellschaft ausgestoßen. Auf Ämtern sei der Beschwerdeführer bei Vorsprachen "vertrieben" und im Krankenhaus "als letzter" behandelt worden. Bei einer Fahrt mit seinem Traktor in die Stadt sei der Beschwerdeführer von der Polizei angehalten und unter Beschimpfungen zum Verlassen seines Traktors aufgefordert worden. Dies sei auf seine Zugehörigkeit zur genannten Glaubensgemeinschaft - die Polizei erkenne Aleviten schon an ihrem Äußeren - zurückzuführen gewesen. Auch würden die Aleviten von der übrigen Bevölkerung beschimpft und verhöhnt. Der Tod der Mutter des Beschwerdeführers nach einer Operation im Jahre 1987 sei darauf zurückzuführen, daß der operierende Arzt ein Türke gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei weder Mitglied einer politischen Organisation noch habe er sich politisch betätigt; auch sei er keinen Verhaftungen ausgesetzt gewesen. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, in seinem Heimatland wegen seiner kurdischen Abstammung und wegen seiner Gesinnung verfolgt zu werden. Sobald er eine Stelle habe antreten wollen, sei ihm bedeutet worden, er habe, weil er Kurde sei, zu warten.

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen in seinem Heimatland nicht als Umstand gewertet hat, der eine Asylgewährung rechtfertigen könnte, ist doch die allgemeine wirtschaftliche Lage im Heimatland eines Asylwerbers nicht als konkret gegen eine bestimmte Person gerichtete Verfolgung zu werten (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0824). Die belangte Behörde hat auch richtig erkannt, daß allein aus der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bzw. aus dem Hinweis auf deren schlechte allgemeine Situation das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden kann. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist die Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit in der Türkei nicht als Umstand zu werten, der für sich schon allein begründete Furcht vor Verfolgung nach sich zöge (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/01/0897).

Die vom Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seiner Religionszugehörigkeit geltend gemachten, gegen ihn gerichteten behördlichen Aktivitäten hat die belangte Behörde zu Recht als nicht derart gravierend angesehen, daß sie eine den weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich machende Intensität erreichen würden. So kann weder aus dem offenbar vereinzelt gebliebenen Vorfall im Zusammenhang mit der Traktorfahrt noch aus dem Umstand, daß die übrige Bevölkerung die Aleviten beschimpfe und verhöhne, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) abgeleitet werden.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die mit ihm durchgeführte niederschriftliche Befragung vom 29. März 1991 habe nicht der im § 14 Asylgesetz 1991 geregelten Ersteinvernahme entsprochen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er nicht näher dargetan hat, worin er diese mangelnde Entsprechung erblickt. Soweit er in diesem Zusammenhang rügt, die Behörde habe es unterlassen ihn über seine Fluchtgründe detailliert zu befragen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall - der unbestritten gebliebenen Wiedergabe des erstinstanzlichen Vorbringens des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid zufolge - über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde somit nicht verhalten, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.

Der Beschwerdeführer hat auch gerügt, es sei entgegen dem Gebot des § 16 Abs. 2 Asylgesetz 1991 unterlassen worden, ihm ein in dieser Gesetzesstelle angeführtes Merkblatt über die ihm obliegenden Pflichten und zustehenden Rechte auszufolgen. Hiezu ist ihm zu entgegnen, daß es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelt, sodaß ein der Behörde allenfalls unterlaufener Verstoß gegen diese Vorschrift weder die Rechtswirksamkeit des ein derartiges Verfahren abschließenden Bescheides noch dessen Rechtmäßigkeit zu berühren vermag.

Soweit der Beschwerdeführer in der von ihm geltend gemachten Anleitungspflicht einen wesentlichen Verfahrensmangel erblickt, ist ihm entgegenzuhalten, daß weder aus § 13 a AVG noch aus § 16 Asylgesetz 1991 eine Verpflichtung der Behörden abgeleitet werden kann, einen Asylwerber, der - wie der Beschwerdeführer - lediglich allgemeine Benachteiligungen bzw. ein einmaliges gegen ihn gerichtetes behördliches Vorgehen von geringer Intensität vorbringt, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0800-0803). Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.

Bei diesem Ergebnis konnte eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der von der belangten Behörde zusätzlich zur Verneinung des Vorliegens von Fluchtgründen - im Hinblick auf eine strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich - angenommene Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991, demzufolge einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er unter Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention fällt, tatsächlich gegeben ist, unterbleiben.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf diese Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den zu Zl. AW 93/01/0488 protokollierten Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010768.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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